Ausbaustrecke 38
Anlieger kritisieren Bahnstrom-Leitung in Ampfing – Sorgen wegen Strahlung und Schallschutz
Online-Bürgersprechstunde der DB Netz zur Ausbaustrecke zwischen Ampfing und Altmühldorf wird von 60 Interessierten genutzt.
von Jessica von Ahn
Ampfing – Zur digitalen Bürgersprechstunde hatte die DB Netz AG zum Planfeststellungsabschnitt zwischen Ampfing und Altmühldorf eingeladen.
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60 Interessierte befragten das Unternehmen zu Schallschutz, Verkehrsaufkommen und elektromagnetischer Strahlung.
Züge im Nahverkehr verdoppeln sich
Mit dem zweigleisigen Ausbau und der Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen München und Freilassing sowie Burghausen sollen Züge ab 2030 bis zu 200 Kilometer pro Stunde fahren können. Zwischen Ampfing und Altmühldorf ist eine Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern vorgesehen. Die Bahnstrecke ist hier bereits zweigleisig ausgebaut, die nördliche Strecke für diese Geschwindigkeit zugelassen. Nun gilt es, die südliche Strecke für die gewünschte Geschwindigkeit anzupassen sowie die Strecke mit Oberleitungen und Bahnstromleitungen zu elektrifizieren. Dazu werde die bestehende Schallschutzmauer für Masten teilweise geöffnet und hinter den Masten wieder errichtet.
Sven Kluba, Leiter ABS 38 West, und Michael Haberl, Projektleiter im Planungsabschnitt PA02, stellten den Bürgern das Projekt anhand von Karten und Fotos vor. Anschließend beantworteten sie Fragen.
„Mit dem Ausbau sollen Taktung und Anbindung steigen, das bedeutet 18 Fernzüge mehr, das Verkehrsaufkommen im Nahverkehr wird sich verdoppeln“, so Kluba. Zudem würden künftig 30 bis 35 Güterzüge zusätzlich fahren, eine Steigerung um 30 Prozent. Die Strecke stellt die Ost-Westverbindung zwischen Paris und Budapest dar. „Rund ein Prozent des deutschen Güterverkehrs führt vom Chemiedreieck Burghausen in andere Teile der Deutschlands“, sagte Kluba. Auch die Anbindung der Region zum Münchener Flughafen werde ausgebaut.
Mehr Schallschutz durch Flüsterbremsen
Für den Schallschutz habe die DB Cargo ihre 63.000 Güterwagons bereits auf Flüsterbremsen umgestellt. Jedoch nutzten andere Unternehmen oftmals noch alte, lautere Waggons ein, so Kluba. Vorgaben dazu würden kommen, jedoch sei der Zeitpunkt dafür nicht klar. Er betonte, dass elektrische Loks leiser seien als Dieselloks. Haberl berichtete, dass der bislang vorhandene aktive Schutz durch Schallmauern ausreichend sei.
Maßnahmen zum passiven Schallschutz werde ein Schallschutzgutachten aufzeigen. Dazu gehörten Schienendämpfer und ein sogenanntes „besonders überwachtes Gleis“. Bei Letzterem gelten geringere Toleranzen als üblich: Ein rauh gefahrenes Gleis werde rascher nachgeschliffen, hohe Lärmentwicklung so unterbunden. Wo ein solches Gleis notwendig werde, solle das Gutachten zeigen. Die eventuelle Dämmung von Fassaden und Lüfter an und in Wohngebäuden erwähnte Haberl beiläufig.
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„Aktuell finden Messungen für ein Erschütterungsgutachten statt“, berichtete Haberl. Besonders die südliche Strecke sei derzeit von Erschütterungen betroffen, so ein Anwohner. Haberl versicherte, dass Maßnahmen getroffen würden. Und: „Nach dem Bau werden erneut die Erschütterungen gemessen und gegebenenfalls nachgebessert.“
Kritisch sahen die Teilnehmer der Webpräsentation die 110kV-Bahnstromleitung. Die Umstellung auf Elektrifizierung benötige eine solche Leitung, um Strom von den Stellwerken zu den Oberleitungen zu transportieren, so Kluga. Nur so könne die Bahn Stromausfälle kompensieren und unabhängig von externen Unternehmen arbeiten. Andere Lösungen seien durchdacht, jedoch ausgeschlossen worden. Ein Erdkabel würde die Kosten verdreifachen und Reparaturen erschweren. Zudem sei die Leitung mit den Bürgermeistern bereits 2015 abgestimmt worden. Eine Dokumentation darüber fehle aber bei der Gemeinde Ampfing, schrieb ein Vertreter im Chat.
