„Paten der Nacht“ gegen Lichtverschmutzung
Kampf gegen den leuchtenden Umweltkiller: Neue Initiative im Landkreis Mühldorf
Die Stadt Mühldorf nutzt schon lange intelligente Beleuchtungsanlagen. Diese sind so geschaltet, dass sie nur hell leuchten, wenn viele Menschen unterwegs sind.
Mühldorf – Mit künstlichem Licht macht der Mensch die Nacht zum Tag. Doch das Lichtermeer aus Straßen- oder Gartenbeleuchtung sorgt für großen Schaden in der Umwelt und trägt aktiv zum Artensterben bei.
Nicht nur Insekten leiden unter der Helligkeit in der Nacht, sondern sämtliche andere Tierarten wie Vögel, Fledermäuse, Igel, Fische und viele mehr. Und auch der Mensch schadet damit seiner eigenen Gesundheit.
Margit Seifert (63) aus Altmühldorf beschäftigt sich schon seit Jahren ehrenamtlich mit dem Thema. Sie ist Mitglied beim Landesbund für Vogelschutz (LBV), bei der Plogging-Gruppe in Mühldorf und Teammitglied bei den ‚Paten der Nacht‘, die sich gegen Lichtverschmutzung stark machen. Sie weiß: „Umweltzerstörung findet nicht nur in fernen Ländern statt, sondern direkt bei uns zu Hause.“
Die Helligkeit nimmt stetig zu
Die Umweltschützerin will nicht den Spaß am Gartenlampion verderben, aber sie möchte aufklären. Ihr Wissen gab sie kürzlich bei einem Vortrag zum Thema ‚Lichtverschmutzung‘ bei der Volkshochschule in Mühldorf weiter.
„Die Kosten für Licht sind unwahrscheinlich niedrig geworden“, so Seifert. „In Europa nimmt die Helligkeit pro Jahr um fünf bis sechs Prozent zu. Weltweit um zwei Prozent.“ Wer glaube Mühldorf sei eine Insel der Glückseligen, irre sich. Die Leuchtdichte habe auch hier stark zugenommen. Das könne man sich sehr gut im Internet auf der ‚Light Pollution Map‘ anschauen – www.lightpollutionmap.info.
Was die Lichtverschmutzung mit Tieren, Pflanzen und Menschen anrichtet, sei alarmierend, erklärt Seifert: „Als tagaktive Art können wir Menschen überhaupt nicht beurteilen, wie es einem nachtaktiven Lebewesen geht.“
„Das Empfinden der Menschen lässt uns daran glauben, dass Dunkelheit Gefahren birgt, dabei ist das Gegenteil der Fall“, so Seifert. Laut Rechtslage gilt etwa im Straßenverkehr eine Beleuchtungspflicht nur dort, wo selbst bei größtmöglicher Anpassung an Sichtverhältnisse Hindernisse nicht sichtbar wären. Ein weiterer Punkt zum Thema Sicherheit: Nur drei Prozent aller Einbrüche finden nachts zwischen 22 Uhr und acht Uhr statt. Studien hätten ergeben, dass Kriminalität auch bei Reduktion von Beleuchtung nicht zunimmt.
„Dunkelheit ist ein natürlicher Zustand, bedeutet Ruhe, Entspannung und vor allem Erholung. Sie dient zur Regeneration von Geist und Körper.“ Licht in der Nacht sorge aber dafür, dass Bäume ihr Laub später verlieren und dann erfrieren. Pflanzen sind die Nahrungsquelle von Insekten. Wird die Bestäubungsleistung der Insekten reduziert, hat dies wiederum Auswirkungen auf die Nahrungskette.
„Gerne kann man auf mich zukommen und sich Tipps zum richtigen Umgang mit Licht bei mir holen. Auch für Vorträge kann man mich buchen“, bietet Seifert an. Die Altmühldorferin weiß nicht nur über die Gefahren Bescheid, sondern zeigt auch Lösungswege auf: „Fakt ist: Je heller die Nacht, desto mehr wird unser Planet zerstört.“
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„Auch wir beschäftigen uns mit dem Thema Lichtverschmutzung und Umweltschutz“, versichert Ernst Böhm von der Stadt Mühldorf, zuständig für Tief-, Straßen- und Kanalbau. „Man muss natürlich unterscheiden zwischen privater und öffentlicher Beleuchtung. Bei der Ausleuchtung öffentlicher Straßen gilt das Bayerische Straßen- und Wegegesetz.“ Die Stadt nutze schon seit Jahrzehnten intelligente Beleuchtungsanlagen die so geschaltet sind, dass es zu Hauptstoßzeiten, wenn viele Menschen unterwegs sind, heller ist, als zur Schlafenszeit.
Bisher wurden 50 Prozent umgerüstet
Böhm nennt Zahlen zur städtebaulichen Entwicklung Mühldorfs: „1990 hatten wir 14.000 Einwohner. Heute im Jahr 2022 haben wir 22.000 Einwohner. Die Zahl der Leuchtpunkte, zum Beispiel Straßenlaternen, ist in diesem Zeitraum auf 4800 gestiegen.“ Der Stromverbrauch sei jedoch gesunken. 2008 standen noch viel weniger Masten als heute. Der Verbrauch lag damals mit 1.475.000 Kilowattstunden aber weit höher als im Jahr 2021 mit 762 Kilowattstunden. Diese Senkung resultiere aus der Nachrüstung und dem Einsatz von LED. „Wir rüsten die technischen Leuchten ständig nach“, so Böhm. „Bislang haben wir 50 Prozent umgerüstet und suchen mit den Technikern der Stadtwerke immer weiter nach umweltfreundlichen Lösungen.“
Jeder kann zu weniger Lichtverschmutzung beitragen
Margit Seifert weiß, wie man mit Licht in der Nacht umgehen sollte:
- Auf warmen Lichtfarbton achten. Eine Farbtemperatur von 3000 Kelvin (warmweiß) gilt laut Bundesamt für Naturschutz als Obergrenze.
- Nur so hell wie nötig beleuchten.
- Von oben nach unten beleuchten, das vermeidet die anziehende Fernwirkung auf Insekten. Sehr schädlich sind nach oben strahlende Fassadenbeleuchtungen, Bodenstrahler, Flutlichter, Kugel- und Stableuchten –auch solarbetriebene. Sie strahlen ungenutzt in den Himmel.
- Keine Bäume, Büsche oder Pflanzen anstrahlen, dadurch werden darin lebende Tiere vertrieben. Bei Vögeln wird die Brut zerstört. Bei künstlichem Licht in der Dunkelheit fällt im Herbst das Laub verzögert und die Pflanzen erfrieren.
- Dimmen, so sieht man noch etwa ein Drittel der ursprünglichen Helligkeit.
- Beleuchtung nur bei Bedarf einschalten.
- Von Mai bis August sollten Außenleuchten nicht die ganze Nacht brennen, sondern bis maximal 22 Uhr. Zeitschaltuhren einsetzen.
- Wer nicht ganz auf Licht verzichten kann, sollte gut ausgerichtete Bewegungsmelder nutzen.
Kontakt: m.seifert@paten-der-nacht.de, weitere Infos unter www.paten-der-nacht.de.

