Vom Polizeialltag in die Welt der Klingen
Messermacher aus Leidenschaft: Polizei-Beamter aus Garching hat „einschneidendes“ Hobby
Erich Niemeier aus Garching an der Alz ist Messermacher aus Leidenschaft, und Polizeibeamter mit Leib und Seele. Wie er seine Liebe zu Klingen entdeckte und was ein gutes Messer ausmacht.
Garching a. d. Alz – Dass es bei Messern Unterschiede wie Tag und Nacht gibt, weiß inzwischen jeder Hobbykoch. Für Erich Niemeier aus Garching an der Alz sind Klingen jedoch Teil seines Lebens geworden – und das nicht, weil er seit vielen Jahren als Leiter des Kriminaldauerdienstes in Traunstein arbeitet. Niemeier ist Messermacher aus Leidenschaft und auch wenn er mit Leib und Seele Polizeibeamter ist: Das Gestalten und Herstellen eines Messers, das Kombinieren einzigartiger Materialien und die Arbeit mit Stahl begeistern ihn nun bereits seit über 20 Jahren. Und dabei ist Niemeier nicht nur Meister seines Fachs, sondern auch Präsident der Deutschen Messermachergilde und ein engagierter Verfechter seines Handwerks, das er vor dem Aussterben bewahren will.
Von der Uniform zur Werkbank
„Nur ein scharfes Messer ist ein gutes Messer“ – ein Spruch, der in aller Munde ist. Doch als leidenschaftlicher Messermacher sind die Klingen für Erich Niemeier weit mehr als bloßes Werkzeug. Als er 2003 bei einem Messebesuch sein erstes Buch über die scharfen Kunstwerke kaufte, war ihm jedoch noch nicht bewusst, was das neu entdeckte Hobby für ihn bereithalten würde. So war sein erster Versuch, ein klassisches „Bowiemesser“ herzustellen, noch etwas unbeholfen. Doch angefacht von Neugier und Begeisterung wagte sich der Polizist tiefer und tiefer in die Kunst des Messermachens.
Schritt für Schritt begann er seine Werkstatt in Garching mit Werkzeugen auszustatten und nach der ersten Bandschleifmaschine, folgten eine Holzschleifmaschine, eine Standbohrmaschine und schließlich ein Bohrfräszentrum. Neben den Werkzeugen begann er auch nach Material Ausschau zu halten: Stahl ist essenziell, um Messer herzustellen – aber mindestens genauso wichtig ist das Material für gute und schöne Griffe. Inzwischen sind Niemeiers Messer wahre Unikate, die mit viel Liebe zum Detail angefertigt werden.
Damaststahl und Mammutzähne
Ob Jagd- oder Küchenmesser, filigrane Neck Knives oder prächtige Einzelstücke – Niemeier kennt keine Grenzen. Ein besonderes Highlight seiner selbst produzierten Schätze ist ein Jagdmesser aus Damaststahl. „Der Stahl besteht aus 120 Lagen“, erklärt er begeistert. Das Ergebnis ist eine Klinge, die er mit Flach- und Hohlschliff versehen hat: perfekt geeignet für präzise Schnitte – aber auch als robustes Werkzeug. Bei den Griffen setzt Niemeier auf das Besondere: Holz von Rotweinfässern, südamerikanisches Bocote-Holz oder gar Mammut-Elfenbein. Mit einem Augenzwinkern entkräftet der Messermacher aber sogleich: „Wegen mir sind die Mammuts vor 5.000 Jahren aber nicht ausgestorben.“ Als Polizeibeamter hat er immer ein Auge auf die Herkunft und Zertifizierung seiner Materialien.
Leidenschaft, Perfektion – und ein bisschen Schmerz
Dass Messermachen Präzisionsarbeit ist und ein gehöriges Maß an Perfektionismus erfordert, wird klar, wenn man etwas tiefer in das Gespräch mit Niemeier einsteigt: „Die Materialien müssen harmonieren, Symmetrie ist alles“, erklärt der Polizeibeamte. Fehler und ungenaues Arbeiten werden nicht selten mit Verletzungen bestraft, so gehören Verbrennungen am heißgeschliffenen Stahl und Schnitte an der Flex oder Bandsäge wohl oder übel zum Messermachen. „Man muss schon ein bisschen hart im Nehmen sein“, gibt Niemeier schmunzelnd zu. 15 bis 25 Stunden dauert es, bis ein Messer angefertigt ist – und so ist das Messermachen wirtschaftlich nicht sehr lohnenswert. „Davon zu leben ist nahezu unmöglich“, sagt Niemeier selbst, dem es bei seinem Hobby ganz und gar nicht ums Geld geht. Es ist die Freude an der alten Handwerkskunst und der Stolz auf das Endprodukt, die seine Begeisterung nähren.
Messer und die Logik des Messerverbots
Als Präsident der Deutschen Messermachergilde setzt sich Niemeier auch für die Zukunft seines Handwerks ein. Die Gilde mit über 100 Mitgliedern in Europa gewährleistet Qualitätsstandards und sorgt für Nachwuchs. Gleichzeitig kämpft Niemeier gegen Pauschalisierungen: „Ein Messer ist kein Mordinstrument“, sagt er. Das Problem liege nicht im Werkzeug, sondern beim Menschen. Die aktuelle Gesetzgebung sieht der Polizeibeamte kritisch, denn die vage Formulierung und Definition der Messer birgt seiner Meinung nach Risiken. „Es wäre sinnvoller, die Strafen für Messerangriffe zu erhöhen, statt Messer generell zu verbieten“, findet er.
Laut Waffengesetz gelten Messer nur dann als Waffen, wenn sie geeignet sind, Menschen Schaden zuzufügen. Einige Messerarten dürfen so weder hergestellt, vertrieben noch besessen oder geführt werden (z. B. Butterflymesser oder Springmesser). Klingen, die einhändig festgestellt werden können und Messer mit Klingen über 12 cm Länge dürfen nicht öffentlich geführt werden – doch es gibt einige Ausnahmen, beispielsweise Messer, die nur mit zwei Händen geöffnet werden können. Taschenmesser ohne Einhandmechanismus fallen übrigens nicht unter das Waffengesetz. Zusätzlich gibt es laut Gesetz Waffenverbotszonen, z. B. bei Großveranstaltungen. Bei berechtigtem Interesse kann ein Führverbot auch aufgehoben werden, beispielsweise bei Sportveranstaltungen oder Filmaufnahmen.
Jahrhundertealte Tradition
Für Erich Niemeier ist das Messermachen jedenfalls kreativer Ausgleich und reine Freude. Jedes Messer, das er fertigt, erzählt seine eigene Geschichte, vom ersten Entwurf bis zum letzten Schliff. In jeder Stunde, die der Polizeibeamte an der Werkbank verbringt, steckt nicht nur handwerkliches Können und Ausdruck gestalterischer Vorstellungskraft – es steckt darin auch das Ergebnis einer jahrhundertealten Tradition. Und gerade weil das Messermachen kein anerkannter Beruf ist, ist es ganz besonders vor dem Aussterben zu bewahren.


