Wer Windräder baut, wird Protest ernten
Mühldorf will bei Windenergie mitmischen – Wovor Bayerns Ex-Umweltminister Huber warnt
„Wollen wir selbst das Steuer in der Hand haben oder nur vom Rücksitz aus zusehen?“: Landrat Max Heimerl wirbt für den Einsatz von Landkreisgeld, um in Sachen Windenergie Chancen für die Kommunen auszuloten. Doch Dr. Marcel Huber warnt.
Mühldorf – Ein Budget von 100.000 Euro im Haushaltsjahr 2023 will der Landkreis nutzen, um sich in Sachen Windenergie schlauzumachen und erste Weichen für deren Nutzung zu stellen.
In Umweltausschuss und Kreistag warb Landrat Max Heimerl um Zustimmung zu folgendem Beschluss: Die Verwaltung wird beauftragt, das Potenzial der Erzeugung von Energie durch Windkraft zu prüfen, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchzuführen, Standorte zu sichten und alle notwendigen gesellschaftsrechtlichen Unternehmungen unter Beteiligung der Landkreiskommunen auf den Weg zu bringen. Dieser Vorschlag wurde von beiden Gremien einstimmig angenommen.
Einstimmig in beiden Gremien
Vor der Abstimmung berichtete Heimerl den Kreisräten, was momentan Stand der Dinge ist. Bis Ende 2027 sollen auch in der Region 18 1,1 Prozent der Fläche als Vorranggebiete für Windkraftanlagen benannt werden. „Der Landkreis Mühldorf ist schon bei 1,1 Prozent, in der gesamten Region 18 liegt der Durchschnitt aber erst bei 0,7 Prozent“, so der Landrat.
Mühldorf könnte also schon mit dem Bau von Windkraftanlagen beginnen, folgerte er. Das sei bisher nicht interessant gewesen. Doch mit der jetzt höheren Einspeisungsvergütung bei geringer Windhäufigkeit, seien Windräder auch im windarmen Landkreis Mühldorf wirtschaftlich zu betreiben.
„Geben wir uns diese 100.000 Euro?“
Es sei Zeit zu handeln. „Entweder wir schauen zu und warten bis Investoren kommen oder wir werden selbst aktiv und schaffen Versorgungssicherheit ohne Gewinnabsicht der Kommunen“, so Heimerl. „Diese 100.000 Euro machen uns handlungsfähig.“
Bisher durften in Bayern nur Kommunen als Energieproduzenten aktiv werden. Nach einer Gesetzesänderung dürften das jetzt auch Landkreise. „Wir sollten jetzt prüfen, ob wir als Kreis gemeinsam mit den Gemeinden tätig werden sollen“, so Heimerl. „Wir bräuchten das Know-how nur einmal aufbauen, und alle könnten davon profitieren. Geben wir uns diese 100.000 Euro?“
Alfons Linner von den Grünen gab zu bedenken, dass der Landkreis gar nichts tun könne, wenn ein Investor und ein Grundstückseigentümer über die Aufstellung eines Windrades handelseinig seien. Auch der ehemalige bayerische Umweltminister Dr. Marcel Huber (CSU) meldete sich zu Wort: „Ich warne vor Euphorie. Nur weil Flächen ausgewiesen werden, werden die Windräder nicht wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Menschen sind nicht begeistert von Dingen, die man ihnen vor die Nase setzt. An dem Tag, an dem der Plan für ein Windrad öffentlich wird, wird eine Bürgerinitiative dagegen gegründet. Wir müssen die Menschen mitnehmen.“
Nicht „gegen den Willen der Bevölkerung“ handeln
„Ich werde mich auch nicht hinstellen und sagen, dass am Ort X ein Windrad gebaut wird, gegen den Willen der Gemeinde und der Bevölkerung“, stellte Landrat Heimerl fest. Er wolle auch nicht, dass landwirtschaftlich hochwertige Flächen für die Energieproduktion mit Wind oder Sonne statt für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden. „Wir sollten die Akzeptanz der Menschen für erneuerbare Energien wie Windkraft durch die Bildung von Genossenschaften fördern“, schlug ÖDP-Kreisrätin Lisa Sieber vor. So sieht es auch der Landrat: „Aber nicht nur für Geldige, die sich Anteile an einer Genossenschaft leisten können, sondern über die Kommunen, um alle Bürger zu beteiligen.“
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„In der Gemeinde Schönberg besteht schon seit 2015 ein Windvorranggebiet im Bernlohrer Holz, ab Mitte 2023 werden diese Flächen privilegierte Windkraftstandorte“, warf Schönbergs Bürgermeister und CSU-Kreisrat Alfred Lantenhammer ein. Er denkt, dass bald ein Windrad-Investor bei ihm anrufen werde: „Da hätte ich gerne den Landkreis als Mutter über dem Ganzen.“ Eins steht für ihn fest: „Das erste Windrad wird scheitern, weil es keine Möglichkeit gibt, den gewonnenen Strom ins Netz einzuspeisen.“ Dem pflichtete auch Heimerl bei: „Der Ausbau des Netzes hält nicht mit dem der erneuerbaren Energien Schritt.“
Dr. Marcel Huber: „Ich sollte die Windkraft vorantreiben und brauchte Polizeischutz“
Von 2011 bis 2014 und 2018 war Dr. Marcel Huber (CSU) Umweltminister in Bayern. Im Umweltausschuss schilderte er, wie emotional das Thema Windkraft damals schon besetzt war. „Die Einrichtung der 10H-Regel geschah nicht aus Jux und Dollerei, dieser Abstand entsprach der Meinung der Bevölkerung. Windkraft war 2014 privilegiert und durfte gebaut werden, Gegner blieb nur der Klageweg. Als Umweltminister sollte ich die Windräder in Bayern voranbringen, was mir heftigsten Gegenwind und Polizeischutz einbrachte. Wo ich hingekommen bin, haben mich protestierende Gegner mit Bulldogs und Transparenten empfangen. Ganze Ortschaft waren zerstritten, dort herrschten fast bürgerkriegsähnliche Zustände. Die ‚Verspargelung‘ der Landschaft ist für viele gleichbedeutend mit der Zerstörung unserer Heimat. 10H verhindert kein Windrad. Kommunen könnten ganz schnell bauen, sie brauchen nur einen Beschluss.“
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