Wahlkreis Altötting-Mühldorf
Bundestagswahl 2025: Jürgen Fernengel (SPD) im Steckbrief und zu den wichtigsten Fragen
Bei der Bundestagswahl stehen im Wahlkreis Altötting-Mühldorf neun Erststimmenkandidaten zur Wahl. Wir stellen alle Bewerber für das Direktmandat einzeln vor. Dieses Mal: Jürgen Fernengel (SPD).
Mühldorf – Bei der Wahl am 23. Februar 2025 wollen im Wahlkreis Altötting-Mühldorf neun Kandidatinnen und Kandidaten direkt nach Berlin – sieben Männer und zwei Frauen. Wer die meisten Erststimmen für sich verbucht, ist „drin“. innsalzach24 stellt die Kandidaten einzeln im Steckbrief vor und hat sie mit einigen Kernfragen konfrontiert. Hier sehen Sie die Antworten von Jürgen Fernengel (SPD).
Steckbrief und politische Schwerpunkte
Liebe Bürgerin, lieber Bürger, mein Name ist Jürgen Fernengel und ich trete an, um Sie und Ihre Interessen im Deutschen Bundestag zu vertreten. Ich bin 39 Jahre alt, Chemie- und Energietechnik-Ingenieur, verheiratet und Vater zweier wunderbarer Kinder. Meine Tochter ist acht, mein Sohn drei Jahre alt. Ich arbeite seit mehr als zwölf Jahren als Angestellter in einem mittlerweile mittelständischen Unternehmen mit circa 90 Mitarbeitern, welches Kleinkraftwerke zur Abwärmeverstromung herstellt.
Begonnen habe ich als Entwicklungsingenieur für Versuch und Test und nahm Anlagen selber beim Kunden in Betrieb. Auch bei Regen und im Winter. Ich weiß, was es heißt, wenn man spät noch auf einer Baustelle ist und im Büro niemanden mehr erreicht. Anschließend war ich technischer Projektleiter und nun leite ich den Service mit Personalverantwortung.
Um auch meiner Frau die berufliche Karriere zu ermöglichen, haben wir bei beiden Kindern die Elternzeit geteilt und kümmern uns nach wie vor noch gleichberechtigt. Neben Familie und Beruf war ich lange Zeit im Fußballverein aktiv. Viele Jahre als Spieler und mehr als acht Jahre als Jugendtrainer.
Heute bin ich aktiv in der Kirchengemeinde und im Elternbeirat der Kita meines Sohnes. Dort bin ich seit drei Jahren auch der Nikolaus am Nikolaustag.
Mein Antrieb, mich für den Bundestag zu bewerben, ist es, die Anliegen der Menschen zu vertreten, die den Laden am Laufen halten; die arbeiten gehen oder gingen, sich um Familie oder Freunde kümmern, sich vielleicht auch noch ehrenamtlich engagieren: Die echten Leistungsträgerinnen und Leistungsträger unserer Gesellschaft.
Ich möchte, dass jede und jeder eine echte Chance hat, einen fairen Lohn erhält und ein gutes Leben führen kann. Respekt ist kein Schlagwort, es ist eine Haltung. Wir brauchen eine starke Wirtschaft und sichere sowie gutbezahlte Arbeitsplätze. Wir brauchen ein gesichertes und auskömmliches Einkommen während der Arbeitszeit und im Alter, heute und morgen – dafür steht die SPD und dafür setze ich mich ein.
Klimawandel und Extremwetter
Klimawandel und Extremwetter mit katastrophalen Folgen für Mensch und Natur sind ein globales Problem. Was können Sie als Abgeordnete bzw. Abgeordneter tun?
Antwort: Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung. Bayern mag nicht direkt vom steigenden Meeresspiegel betroffen sein, aber wir spüren die Auswirkungen von Extremwetter: Hitzeperioden im Sommer, Dürren, Überflutungen. Menschen sterben aufgrund von Überhitzung oder Sturzfluten. Gebäude und Infrastruktur nehmen Schaden. Auch Tiere und Pflanzen sind betroffen und Landwirte verlieren ihre Erträge.
