Hilfe im Krisengebiet
Mühldorfer Theologe und Feuerwehrmann Gerhard Deißenböck spricht über Einsatz in Rheinland-Pfalz
Mühldorf – Er ist Geschäftsführer des Klerusverbands Bayern, Vorstand der Mühldorfer Feuerwehr, im Roten Kreuz aktiv und er hat den Doktortitel in Theologie: Gerhard Deißenböck (43) war im Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz. Im Interview spricht er über den außergewöhnlichen Einsatz.
von Christian Wölfel
Was macht ein promovierter Theologe im Hochwassergebiet?
Gerhard Deißenböck: Seit Jahren bin ich sowohl in der Freiwilligen Feuerwehr als auch beim Bayerischen Roten Kreuz ehrenamtlich aktiv, speziell auch für die Psychosoziale Notfallversorgung im Kreisverband in Mühldorf am Inn. Ich betreue dort primär Einsatzkräfte nach potenziell belastenden Einsätzen, aber auch Betroffene. Und das war auch unsere Aufgabe beim Einsatz in Rheinland-Pfalz.
Was haben Sie im Katastrophengebiet erlebt?
Deißenböck: Ich habe schon viel Erfahrung mit solchen Einsätzen. Aber was ich am Nürburgring und im Landkreis Ahrweiler gesehen habe, konnte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Mein erster Auftrag war die Ortschaft Schuld, die man aus den Nachrichten kennt. Aber was wir dort gesehen haben... Für mich ist es wie im Krieg gewesen, nur dass man nicht aufeinander geschossen hat. Ganze Straßenzüge einfach zerstört.
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Was für Menschen sind Ihnen dort begegnet?
Deißenböck: Wir haben einen Feuerwehr-Einsatzleiter kennengelernt, der sein komplettes Haus verloren hat. Und trotzdem hat er sieben Tage danach weiter den Einsatz gemanagt. Normalerweise hätte man so jemanden rausnehmen müssen. Aber da hätte man ihn in Handschellen von der Polizei abführen lassen müssen. Oder ich habe auf einem Campingplatz ein 63-jähriges Ehepaar getroffen. Die komplette Existenz ist vernichtet, die ganze Altersversorgung weg. Sie selbst haben noch andere gerettet und sind dabei in Lebensgefahr gewesen.
Was sagt der Theologe zu solchen Menschen?
Deißenböck: Was soll man groß erzählen – es geht vor allem darum, da zu sein, zuzuhören. Und wir haben uns um die Basics gekümmert, wie Getränke oder Masken zu bringen. Als Theologe lässt man viele Dinge einfach stecken. Gott hat da augenscheinlich keine große Rolle gespielt.
Wie haben Sie es geschafft, trotz all der Zerstörung nicht an Gott zu zweifeln?
Deißenböck: Der Einsatzabschnittsleiter am Nürburgring hat jede morgendliche Lagebesprechung ganz untheologisch mit den gleichen Sätzen beendet: „Sie sind hier, um mit einem Lächeln die Menschen zum Scheinen zu bringen. Ich bin stolz auf Sie alle, sind Sie es auch. Gehen Sie hinaus und It’s time to shine!“ Ich denke, seine Worte drücken genau das aus, was unser Auftrag als Menschen in solchen Situationen ist, und vielleicht ist es ja Gottes Wille, dass wir anderen mit unserem Tun wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Auf dem Gang nach Emmaus hat Jesus auch nichts anderes getan. Er kam dazu, ging einen Teil des Weges mit.
