Kampf gegen Corona-Pandemie
Was die Gesundheitsminister wollen: Ärzte und Eltern in Mühldorf bei Impfung für Kinder skeptisch
Klaus Holetschek drückt beim Thema Corona-Impfung für Jugendliche aufs Tempo. Ärzte und Eltern im Landkreis Mühldorf sind skeptisch. Sie fragen sich, ob es gut wäre Kinder jetzt gegen Corona zu impfen. Ein Arzt sagt: Das geht eh nicht.
Update 3. August
Corona-Impfzentren jetzt offen für Kinder ab 12 Jahren
Mühldorf / München – Vor den Beratungen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern hat sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erneut klar für ein Impfangebot an Jugendliche ausgesprochen. Es sei wichtig, keine Zeit mehr zu verlieren, so Holetschek im ARD-Morgenmagazin.
Holetschek sieht keinen Widerspruch zwischen Impfbeschluss und Haltung der Stiko
Wenige Stunden später wurde dann beschlossen, was der Gesundheitsminister sich wünschte: Zum Corona-Schutz für den Schulstart nach den Sommerferien sollen Kinder und Jugendliche bundesweit zusätzliche Impfmöglichkeiten bekommen. Alle Länder wollen Impfungen für 12- bis 17-Jährige nun auch in den regionalen Impfzentren anbieten - so wie es in Arztpraxen bereits möglich ist. Das beschlossen die Gesundheitsminister am Montag einstimmig.
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Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung trotz heftigen politischen Drucks bisher jedoch nur vor allem Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Vorerkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Holetschek sieht in einem Impfangebot keinen Widerspruch zur Stiko: Sie habe diese Möglichkeit eröffnet bei ärztlicher Aufklärung, mit Einwilligung und nach individueller Risikoabschätzung. «Nichts anderes machen wir.» Der CSU-Politiker betonte zugleich, niemandem solle etwas aufgezwungen werden.
Auch Ärzte solle erst Ältere und Gefährdete impfen
Der Leiter des Impfzentrums in Mühldorf wollte sich zu den medizinischen Fragen rund um die Corona-Impfung von Kindern noch vor einigen Wochen nicht äußern. Klar sagte Dr. Timm Büttner aber bereits Ende Mai: „Das Thema erledigt sich derzeit doch, weil es nicht genug Impfstoff gibt. Kinder kämen ganz hinten dran.“
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Der ursprüngliche Artikel vom 29. Mai:
Das gilt nach seiner Einschätzung nicht nur für die Impfzentren, die weiter entsprechend der Priorisierung impfen müssen, sondern auch für Hausärzte, für die die Vorgabe dann im Juni gefallen war.
„Aber auch Hausärzte sind gehalten, die zu impfen, die es aus medizinischer Sicht am nötigsten brauchen.“ Trotzdem haben sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten dafür ausgesprochen, Kinder ab zwölf Jahren gegen Corona zu impfen, wenn ein Medikament für diese Altersgruppe zugelassen wird.
Heimische Ärzte sind in ihrer Beurteilung zurückhaltend. So sagt Dr. Benedikt Steingruber, Leiter des Gesundheitsamts: „Grundsätzlich wäre eine Impfung von Kindern eine Ergänzung zur bisherigen Impfstrategie, um weitere Infektionen zu verhindern.“ Er verweist auf Ausbrüche in Schulen.
Noch zu wenig Wissen über Nebenwirkungen
Steingruber sagt aber auch: „Noch wissen wir zu wenig über die Nebenwirkungen der Impfung bei Kindern.“ In den bisherigen Veröffentlichungen gehe es um die gute Wirksamkeit der Impfung. Weil Kinder im Regelfall einen milderen Verlauf hätten, profitierten sie aber weit weniger von Vakzinen als ältere Menschen. „Möglicherweise brauchen wir ein Konzept zur Impfung von durch Krankheiten besonders gefährdeten Kindern.“
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Kinderärztin Manuela Zabinski aus Waldkraiburg ist ebenfalls zurückhaltend, weil es noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt. Erst wenn man über mehr Informationen verfüge, könne man Eltern auch entsprechend beraten.
Damit teilen die Mediziner die Bedenken von Martina Maier-Krapf. Die Mutter von zwei Kindern sagt: „Kinder haben es gar nicht nötig.“ Für ihre Kinder im Grundschulalter käme eine Impfung ohnehin noch nicht in Frage. Aber auch für ältere Kinder sieht die Mühldorferin keinen Grund, übereilt zu handeln. „Die Not, die die Krankheit hervorruft, ist bei Kindern doch gar nicht gegeben“, sagt sie und verweist auf die geringen Beschwerden, unter denen coronakranke Kinder leiden würden.
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Deshalb solle Impfstoff für Kinder zunächst sorgfältig geprüft werden. Maier-Krapf, die in den vergangenen Monaten Demonstrationen für mehr Freiheiten für Kinder in der Corona-Krise organisiert hat, sagt, dass auch andere Eltern skeptisch seien. „Sogar Eltern, die bisher alles mitgetragen haben.“ Vor allem bei einem Thema habe sie größte Bedenken: Impfpflicht. Die haben Politiker allerdings immer wieder verneint, zuletzt auch Ministerpräsident Markus Söder: „Keiner muss geimpft werden“, sagte er. „Wir wollen Impfangebote machen, aber es gibt keine Impfpflicht.“ Unterricht werde trotzdem möglich sein.
Von Herdenimmunität noch weit entfernt
Der drastische Rückgang der Corona-Zahlen im Landkreis binnen weniger Wochen liegt nach Ansicht von Landrat Maximilian Heimerl nicht an einer Herdenimmunität. „Selbst wenn wir die Zahl der Geimpften und die Zahl der Genesenen sowie nicht entdeckte Fälle hochrechnen würden, haben wir keine Herdenimmunität erreicht.“
Impffortschritt hilft Zahlen zu senken
Aber es sei anzunehmen, dass durch den guten Impffortschritt im Landkreis und die Anzahl der Genesenen Infektketten früher abbrechen und größere Ausbrüche seltener würden. Heimerl nennt vor allem die offenen Impfangebote für Jüngere, weil diese Bevölkerungsgruppe mehr Kontakte habe. In besonders gefährdeten Einrichtungen wie Schlachthöfen und Flüchtlingsunterkünften hätten viele die Impfangebote angenommen.
Viele Testangebote und Nachverfolgung bis 340
Die zahlreichen Testangebote und die strukturierte Arbeit des Gesundheitsamts trügen ebenfalls ihren Anteilt. Das Gesundheitsamt konnte, auch bei Inzidenzen über 340, die Kontaktnachverfolgung gewährleisten“, sagt Heimerl. Er lobt auch die Disziplin und die Verantwortungsbereitschaft der Menschen im Landkreis. Um die bittet er auch in den nächsten Wochen. (Mit Material von dpa)
