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Gedenkfeier im Bunkergelände

Leitwort für das KZ Mühldorf: Nicht aufgeben - So überlebte der 94-jährige Erich Finsches

Rückkehr an einen Schreckensort: Erich Finsches hat das KZ Mühldorf überlebt. Bei der Gedenkfeier erinnerte er an das Leiden kurz vor Kriegsende.
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Rückkehr an einen Schreckensort: Erich Finsches hat das KZ Mühldorf überlebt. Bei der Gedenkfeier erinnerte er an das Leiden kurz vor Kriegsende.

Das Leiden hat viel länger gedauert, als nur die Zeit im Konzentrationslager. Das machte Erich Finsches bei der Gedenkfeier zur Auflösung des KZ-Lagers in Mühldorf deutlich.

Mühldorf – Der 94-Jährige Erich Finsches mit der Häftlingsnummer 108.707 war in Mühldorf inhaftiert, als Zwangsarbeiter musste er Bauern bei der Ernte helfen und beim Bau der Flugzeugfabrik im Mühldorfer Hart schuften.

Mehr als 60 Gäste hörten bei der Gedenkfeier den langen Bericht des Wiener Juden unter dem KZ-Bunkerbogen an, den er einst mitbauen musste.

Als Finsches am 18. September 1944 ins Außenlager des KZ Dachaus im Mühldorfer Hart kommt, hat er bereits eine sechsjährige Flucht- und Leidensgeschichte hinter sich.

Mit Humor und manchmal traurig

Mit Humor, manchmal lachend, manchmal traurig blickt er auf die Leidenszeit zurück, die im April 1938 beginnt, als er aus der Schule fliegt und von Hitlerjungen verprügelt wird. Er wehrt sich, kann die Angreifer abwehren. „Ich sah aus wie durchs Wurstradl gedreht“, sagt er und lacht. Er überlebt, eine Kunst und Stärke, die Finsches in den nächsten Jahren noch häufig brauchen wird.

Er wird von der Gestapo verhaftet, so geschlagen, dass er ein Auge verliert, muss zwangsarbeiten. Die Eltern werden deportiert und sterben. Finsches haut ab, versteckt sich im Prater in Wien, arbeitet als Kohlenschaufler, bezieht Prügel, flieht als Jugendlicher nach Ungarn, wird verhaftet und ins KZ Auschwitz gebracht. „Aber ich habe nicht aufgegeben“, sagt er, etwas später wiederholt er: „Ich habe durchgehalten.“ Sätze, die bei der Gedenkfeier im Mühldorfer Hart wie ein Lebensleitwort des 94-Jährigen wirken.

Von Auschwitz kommt er in den letzten Kriegsmonaten nach Mühldorf, um beim Bau eines der letzten Nazigroßprojekte zu helfen, der Errichtung einer halbunterirdischen Flugzeugfabrik im Mühldorfer Hart. Finsches ist wieder stärker als seine Peiniger, er übersteht die durchschnittlichen 80 Tage, die ein Gefangener im KZ Mühldorf überlebt. Am 27. April 1945 wird er wie 2000 andere nach Kaufering deportiert und schließlich freigelassen.

Nicht aufgeben, so lässt sich auch die Motivation formulieren, die den Verein „Für das Erinnern“ antreibt. Seit 1999 bemüht er sich, an den drei Schreckensorten des KZ Mühldorfs eine Gedenkstätte zu errichten. „Zwei Drittel des Weges zur Gedenkstätte sind geschafft“, sagte stellvertretende Landrätin Ilse Preisinger-Sontag bei der Gedenkfeier. Im ehemaligen Waldlager gibt es bereits einen Gedenkort, auch das ehemalige Massengrab ist gestaltet. „Das ist nichts, woran man sich gerne erinnert“, sagte die CSU-Politikerin. Aber es sei notwendig, „weil dass mitten in unserem Landkreis passiert ist“. Es gehe nicht nur um einen Rückblick, sondern um den mahnenden Blick in die Gegenwart.

Grauen gehört zum Landkreis dazu

Die, das machte Erinnerungs-Vereinsvorsitzender Franz Langstein deutlich, war bei der Gedenkfeier präsent. Es waren nicht nur Bürgermeister gekommen, Vereinsmitglieder, Gäste und junge Leute, sondern auch Flüchtlinge, „eines Krieges mitten in Europa“.

Musikalische Umrahmung

Langstein forderte, die Erinnerung an die grausamen Ereignisse der Nazizeit im Mühldorfer KZ weiterzuführen, auch wenn die Überlebenden immer weniger würden. Denn es gehe auch darum, zu akzeptieren, dass das geschehen ist. „Die grausamen Dinge gehören zu unserer Identität“, sagte Langstein. Zur Identität des Einzelnen, des Landkreises, des ganzen Landes.

Marie Weishäupl und Marie Meister umrahmten die Feier mit Cello und Querflöte musikalisch.

Eine Gedenkstätte am Bunkerbogen bis 2025?

Seit Jahrzehnten laufen die Bemühungen um die Gestaltung des siebten Bunkerbogens als KZ-Gedenkort, jetzt könnte die Verwirklichung in absehbarer Zeit kommen. „Wenn wir Glück haben“, sagt Franz Langstein, Vorsitzender des Vereins für das Erinnern, „können wir es bis 2025 schaffen.“

Dazu müssen allerdings erst die Grundstücksfragen geklärt werden. 14 Waldbauern gehört nach seinen Angaben das Gelände rund um den Bunkerbogen, sie sollen diese Grundstücke im Tausch mit anderen Grundstücken zur Verfügung stellen. „Die Bodenneuordnung ist angelaufen“, spricht Langstein vom Beginn der Verhandlungen, die in den nächsten zwei Jahren abgeschlossen werden sollen. Denn Bodentauschverfahren sind kompliziert und aufwendig. „Das muss sehr genau gemacht werden.“ Wenn alle Grundstücke getauscht und im Besitz des Freistaats seien, könne der Bau des Gedenkorts beginnen.

Pläne für Gestaltung liegen in der Schublade

Die Pläne dafür liegen in der Schublade, die Gestaltung orientiert sich an den beiden anderen Gedenkorten auf dem Gelände des KZs, dem ehemaligen Waldlager und dem ehemaligen Massengrab. Wir dort soll eine Schleuse zum Bunkerbogen führen, in der auf Schautafeln über das Geschehen informiert wird. Am Bunkerbogen, dem zentralen Teil der Gedenkorte, soll ein Versammlungsplatz gestaltet werden und eine Aussichtsplattform. Sie soll auf Höhe des gesprengten sechsten Bogens errichtet werden und einen Überblick über das Trümmerfeld der geplanten Rüstungsfabrik geben.

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