Es ist ganz klar, dass wir uns dessen annehmen müssen. Einerseits muss der Temperaturanstieg, soweit wie noch möglich, begrenzt werden. Andererseits muss eine Anpassung an die veränderten Bedingungen stattfinden. Als Abgeordneter habe ich verschiedene Möglichkeiten, hierbei mitzuwirken. Der größte Hebel ist sicherlich direkt innerhalb der SPD-Fraktion, aber auch in Zusammenarbeit mit Abgeordneten anderer Parteien, an Gesetzgebungsprozessen mit zu gestalten.
Welche Besonderheiten unseres Wahlkreises gilt es dabei zu berücksichtigen? Wie entwickelt sich der CO₂-Preis, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wie das Heizungsgesetz? Um nur ein paar Beispiele im präventiven Bereich zu nennen. Bei den Anpassungen: Wie gehen wir mit dem Hochwasserschutz um, wie entschädigen wir Betroffene, wie können wir die Tier- und Pflanzenwelt robuster gegen den Temperaturanstieg machen?
Neben dem Gesetzgebungsprozess gibt es aber auch noch weitere Möglichkeiten. Man kann alleine oder gemeinsam mit Organisationen Bewusstsein schaffen. Mit Pressearbeit oder auch mit handfesten Projekten, um hier vor Ort nicht nur darüber zu sprechen, sondern auch etwas umzusetzen. Beispielsweise Maßnahmen, um den heimischen Wald robuster gegen die veränderten Bedingungen zu machen oder sich darum zu kümmern, dass Überschwemmungsgebiete beziehungsweise Retentionsflächen entstehen.
Migration und Integration
Der Zustrom von Flüchtlingen ist ein großes Thema in Deutschland. Was kann aus Ihrer Sicht bei der Migration und der Integration der Menschen verbessert werden?
Antwort: Zuerst einmal muss man feststellen und deutlich machen, dass wir Migration und Zuwanderung benötigen. Wie sollen sonst die fehlenden Stellen in der Kinderbetreuung, in der Pflege, beim Handwerk, aber auch im IT-Bereich und auf anderen Gebieten besetzt werden? Gerade vor dem Hintergrund, dass die geburtenstarken Jahrgänge demnächst in Rente gehen.
Die Bundesregierung hat hier mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, um geregelte Zuwanderung zu ermöglichen und gezielt zu fördern. Daneben gibt es noch die Migration von Asylsuchenden und für beide Gruppen die Integration neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Der Umgang mit Asylsuchenden ist auf europäischer Ebene geregelt, und auch hier wurde im letzten Jahr mit dem Migrations- und Asylpakt ein Durchbruch erzielt. Übrigens gemeinsam mit den Abgeordneten der Union, die der EVP zugehörig sind. Zusätzlich dazu führte die Bundesregierung Grenzkontrollen ein, um die ungeregelte Migration über die Grenze einzudämmen.
Es gilt also festzuhalten, dass sowohl die Regierung auf Bundes- wie auch EU-Ebene hier durchaus aktiv und handlungsfähig ist. Und das, obwohl es bei dem Thema Migration zwischen „wir sollten alle zurückweisen“ und „wir sollten allen Asyl gewähren“ eine große Spanne an Meinungen gibt, viele davon nicht vereinbar.
Was die Zuwanderung angeht, kann man insofern zwar sagen, dass es speziell bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen besser hätte laufen können. Ich rate aber dazu, erstmal die Wirkung der neuen Gesetze abzuwarten und zu bewerten, bevor man sich mit immer neuen Verbesserungsvorschlägen zu übertrumpfen versucht.
Bei der Integration sehe ich drei Themen als elementar: das Erwerben von Deutschkenntnissen muss einfach und verbindlich sein. Die Erteilung einer Arbeitserlaubnis und Aufnahme derselbigen muss so schnell wie möglich gewährt werden, und die Möglichkeiten der kulturellen Teilhabe müssen gestärkt werden.
Inflation und Wohlstandsverlust
Ob Heizungsrechnung, Miete oder frisches Gemüse – alles wird teurer. Immer mehr Menschen können sich das nicht mehr leisten. Wie lassen sich Inflation und Wohlstandsverlust stoppen?
