In der Schweppermann-Halle in Ampfing
Das Ende war ein neuer Anfang: Axel Reitz erzählt vom Ausstieg aus der rechtsextremen Szene
Die Wochen des Rassismus in den Mittelschulen Ampfing und Buchbach endeten mit einem bemerkenswerten Gast. Der ehemalige rechtsextreme Aktivist und heutige Extremismus-Experte Axel Reitz berichtete in der Schweppermann-Halle von seinem Weg aus der NPD und wie er sich heute für die Aufklärung über extremistische Ideologien einsetzt.
Ampfing – Zum Abschluss der Woche des Rassismus der Mittelschulen Ampfing und Buchbach öffnete die Schweppermann-Halle in Ampfing ihre Türen für einen besonderen Abend. Axel Reitz, ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Szene und heute Extremismus-Experte, war zu Gast, um in einem autobiografischen Vortrag über seine Erfahrungen zu informieren. Axel Reitz war über 15 Jahre lang eine Schlüsselfigur in der rechtsextremen Szene Deutschlands, bis er 2012 ausstieg. Sein Weg von der Führungsfigur der Szene hin zum engagierten Aufklärer ist bemerkenswert und gibt ihm eine einzigartige Perspektive auf die Mechanismen und Gefahren extremistischer Ideologien.
„Demokratie ist nie leicht“
Die beiden Mittelschulen Ampfing und Buchbach setzten sich seit Jahren für bestimmte Werte ein: Toleranz, Vielfalt, Gleichwertigkeit unter Menschen, Gewaltfreiheit, Demokratie. „Wir machen das“, so Rektor Claudius Rychlik, „weil wir die Begriffe mit euch leben und mit Inhalten füllen wollen. Demokratie leben und Demokratie aushalten. Jeder weiß: Demokratische Entscheidungsprozesse dauern manchmal, sind nie leicht und es gibt viele Diskussionen“, so Rychlik.
Um diesem Nachdruck zu verleihen, wurde an diesem Abend jemand eingeladen, der aus authentischen Erfahrungen zeigen kann, was passiert, wenn man diese Werte aus den Augen verliert – und wie schwer es ist, dann auch wieder den Weg zurück zu finden.
Auf Einladung der Mittelschulen kam Axel Reitz. Er berichtete als Nazi-Aussteiger sehr anschaulich, fesselnd und rhetorisch äußerst begabt von seinem Leben. Mit 13 Jahren rutschte Axel Reitz in die rechtsextreme Szene, er trat der NPD bei, organisierte Demonstrationen, hielt Hetzreden und nahm schnell führende Positionen in dieser Szene ein.
Gedankengebäude bekommt Risse
Er wurde mehrfach verurteilt – unter anderem wegen Volksverhetzung – und saß auch mehrfach im Gefängnis. Nach 15 Jahren schaffte er den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene.
Dem ging ein Prozess voraus, in dem sein Gedankengebäude Risse bekam. Axel Reitz wandte sich an ein staatliches Aussteigerprogramm von Nordrhein-Westfalen und bekam zusätzlich Hilfe von Andrew Schäfer, dem Landespfarrer für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Axel Reitz erzählte, dass damals mit 13 Jahren alles damit begann, dass er für ein Schulprojekt Parteien vorstellen sollte, die nicht im Bundestag vertreten waren. Er bekam dafür die Note „sehr gut“, aber die Unterlagen zu den Rechtsparteien schmiss die Lehrerin ohne Erklärung in den Müll und ging auch auf keine Diskussion ein. Das machte ihn wütend. Daraufhin kontaktierte er die NPD, die ihn einlud und ihn durch Verständnis und Zuhören schnell für sich gewinnen konnten.
Axel Reitz erklärte, eine Radikalisierung, egal ob politisch, gesellschaftlich oder religiös, findet immer über die persönliche Ebene statt. Ihm hatte etwas im Leben gefehlt. Er hatte den Eindruck nicht gehört zu werden, was auch an seinem sehr strengen Vater lag. Das Erlebnis mit dem Schulprojekt schlug in die gleiche Kerbe und wurde für ihn zum Trigger-Erlebnis. Doch jetzt waren da Menschen, die das erkannten und ausfüllten. Diese Anerkennung wollte er behalten und hat dafür ihre Parolen und Weltbilder übernommen und war schnell in einer Spirale des Rechtsextremismus, die dann immer ideologischer wurde.
„Wenn man so sehr in dieser Szene verstrickt ist, gibt es nicht einen Schlüsselmoment, der zum Ausstieg führt“, so Reitz. Es war bei ihm ein langer Prozess, in dem er merkte, dass Anspruch und Wirklichkeit absolut nicht übereinstimmten. Der Ausstieg war für Axel Reitz dann auch harte Arbeit, der mit sehr viel Schmerz, Leid und Scham verbunden war – und Trauer über die verlorenen Jahre. Er sagte, wichtig sei vor allem, zu erkennen, warum man in diesen Strukturen war und dann auch die Verantwortung dafür zu übernehmen. Deshalb wollte Axel Reitz sich auch nicht verstecken, oder seinen Namen ändern, obwohl er von der rechtsextremen Szene bedroht und als Verräter angesehen wurde und wird.
Im Gegenteil; Axel Reitz ist seit einigen Jahren mit dem Verein „Extremislos“ und seinem Youtube-Kanal „Der Reitz-Effekt“ in der Extremismus-Prävention aktiv.
Während der Ausführungen war es mucksmäuschen still in der Schweppermannhalle, die Jugendlichen hörten mehr als aufmerksam zu.
Ängste müssen ernst genommen werden
Nach seinen Ausführungen lud Axel Reitz die Anwesenden ein, ihm doch Fragen zu stellen. Und diese Möglichkeit wurde ausführlich genutzt. Breitwillig beantwortete Axel Reitz die Fragen. Dort machte er noch einmal deutlich, wie wichtig es sei, gefährdeten oder auch schon radikalisierten Menschen auf einer persönlichen Ebene zu begegnen und ihre Ängste, Sorgen oder die empfundenen Defizite ernst zu nehmen, denn für rationale Argumente seien sie nicht zugänglich und fühlten sich vielmehr in ihrer Ideologie bestärkt.
Er wies auch darauf hin, wie viel raffinierter und geschickter extreme Parteien (auch die AfD) im Vergleich mit demokratischen Parteien in ihren Online-Aktivitäten sind und wie gezielt sie in den sozialen Netzwerken Einfluss nehmen. Es gelte für die demokratische Bevölkerung, sehr, sehr aufmerksam zu sein und genau hinzuschauen.
mh/stn