Kinderkrippe liegt nahe 110 kV-Leitung
„Wir unterschreiten die Grenzwerte erheblich“, antwortete Projektleiter Haberl auf Fragen zur elektromagnetischen Strahlung, sowohl bei der elektrischen Feldstärke als auch der magnetischen Flussdichte. Den Hinweis, dass eine Kinderkrippe und 100 Wohneinheiten in unmittelbarer Nähe zum Bahngleis angesiedelt seien, wies Haberl zurück: Mit Zunahme der Entfernung zum Gleis, verringere sich zunehmend die Strahlung.
Nächster Schritt auf dem Weg zum Ausbau ist die öffentliche Auslegung der Pläne für einen Zeitraum von ein bis drei Monaten. Danach hat die DB Netz AG drei Monate Zeit, Stellung zu nehmen. Darauf folgt ein Erörterungstermin.
Weitere Meldungen aus dem Landkreis Mühldorf
Über die Webseite www.abs38.de erhalten Interessierte weitere Informationen. Auch der Webcast der Bürgersprechstunde soll dort demnächst zu finden sein. Das Infocenter am Bahnhof Mühldorf muss derzeit aufgrund der hohen Infektionszahlen geschlossen bleiben. Ansonsten beantworten dort donnerstags von 14 bis 19 Uhr Mitarbeiter Fragen. Die DB Netz AG bietet auch Online-Termine für Informationsgespräche an, eine Anmeldung ist unter www.abs38.de/termine möglich.
110kV-Bahnstrom auf der Oberleitung von Schwindegg bis Mühldorf
Auf der Strecke von München nach Freilassung und Burghausen sollen 300 Kilometer Oberleitung neu verlegt werden. 115 Kilometer Gleise, 23 Bahnübergänge sowie 19 Bahnhöfe und Haltepunkte sind zu erneuern. 126 Eisenbahnüberführungen, 39 Straßenüberführungen und 22 Kilometer Bahnstromleitung gilt es zu bauen. Zwischen Ampfing und Altmühldorf werden zwölf Kilometer Gleis erneuert. Neu geplant sind in dem Bereich 39 Weichen, 2,4 Kilometer Schallschutz, acht Überführungen und eine Straßenbrücke. Hinzu kommen Masten für Bahnstromleitungen und Oberleitung.
Die insgesamt rund 150 Kilometern lange Strecke soll die Straßen um 121,4 Millionen Autos und 20,7 Millionen Lastwagen-Kilometer pro Jahr entlasten, so die DB Netz AG. Über 23.000 Tonnen CO2 lasse sich jährlich einsparen. Der Baubeginn ist für 2025 geplant, 2030 sollen die Baumaßnahmen abgeschlossen sein.
Die Bahnstromleitung wird auf einem Teilabschnitt der Oberleitung mitgeführt – und zwar von der Bahnstromleitungskreuzung bei Schwindegg, bei Bahn-Kilometer 53, bis zum Unterwerk in Mühldorf, bei Bahn-Kilometer 72. Somit wird eine Bahnstromleitung auf dem gesamten Streckenabschnitt innerhalb des Gemeindegebietes Ampfing auf der Oberleitung mitgeführt. Auch zwischen Tüßling und Freilassing wird eine Bahnstromleitungsanbindung geplant.
Bis zum Jahr 2040 will die Deutsche Bahn klimaneutral sein. Bereits bis 2030 will sie den CO2-Ausstoß mehr als halbieren. Und bis 2038 werde sie ihren Bahnstrom vollständig auf 100 Prozent Ökostrom umstellen, Güterverkehr inbegriffen.
Um Sträucher, Bäume und weiteren Grünwuchs in und um die Gleise zu verhindern, würden aktuell noch zugelassene Mittel verwendet. 2022 sollen die Mengen bis zur Hälfte reduziert werden und für 2023/2024 sei angepeilt, vollständig auf jegliche Mittel zu verzichten.