Antwort: Die Preissteigerungen aufgrund der Inflation sind ein ernsthaftes Problem. Gerade die Menschen, die es eh schon schwer haben, trifft es am härtesten. Allerdings ist es so, dass die Inflation bereits stark gesunken ist. Als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stieg die Inflation von 3,1 Prozent im Jahr 2021 auf 6,9 Prozent im Jahr 2022. War sie 2023 noch bei 5,9 Prozent, fiel sie 2024 auf 2,2 Prozent, Quelle Destatis. Wir sind damit bereits fast unter dem Wert von zwei Prozent, wie wir sie in den Jahren vor 2021 hatten.
Was wir also haben, ist aktuell noch ein Kaufkraft- beziehungsweise Wohlstandsverlust aufgrund der vergangenen Preissteigerungen. Die Inflation haben wir aktuell im Griff. Diesem Verlust müssen wir mit angemessenen Lohnsteigerungen beikommen.
Natürlich müssen wir darauf achten, dass es für die Unternehmen zumutbar ist und die Inflation nicht wieder angeheizt wird. Aber es kann nicht sein, dass die entstandenen Kosten alleine den Verbrauchern zugemutet werden. Es muss hier schrittweise Anpassungen geben, mit denen die Kaufkraft wiederhergestellt wird. Die SPD hat die Anpassung des Mindestlohns umgesetzt. Wir stehen hinter den Gewerkschaften und deren Einsatz, zusammen mit den Arbeitgebern schrittweise substanzielle Lohnanpassungen vorzunehmen.
Wir sorgen dafür, dass der Verlust wieder ausgeglichen wird und sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger auch wieder etwas leisten können.
Wirtschaft und Arbeitsplätze
Der Status Deutschlands als Exportweltmeister, Wirtschaftsmacht und Industrienation scheint zu wackeln. Was muss man tun, damit Deutschlands Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und attraktive Arbeitsplätze erhalten bzw. schaffen kann?
Antwort: Erhalt und Ausbau der Wirtschaftskraft und damit auch die Sicherung von attraktiven und gut bezahlten Arbeitsplätzen, speziell im Chemiedreieck, das ist das wichtigste Thema überhaupt.
Nur, wenn wir eine starke Wirtschaft mit guten Arbeitsplätzen haben, können wir die Daseinsvorsorge, kulturelle Veranstaltungen und Soziales sichern. Die Wirtschaft krankt momentan an einigen Stellen: Hohe Energiepreise, Bürokratie, unzureichende Infrastruktur, fehlende Investitionen und Innovationskraft.
Es ist klar, dass dies nicht mit einer Maßnahme behoben werden kann, sondern hier verschiedene Ansätze umgesetzt werden müssen. So hatte die Bundesregierung sich bereits um ein Strompreispaket gekümmert, welches eine Senkung der Stromsteuer, die Strompreiskompensation und die Abschaffung der EEG-Umlage umfasst. Das muss ausgebaut werden und Hand in Hand gehen mit einem Bürokratieabbau.
Die Infrastruktur (Straßen und Brücken, Schienen, aber auch der Ausbau des Mobilfunknetzes und des Stromnetzes) wurde viele Jahre vernachlässigt. Hier gilt es aufzuholen, was versäumt wurde. Das kostet viel Geld. Genauso wie die Förderung der Ansiedlung und des Aufbaus von neuen Firmen und Industrieanlagen. Und übrigens auch die Unterstützung bei der Entwicklung und zur Marktreife-Bringung neuer, innovativer Technologien.
Ich arbeite selber seit zwölf Jahren in einem anfänglichen Start-Up, welches sich nun zum Mittelständler mit circa 90 Mitarbeitern entwickelt hat. Dabei konnte ich hautnah erleben, welche Herausforderungen die Unternehmensleitung überwinden musste. Hier muss man sich ehrlich eingestehen: China investiert massiv in seine Infrastruktur und subventioniert seine Produkte, und die USA fluten mit dem „Inflation Reduction Act” den Markt mit Geld. Wir können in diesem Wettbewerb nicht bestehen, wenn wir nicht investieren. Die Schuldenbremse muss reformiert werden, sodass Investitionen möglich werden.
Kein Geld für Rente und Medizin
Jahrzehntelang ist Deutschland für sein Renten- und Gesundheitssystem beneidet worden. Nun sind die Kassen leer und viele Krankenhäuser pleite. Halten Sie an der Krankenhausreform von Karl Lauterbach fest? Welche Änderungen sind notwendig?
