Vandalismus verärgert Gemeinde Marktl
Mysteriöses Ritual an Marktler Wanderweg endete in Zerstörungswut: Was steckt dahinter?
War es Voodoo? Oder Anden-Schamanismus? Der Vandalismus vom vergangenen Wochenende an der Marktler Bärenhöhle wirft viele Fragen auf. Die Gemeinde brachte die Sache nun zur Anzeige.
Marktl, Landkreis Altötting – Sieht man die Überreste des mysteriösen “Rituals“ an der Marktler Bärenhöhle, dann denkt man unweigerlich an eine (weibliche?) Person, die dieses akribisch vorbereitet haben muss: Unmengen an Reis wurden vorgekocht und anschließend zu Kegeln geformt. Vier Holzkreuze wurden aus Zweigen gebastelt und liebevoll mit weißem Garn umwickelt. Stofffetzen in den Farben Gelb, Orange, Rot, Grün, Hell- und Dunkelblau wurden zurechtgeschnitten und an kleinen Zweigen befestigt. Am Ende waren die Lebensmittel wohl in einen großen Korb gepackt, und mit auf die Wanderung genommen worden. Fast am Ende des Weges, zwischen dem Berg, auf dem einst die Burg zu Leonberg thronte, und der Weggabelung zur Bärenhöhle, wurde dann die „Opfergabe“ dann hergerichtet. Die Reiskegel wurden aufgestellt, die Holzkreuze in die größeren und die Stofffahnen in die kleineren gesteckt, rohe Eier und Kräuter um sie herum platziert.
Experte zu den Überresten
Dr. Wolfgang Kapfhammer, Lehrbeauftragter für Ethnologie an der LMU München tippt darauf, dass sich die Unbekannten auf einem Urlaub in Südamerika inspirieren ließen. „Die ausgelegten Lebensmittel ähneln einem ‚Despacho‘, einer Zeremonie der Andenvölker in Peru und Bolivien“, so Kapfhammer. In Bezug auf die Woll-Kreuze sagt er, dass diese oft die Himmelsrichtungen symbolisieren sollen - manchmal überlagerten sich aber auch christliche Faktoren. „Bei den Despachos wird zu den ‚Apus‘ gebetet. Das sind jenseitige Mächte wie Naturgeister und Berggeister beispielsweise.“ Auch Schnaps werde bei den Ritualen getrunken. Seit einiger Zeit bediene sich inzwischen auch die Neo-Schamanismus-Szene der Rituale, so Kapfhammer.
Blinde Zerstörungswut
Im krassen Gegensatz zu den mühevollen Vorbereitungen des Rituals und dem eigentlichen Hintergrund steht jedoch die sinnlose Zerstörungswut, mit der die „Despacho-Zeremonie“ wohl endete. Direkt neben den zerstörten Reiskegeln und zerbrochenen Eiern beginnt die Spur der Verheerung: Ein Wegweiser wurde aus dem Boden gerissen, den Hang hinuntergeworfen und ein paar Meter weiter das Holzgeländer zur Bärenhöhle mit Gewalt zerbrochen und umgetreten. Auf den Weg hinab ins Tal setzt sich der Vandalismus fort. Auch hier traf es die Holzgeländer am Wegesrand. Über den Hergang der Sache lässt sich nur spekulieren: War es ein friedliches Treffen, das im Streit endete? Oder kamen neben dem Holzgeländer gar auch Menschen zu Schaden?
Anzeige bereits erstattet
Bürgermeister Benedikt Dittmann ist jedenfalls entrüstet und hat die Sache bei der Polizei zur Anzeige gebracht. „Wie in allen anderen Gemeinden kam es auch bei uns auch gelegentlich zu Vandalismus. Aber immer wurden die Vorfälle aufgeklärt“, so Dittmann. In Zusammenhang mit dem Wanderweg habe es im Vorfeld bereits einen ungeklärten Fall gegeben: Ein Briefkasten für die Notizen von Wanderern war von abgerissen worden. Eine Anzeige bei der Polizei gab es hierzu nicht. „Diesmal ist das Maß voll“, sagt Dittmann. „Gegen diese sinnlose Zerstörung muss etwas unternommen werden.“
„Da hilft nur zusammensetzen und reden“
Der Pfleger des Wanderweges, Anton Harlander, ist bei der Begehung sichtlich betroffen. Jeden Sonntag und nach Gewittern prüft er den Weg auf Schäden. Das Geld für die Instandhaltung des Wanderweges bekommt er von der Gemeinde. Seit seiner Kindheit beschäftigt er sich schon mit dem Schloßberg, den sein Vater einst kaufte. Aber auch der benachbarte Burgberg liegt ihm sehr am Herzen. Dort wo einst die Grafen von Leonberg und danach Raubritter hausten, verbrachte er viele Stunden. In sein Herzensprojekt, den Wanderweg, hat er viel Arbeit und Mühe gesteckt – so trifft ihn auch die Missachtung der Vandalen sehr. Erst am Sonntag, dem 23. April, als Harlander die Verwüstung entdeckte, entdeckte er ein frischgeborenes Rehkitz am Wegesrand.
Harlander liegt die Natur am Herzen. Und der Frieden – auch in Bezug auf die unbekannten Vandalen: „Strafe hilft da nicht“, sagt er. „Da hilft nur: Zusammensetzen und Reden.“ Er ist ein neugieriger Mensch, erzählt er. Er möchte wissen, wo die Leute herkommen, was sie plagt und was sie wissen. „Jeder hat so viel Leid“, meint er. „Ich hab da schon Erfahrung.“



