Missbrauchsprozess: Wird Klage gegen Ex-Papst abgetrennt?
„Er sollte eigentlich ins Gefängnis“: Garchinger Initiative steht fest hinter Kläger
Der Countdown zum Missbrauchs-Prozess gegen den einschlägig verurteilten Ex-Priester H. und das Bistum München-Freising läuft – und die Initiative Sauerteig fest hinter dem Kläger. Als sogenannte „Sekundär-Betroffene“ seien sie selbst zu Opfern perfider Machenschaften des Pfarrers geworden.
Garching a. d. Alz – „Wir hoffen eigentlich, dass sich noch jemand meldet, dessen Missbrauch durch Peter H. noch nicht verjährt ist.“ So endet ein langes Gespräch mit Rosi Mittermeier und ihrem Mann Klaus über den ehemaligen Pfarrer von Garching und dessen „Hinterlassenschaft“ in der Gemeinde: Wut, Scham und Entsetzen. Als Religionslehrerin und Pfarrgemeinderat kennen die beiden Garchinger den Ex-Priester seit drei Jahrzehnten und ihre Meinung ist eindeutig: „Er sollte für seine Taten ins Gefängnis – aber die sind ja leider verjährt.“
Auf den Zivilprozess, den Andreas Perr, gegen Priester H. und dessen Arbeitgeber, das Bistum München-Freising sowie den ehemaligen Papst Ratzinger wegen sexuellen Missbrauchs angestrengt hat, fiebert das Ehepaar gespannt hin. Aber nicht nur sie: Die Betroffenen-Initative „Sauerteig“ stellt sich geschlossen hinter den Kläger. H. soll ihm als 12-Jährigen einen Porno gezeigt und ihn zu sexuellen Handlungen animiert haben. Inzwischen 39 Jahre alt, sei Perr durch diesen Missbrauch aus der Bahn geworfen worden. Die Initiative unterstützt ihn bei seiner Bemühung um eine Feststellung der Schuld des Priesters. Und auch wenn am 7. Juni bekannt wurde, dass Perrs Anwalt Andreas Schulz 350.000 Euro Schadensersatz fordert, sagt Mittermeier „Hier geht es nicht um Geld. Für die Betroffenen ist vorrangig wichtig, dass festgestellt wird, was ihnen angetan wurde.“
Erste Anzeige des Missbrauchs bereits 2010
Zweifel an der vorgeworfenen Tat bestehen bei der Gruppe nicht. Das Vorgehen in Perrs Fall ähnelt denen vorangegangener. Allein im Münchner Missbrauchsgutachten war Peter H. ein ganzer Sonderband gewidmet worden. Seit 2010 beschäftigt der Fall H. schon die Medien, nachdem die New York Times aufgedeckt hatte, dass Peter H. trotz einschlägiger Verurteilung weiter von der Kirche in der Jugendarbeit eingesetzt wurde. Auch Perr zeigte seinen Missbrauch bereits 2010 beim Bistum an. Laut CORRECTIV soll aus internen Unterlagen hervorgehen, dass die Kirche die angezeigten Übergriffe bagatellisiert habe. Doch bereits vor 2010 habe es Zeichen gegeben: Da war der Eintrag in ein Kirchenbuch, ein Graffiti an der Kirchenwand – doch Peter H. hatte seine Gemeinde wohl im Griff.
Perfide Tricks und Intrigen
Laut Rosi Mittermeier soll der ehemalige Priester seine Schäfchen mit perfiden Tricks und Intrigen gelenkt und geleitet haben. Erst viele Jahre später sei ihr aufgefallen, dass der Pfarrer vor allem über diejenigen kein gutes Wort verlor, die wegen ihrer Herkunft oder über andere Beziehungen Kontakt zu seinen früheren Wirkungsstätten hatten. Auch wenn jemand Kontakt zu Missbrauchsopfern und Psychologen hatte, habe ihm das nicht gefallen. Immerhin war Peter H. selbst jahrelang begutachtet worden. Das Ergebnis lautete, dass der Mann bloß nicht mit Kindern arbeiten solle. Rosi Mittermeier mutmaßt, dass der Priester allein während seiner 20-jährigen Tätigkeit in Garching Dutzende Jungen missbraucht haben könnte.
Prozess auf 20. Juni festgesetzt
Laut Mittermeier soll der Pfarrer spezielle Jungs aus der Masse gepickt und umgarnt haben. Hatten sie gute Freunde, dann habe er gewusst, wie die beiden getrennt werden können. Sei ein Junge in Ungnade gefallen, wurde gegen ihn aufgehetzt. Die Religionslehrerin sagt, dass der Ex-Priester aktiv versucht haben soll, Perr als Teenager vor der Kirchengemeinde zu verunglimpfen. „Er hat über bestimmte Personen Vorurteile gesät, die sich danach vermeintlich bestätigten“, so Mittermeier. Die Aufarbeitung und Realisierung dieser Tatsachen scheint ein langjähriger Prozess. Perrs Prozess am Landgericht Traunstein steht am 20. Juni an. Erst kürzlich wurde bekannt, dass eine Cousine von Josef Ratzinger ihr Erbe ausgeschlagen hat. Perrs Anwalt soll daraufhin die Abtrennung der Klage gegen Ratzinger beantragt haben, über diesen wird das Gericht bis zum 20. Juni entscheiden.