Antwort: Ja, die Krankenhausreform ist wichtig und richtig. Es ist offensichtlich, dass das Gesundheitssystem in seiner jetzigen Form nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Die Alternative, nichts zu tun und die Krankenhäuser auf diese Weise gegen die Wand fahren zu lassen, ist verantwortungslos.
Natürlich ist Veränderung eingangs auch immer mit Aufwand verbunden. Und wenn die Lösung so einfach wäre, hätten die Vorgänger von Herrn Dr. med. Lauterbach sie ja auch schon umgesetzt und nicht die Hände in den Schoß gelegt. Aber das ist sie nunmal nicht, im Gegensatz zum wohlfeilen Schimpfen von der Seitenlinie.
Ich bin froh, dass die Reform kommt. Es ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Auch, wenn es uns allen erstmal etwas abverlangt und man eventuell in einer kommenden Regierung nachsteuern muss. Ohne die Reform wären wir schlechter dran.
Im Gegensatz zu den Krankenhäusern kann man feststellen, dass die Rente trotz aller Unkenrufe besser dasteht als ihr Ruf. Von etwa 2000 bis 2022 blieb die Anzahl an Erwerbstätigen pro Rentner bei etwas über zwei Erwerbstätigen je Rentner. Erst danach ist die Zahl gesunken. Es war also möglich, mit Produktivitätszuwächsen in der Wirtschaft die stärkere Überalterung auszugleichen.
Nun war die Wirtschaft schonmal in einer besseren Lage und die geburtenstarken Jahrgänge stehen vor dem Renteneintritt. Es ist insofern klar, dass man auch hier eine Lösung finden muss. Diese kann aber nicht sein, dass man die Rente verringert, Altersarmut haben wir schon jetzt genug, oder die Menschen bis 70 oder länger arbeiten lässt, wie es Teile der Union fordern.
Die Rente ist kein Almosen, sondern ein Anspruch, den man sich erworben hat. Wir als SPD stellen den für viele Rentnerinnen und Rentner unzumutbaren Forderungen der Union mit dem Rentenpaket II von Hubertus Heil ein Konzept entgegen, welches aufgrund des Ampelbruchs leider nicht mehr verabschiedet wurde, aber ungeachtet dessen Bestand hat.
Ihr Thema
Es gibt ein Thema, das hier zu kurz kommt oder in der Liste gänzlich fehlt? Ein Thema, das für Sie jedoch eine große Bedeutung hat? Dann nur zu. Nehmen Sie Stellung zu einem Thema Ihrer Wahl.
Neben der Stärkung der Wirtschaft und dem Erhalt der Arbeitsplätze sowie der Umstellung auf Erneuerbare Energien und der Transformation der Wirtschaft liegt mir ein drittes Thema besonders am Herzen: Nämlich die Zusammenführung der Gesellschaft.
Wir erleben eine stärkere Polarisierung der Gesellschaft in immer kleinere Grüppchen, die sich eventuell auch noch in ihrer Echokammer bestärken und vom Rest der Gesellschaft abschotten. Das ist eine fatale Entwicklung.
Wir müssen miteinander reden statt übereinander. Wir müssen das Gemeinwesen stärken: die Vereine, die Verbände, die Kirchen, die ehrenamtlichen Organisationen. Denn da, wo man zusammenkommt, um eine gute Zeit miteinander zu verbringen, entsteht Vertrauen und die Möglichkeit, Menschen zu integrieren.
Und wir müssen uns die Zeit nehmen, Lügen und Falschbehauptungen zu korrigieren, wenn wir damit konfrontiert werden. Denn diese sind Gift für das Zusammenleben. Wo kein Vertrauen herrscht, wo jede/r nur noch auf den eigenen Vorteil bedacht ist, da können keine guten Kompromisse gefunden werden. Im Kleinen wie im Großen. Der ständige Streit der ersten Ampelregierung wurde zurecht kritisiert und das unrühmliche Ende sollte uns allen eine Mahnung sein.
Wir können das besser machen! Jede und jeder von uns.
Anmerkung der Redaktion: Die Antworten des Kandidaten/der Kandidatin wurden 1:1 von der Redaktion übernommen, inhaltlich nicht überarbeitet und müssen deswegen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.