Fluggäste ignorierten Kollaps eines Mitreisenden
Burghauser im Schneechaos am Flughafen: Krebspatient brach in seinen Armen zusammen
Auf dem Heimflug war noch alles in Ordnung, doch mit der Landung am Flughafen München startete eine Ereigniskette, die der Burghauser Andi T. (52) nicht so schnell vergessen wird:
Burghausen/München – Eigentlich sollte Andi T. (52) (Name von der Redaktion geändert) schon am 1. Dezember wieder zu Hause in Burghausen sein. Doch welche Überraschungen seine Heimreise noch bereithalten sollte, ahnte er bei seinem Abflug von den Kanarischen Inseln noch nicht. Die Rückflugbedingungen warfen keinen Grund zur Sorge auf – und auch die Wettervorhersage für die Heimat war nicht weiter bedenklich. Zuerst.
Denn als sein Flugzeug gegen 22 Uhr in München landete, hatte sich die Wetterlage bereits verschlechtert. Nachdem schon am Freitagnachmittag Schneefall eingesetzt hatte, waren nun auch die Temperaturen in die Minusgrade gerutscht. Kein Drama möchte man meinen – schließlich ist es Winter. Doch mit den plötzlichen Schneemassen hatte keiner gerechnet: „Schon beim Aufsetzen der Räder auf der Landebahn, hörte man das Eis knirschen“, erinnert sich Andi T. an die Landung am Münchner Flughafen.
Flugzeug auf Rollbahn kippte Richtung Heck
So kam es, dass Andi T.s Flugzeug auch nicht gleich in den Ausstiegsbereich fahren konnte. Reihenweise mussten sich die angekommenen Maschinen an die Seite des Rollfeldes stellen und warten. Während den folgenden Stunden des Wartens wurde der Burghauser Zeuge mehrerer erschreckender Ereignisse: Zuerst konnte er aus dem Fenster konnte beobachten, wie ein Flugzeug unter den Schneemassen Richtung Heck kippte. Dann wurden die Passagiere in seinem Flugzeug unruhig. Ein Mann in der Sitzreihe hinter dem Burghauser begann sich fürchterlich über die „unfähigen Piloten und Räumungspersonal“ aufzuregen. Sein Zorn steigerte sich zusehends und endete darin, dass er andere Passagiere anschrie und einen Mann mit Gewalt wegschubste.
Fluggast brach plötzlich zusammen
Nach etwa drei Stunden angespannten Wartens konnten die Fluggäste dann aussteigen. Andi T. beobachtete, wie ein Mann gestützt vom Piloten über die Treppe nach unten gebracht wurde. „Der Mann war blass und wirkte sehr schwach“, erinnert sich der Burghauser. Schon auf dem Hinflug war ihm dieser Passagier wegen seines kränklichen Anblicks aufgefallen. Als Andi T. dann hinter dem Mann Richtung Gate ging, brach der Fluggast plötzlich zusammen. „Ich habe versucht ihn zu stützen, aber es war sehr schwierig ihn festzuhalten“, so der 52-Jährige. Von den anderen Fluggästen kam aber keine Hilfe: Sie passierten die beiden, ohne stehenzubleiben.
„Der Mann atmete sehr schlecht. Und er sagte, er wolle knien“, erinnert sich Andi T. „Er hat mir gesagt, dass er Lungenkrebs im Endstadium hat und aus Bogenhausen kommt.“ An den Namen des Krebskranken kann sich der Burghauser wegen der ganzen Aufregung nicht mehr erinnern. Schließlich hielt eine junge Frau bei den Männern und wählte den Notruf. Währenddessen verschlechterte sich der Zustand das Kranken aber drastisch. „Er hat die Aufregung nicht gut vertragen“, so Andi T. „Dann atmete er immer langsamer.“ Das Erlebte belastet den Burghauser sichtlich.
Wartete Familie auf den Mann aus Bogenhausen?
„Als die Sanitäter dann eintrafen, bewegte er sich nicht mehr“, erzählt der Burghauser weiter. Was dann mit dem Mann geschah, und ob er wiederbelebt werden konnte, weiß Andi T. nicht. Auch, ob der Krebspatient aus Bogenhausen Familie hat, ist ihm unbekannt. Andi T. wurde nur darauf hingewiesen, dass er den Bereich vor der Tür zum Gate so schnell wie möglich verlassen sollte. Für den hilfsbereiten Burghauser mussten also viele Fragen offen bleiben. Auf eine Anfrage der Redaktion bestätigte die Flughafen-Pressestelle den Notarzteinsatz des medizinischen Dienstes, durfte aber aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes keine Einzelheiten und konkreten Umstände mitteilen.
Hotels voll, alle Mietwägen vermietet
„Erst danach habe ich mitbekommen, dass im Flughafen Chaos herrschte“, so Andi T. Einen Freund, der ihn eigentlich abholen wollte, hatte Andi T. wegen der langen Wartezeit wieder nach Hause geschickt. Nach einer Nacht im Flughafen stellte sich dann heraus, dass aber auch der Bahnverkehr eingestellt worden war. „Ich habe alles probiert: aber die Hotels waren alle voll, Mietwägen alle weg, und dem Taxifahrer war der Weg nach Burghausen zu gefährlich“, erinnert sich der 52-Jährige. Nur eine Stunde Fahrt liegen zwischen dem Flughafen München und seinem Heimatort – doch wegen des Schneechaos wollte der Burghauser niemanden um Abholung bitten.
„Überall lagen die Leute herum“
„In den Flughafengebäuden lagen überall Leute herum“, erinnert sich Andi T. Ein kalter Spaß – denn im Gegensatz zu anderen Flughäfen gibt es in München keine Teppiche. Fehlanzeige auch bei der Versorgung mit Decken oder warmen Getränken. „Irgendwann begannen die Durchsagen, dass sich Menschen mit Medikamenten-Engpässen an die Flughafen-Sanitäter wenden sollten“ so Andi T. Auch sein Medikamenten-Vorrat war aufgebraucht.
Am Ende kam der Burghauser aber dann doch noch gut nach Hause: Eine Bekannte hatte ihn angerufen und angeboten, ihn abzuholen. Viele der Gestrandeten mussten dagegen mehrere Tage und Nächte auf den kalten Böden der Flughafenhallen verbringen. Nachdem der Betrieb am 3. Dezember um 6 Uhr wieder aufgenommen wurde, musste er am 5. Dezember wegen Eisregengefahr erneut eingestellt werden. Auch im Bahnverkehr dauerten die Störungen mehrere Tage an.


