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Warnung von Experten

Finger weg von Jodtabletten – Frei verkäufliche Präparate werden in Apotheken schon knapp

Dr. Benedikt Steingruber, Leiter Gesundheitsamt Mühldorf.
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Dr. Benedikt Steingruber, Leiter Gesundheitsamt Mühldorf.

OVB-Leserin konnte ihre Jodid-200-Tabletten nicht mehr in ihrer Stamm-Apotheke bekommen. Ihr wurde gesagt, dass diese Tabletten von besorgten Menschen aufgekauft würden, als Prophylaxe für einen atomaren Notfall.

Mühldorf – Der Ukraine-Krieg lässt auch in der Region die Angst vor einer atomaren Eskalation steigen. Erst die Ankündigung Wladimir Putins, Russlands Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen, dann der Angriff auf ein ukrainisches Atomkraftwerk und dort brennende Gebäude.

Im Zuge dieser Geschehnisse steigt die Nachfrage nach Jodprodukten, die nach einem Atomschlag Schäden an der Schilddrüse reduzieren sollen auch in heimischen Apotheken. Mittlerweile gibt es bei frei verkäuflichen Jodtabletten bereits Lieferengpässe.

Selbstmediaktion bringt hohe Risiken

So konnte eine OVB-Leserin ihre üblichen Jodid-200-Tabletten nicht in ihrer Stamm-Apotheke bekommen. Dort wurde ihr gesagt, dass diese Tabletten von besorgten Menschen aufgekauft würden, als Prophylaxe für einen atomaren Notfall. Dabei müsste man bei einem Wirkstoffgehalt von 200 Mikrogramm eine ganze Menge einwerfen, um auf die Jodblockade-Dosis von 65 Milligramm oder 65 000 Mikrogramm zu kommen, erklärte ein Apotheker auf Nachfrage. Nach Adam Riese wären dafür 325 solcher 200er-Tabletten nötig.

Die OVB-Heimatzeitungen haben im „InnKlinikum“ Altötting-Mühldorf und im Gesundheitsamt Mühldorf nachgefragt – die Experten beider Häuser warnen dringend vor der „vorbeugenden“ Einnahme dieser Mittel.

Experten raten dringend davon ab, frei verkäufliche Jodpräparate auf eigene Faust einzunehmen.

„Wegen der Entfernung zur Ukraine ist nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte“, schätzt Dr. med. Christos Koutsempelas, Facharzt für Nuklearmedizin, Radiologische Praxis dia.log am Standort „InnKlinikum“ Altötting, die Lage ein. „Von einer selbstständigen Einnahme der Tabletten rate ich ab. Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen.“

Auch Dr. Benedikt Steingruber, Leiter des Gesundheitsamts Mühldorf, betrachtet den Run auf Jodtabletten mit Sorge: „Ich erachte es als nicht sinnvoll. Die Jodtabletten, die in der Apotheke vorrätig sind oder vom Arzt verschrieben werden, haben eine zu geringe Dosis an Jod, um sie für eine Jodblockade einzusetzen. Geeignete Jodtabletten sollen die Schilddrüse mit Jod auffüllen und so die Aufnahme von radioaktivem Jod vermeiden.“ Koutsempelas ergänzt: „Die Einnahme von Jodtabletten schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse, nicht vor der Wirkung anderer radioaktiver Stoffe.“

Die Einnahme von Jodtabletten könne für einige Menschen ein Problem sein, so die beiden Mediziner. Etwa für Menschen, die an einer Überfunktion der Schilddrüse Hyperthyreose leiden, ohne merkbare Symptome zu haben. Personen mit einer Überempfindlichkeit gegen Jod dürfen gar keine Jodtabletten einnehmen. Zu hohe Dosen Kaliumjodid können laut Bundesamt für Strahlenschutz zu Krankheitszeichen bis hin zu akutem Herz-Kreislauf-Versagen führen.

Dr. med. Christos Koutsempelas, Facharzt für Nuklearmedizin.

Warum sollte man ab einem Alter von 45 Jahren kein Jod einnehmen? „Mit steigendem Lebensalter treten häufiger Knoten und damit verbundene Stoffwechselstörungen in der Schilddrüse auf“, erklärt Dr. Koutsempelas. Die gute Nachricht: „Mit steigendem Lebensalter nimmt das Risiko von Schilddrüsenkrebs, der durch Strahlung verursacht wird, stark ab.“

Spätestens seit dem Super-GAU von Fukushima vor elf Jahren ist bekannt, dass in Deutschland Jodtabletten für die Bevölkerung eingelagert werden. Dr. Steingruber: „Unseres Wissens sind in Deutschland 189,5 Millionen Kaliumiod-Tabletten bevorratet, die bei Bedarf an die Bevölkerung ausgegeben werden – und zwar in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometer eines betroffenen Kernkraftwerkes.“

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„Diese Jodtabletten werden im Notfall unverzüglich an die Personen ausgegeben, für die eine Jodblockade vorgesehen ist“, so Dr. Koutsempelas. „Die Ausgabe der Jodtabletten ist eine Vorsorgemaßnahme und bedeutet nicht, dass die Tabletten sofort eingenommen werden sollen. Wenn die Einnahme tatsächlich erforderlich ist, wird die betroffene Bevölkerung durch die zuständige Behörde dazu durch Rundfunk- oder Lautsprecherdurchsage aufgefordert.“

Und er betont: „Ob die Einnahme von Jodtabletten erforderlich ist, können nur die zuständigen Behörden aufgrund aller ihnen vorliegenden Informationen und einer fachkundigen Bewertung der radiologischen Lage entscheiden. Daher sollten die Tabletten nie aus eigener Veranlassung oder Befürchtung eingenommen werden.“

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