Versammlung in Waldkraiburg
Geschlägert wurde auch nicht: Mühldorfer Kreis-CSU wählt im Eisstadion neuen Vorsitzenden
Corona hat die Mühldorfer Kreis-CSU aus ihrem angestammten Versammlungslokal vertrieben. Stattdessen ging es im Eisstadion Waldkraiburg zur Sache und führte zu einem radikalen Schnitt.
Mühldorf/Waldkraiburg – Es ist, als ob die Eispiraten vom ESC Dorfen zum hitzigen Derby bei den Eislöwen in Waldkraiburg anträten. „Schaun wir mal, ob sie schlägern“, sagt einer der Delegierten in der langen Warteschlange vor der Tür, bevor er auf der Tribüne dort Platz nimmt, wo „für Gästefans“ steht. Unter ihrer Maske ist er nicht zu erkennen, es bleibt auch offen, zu welchem Ortsverband er gehört.
Nicht wie üblich tischweise und nach Heimatort sortiert, sitzen die CSU‘ler an diesem Abend beim Kreuzerwirt in Mettenheim zusammen. Die Coronaregeln haben sie ins Eisstadion Waldkraiburg geführt, wo sie durcheinandergewürfelt mit 1,50 Meter Abstand Platz nehmen, um einen neuen Kreisvorsitzenden zu wählen. An jedem Sitzplatz eine Halbliterflasche Mineralwasser, sprudelnd.
Etwas einsam auf der Spielfläche
Im hell erleuchteten Oval der Innenflüche steht Dr. Marcel Huber etwas einsam, nur CSU-Geschäftsführer Walter Göbl und Innenstaatssekretär Stephan Mayer sitzen an Nachbartischen. Huber kann die Delegierten im Halbdunkel kaum sehen, sie verschwinden spiegelnd hinter den Plastikscheiben, die normalerweise das Publikum vor herum fliegenden Pucks schützt. „Das ist schon eine merkwürdige Atmosphäre“, sagt er über seinen letzten Arbeitstag als Kreisvorsitzender der CSU.
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Landrat Max Heimerl sitzt nicht im hellen Oval, er hat auf der Tribüne Platz genommen. „Ich bin nur Delegierter“ sagt er. Noch. Denn gut zwei Stunden später wird er das Amt des Vorsitzenden von Huber übernehmen, gewählt von 156 der 161 Delegierten.
Große Mehrheit für alle Stellvertreter
Dieses Ergebnis gibt den Ton der Versammlung wider. Trotz des radikalen Umbruchs im Vorstand und dem Ausscheiden aller bisherigen Stellvertreter stellen sich die Delegierten mit großer Mehrheit hinter ihre Führung und deren Bewerber. Keine Gegenkandidaten, keine Diskussion.
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Die Wahlergebnisse liegen durchweg weit über 80 Prozent Zustimmung, nur die Waldkraiburgerin Stephanie Pollmann muss mit 71 Prozent einen leichten Dämpfer hinnehmen.
Ulrich Niederschweiberer ist einer von denen, die auf eine Kandidatur als stellvertretender Vorsitzender verzichtet haben. Freiwillig, wie er am Rande der Versammlung betont. „Es sollte jünger werden“, begründet er den Rückzug der Alten.
Den Laden zusammengehalten
Landtagsabgeordneter Huber ist 63. Seinen Abschied gestaltet er persönlich, aber wenig emotional. Auch bei seiner letzten Rede bleibt er betont sachlich, analytisch, so wie er die Partei seit 2003 geführt hat.
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Damals, am Tag der Nominierung, ging es weit spektakulärer zu. Sieben Kandidaten wollten das Amt samt der damit verbundenen Landtagskandidatur, Huber setzte sich durch. „Mein Job war es, den Laden zusammenzuhalten“, sagt er bei seiner Abschiedsrede.
Jemand, der besser in die Zeit passt
Politische Probleme gab es auch damals, Diskussionen wurden auch in der Landkreis-CSU geführt: über die Einrichtung einer Gedenkstätte, über Hochwasserschutz, über die Flüchtlingsankunft 2015. Es gab „interne Differenzen“, sagt er. „Und doch war es ein ganz anderer Job.“ Es sei diskutiert und gestritten worden, am Ende aber habe eine einheitliche Meinung gestanden und sei vertreten worden.
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Das hat sich geändert, dem Streit im Wirtshausnebenzimmer folgt heute oft die weitere Diskussion in sozialen Netzwerken, manchmal ersetzt sie auch das Gespräch am Tisch. „Deshalb“, sagt Huber, „war es Zeit, das Ruder abzugeben an jemanden, der besser in diese Zeit passt.“
Es gibt langen Applaus, später am Abend ernennt ihn die CSU zum Ehrenkreisvorsitzenden.
Zusammenhalten will den Laden ab sofort Landrat Heimerl, der von der „politischen Familie CSU“ spricht, aber auch davon, dass es „kein bequemes Amt ist“ – und er kein bequemer Vorsitzender sein will.
Eine andere Zeit für einen anderen Chef
Auf einer Karteikarte hat sich Heimerl Notizen für seine Rede gemacht, viel Platz für den Blick auf das Innenleben der Kreis-CSU ist da aber offensichtlich nicht. Denn sehr bald schaltet er in den Wahlkampfmodus, geht auf die Ränder der CSU ein, auf die möglichen Folgen der Wahl. Innenstaatssekretär und CSU-Direktkandidat Stephan Mayer wird noch deutlicher: „Es besteht Gefahr für unser Land“, sagt er. Es drohe ein Linksbündnis, auch eine Ampelkoalition werde einen einen Linksruck bringen mit weitreichenden Folgen.
Keiner bleibt zum Ratschen
Erst nach über zwei Stunden ist der lange Wahl- und Wahlkampfabend vorbei. Die Delegierten ziehen von dannen, keiner bleibt auf einen Ratsch sitzen. Geschlägert wurde aber auch nicht.
