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Opferschutz im Landkreis Mühldorf und Altötting

„Manchmal geht es hart zur Sache“: Über die Arbeit beim Weissen Ring Mühldorf

Jeder kann theoretisch zum Opfer werden: Sowohl Kinder als auch Frauen und Männer können stark unter Gewalterfahrungen leiden.
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Jeder kann theoretisch zum Opfer werden: Sowohl Kinder als auch Frauen und Männer können stark unter Gewalterfahrungen leiden.

Die Arbeit im Opferschutz ist nicht immer leicht und sicherlich auch nicht für jeden geeignet: Wie genau die Hilfe für Kriminalitäts-Betroffene aussieht, und wie man mit den Erlebnissen als Helfer umgeht, berichtet Birgit Heller vom Weissen Ring in Mühldorf und Altötting im Interview.

Altötting, Mühldorf – Sie ist dreifache Mutter und Sächsin im bayerischen Exil: Birgit Heller (61) arbeitet schon ihr halbes Leben lang für die Opferhilfe. Sie ist Außenstellenleiterin des Weissen Rings in Mühldorf und betreut auch den Landkreis Altötting. Aktuell sucht sie für beide Regionen nach Mitarbeitern. In einem Interview erzählt die sympathische Opferschützerin über ihre Arbeit, und wie man die schlimmen Erlebnisse anderer nicht mit nach Hause nimmt.

Frau Heller, Sie arbeiten selbst schon seit 30 Jahren für den Weissen Ring. Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?
Nach der Geburt meines dritten Kindes habe ich mir überlegt eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen. Damals hatte ich Kontakt zum Landratsamt und da hörte ich, dass der Weisse Ring händeringend nach Mitarbeitern sucht. In Ostdeutschland konnte der Verein nach der Wende nicht „natürlich“ wachsen, so wie im Westen. Da musste ganz schnell ein Netzwerk aus dem Boden gestampft werden. Also sprang ich ins kalte Wasser und arbeite seitdem für die Opferhilfe.
Jetzt suchen sie selbst nach Mitarbeitern für den Weissen Ring. Welche Personen können sich denn bewerben und wie sieht der Start in die Opferschutz-Arbeit aus?
Wir achten bei unseren Mitarbeitern sehr auf Qualität. Die Interessenten müssen für den Einstieg ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen und sollten psychisch belastbar sein. Berührungsängste im Umgang mit der Polizei und der Justiz sollten Sie nicht haben, wenn sie im Opferschutz arbeiten wollen.
Bewerber begleiten in den ersten sechs Monaten unsere erfahreneren Mitarbeitern. Dabei bekommen sie einen Eindruck davon, ob sie für die Arbeit geeignet sind. Manchmal geht es nämlich schon recht hart zur Sache – und das verträgt nicht jeder. Für viele ist die ehrenamtliche Tätigkeit beim Weissen Ring aber vor allem eine Zeitfrage: Wenn wir beispielsweise Prozessbegleitung machen, ist das immer wochentags. Das kann nicht jeder mit seinem Beruf vereinen.
Erhalten neue Mitarbeiter eine Ausbildung und wo können sie sich bewerben?
Nach den Einstiegsmonaten nehmen neue Mitarbeiter an einem dreitägigen Grundseminar teil. Dort lernen sie Grundlagen über Kommuniktion, Psychologie und rechtliche Belange. Innerhalb von zwei Jahren sollte dann ein Aufbauseminar belegt werden, in dem bestimmte Themen intensiviert werden. Der Weisse Ring bietet in seiner eigenen Akademie auch vielerlei andere Weiterbildungen an. Unsere Mitarbeiter sollen dort einmal pro Jahr an einer Wochenendfortbildung teilnehmen. Zur Bewerbung geht es über diesen Link auf unsere Homepage.
Wie kann man sich als Opferhelfer von den Erlebnissen der Kriminalitätsopfer distanzieren bzw. verhindern, dass man das Gehörte mit nach Hause nimmt?
Wir suchen unsere Ehrenamtliche sehr genau aus, denn es nützt niemandem, wenn Helfer und Opfer zusammen weinend auf der Couch sitzen. Man sollte die Sache mit professioneller Distanz betrachten können und muss dazu den Umgang mit den Erlebnissen lernen. Manchmal heißt es Durchhalten und Haltung bewahren.
Im Nachgang führen wir häuft Mitarbeitergespräche und versuchen so, das Erlebte zu kompensieren. Wenn ein Helfer aber sehr verfangen ist, versuchen wir ihn aus der Sache herauszunehmen.
Welche Kriminalitätsfälle gehören dann zum Alltag?
Wir haben es häufig mit Stalking und häuslicher Gewalt zu tun. Allerdings ist es ein Ammenmärchen, dass bei letzterem immer Frauen die Opfer sind. Es werden auch Männer von ihren Frauen verprügelt. Daneben kommen auch Sexualdelikte wie Vergewaltigung und Kindesmissbrauch vor, und auch Opfer von Einbrüchen oder Raubüberfällen brauchen häufig Hilfe. Manchmal auch Feuerwehrleute und Polizisten.
Was sind die schlimmsten und schönsten Erlebnisse bei ihrer Tätigkeit?
Unsere Branche ist nicht schön. Aber es ist wirklich wunderbar, wenn ein Betroffener wieder auf eigenen Beinen steht und mit dem Leben zurechtkommt. Schlimm ist allerdings, wenn ein Opfer schwerst verletzt wurde – das Ganze aber verhindert werden hätte können.
Wird Kriminalitätsopfern ihrer Meinung nach genügend geholfen?
Seit den 90er Jahren hat sich viel getan – das muss man anerkennend sagen! Sowohl in der Betreuung als auch in der Gesetzeslage. Vor allem in Bayern haben wir auch in den Polizeidienststellen eine sehr gute Situation, und gerade die Beamten der Kriminalpolizei in Mühldorf verhielten sich sehr sensibel und verantwortungsvoll. Auch die Inspektionen in den Landkreis Altötting und Mühldorf beweisen unglaublich viel Fingerspitzengefühl. Das alles war vor 30 Jahren noch sehr anders. Damals lag der Fokus seitens der Medien und der Öffentlichkeit noch viel stärker auf den Tätern.
Was würden Sie sich von den Medien und der Öffentlichkeit wünschen?
Es wäre schön, wenn stärker beleuchtet würde, welche Konsequenzen die Opfer zu tragen haben. So manche Betroffene leiden unglaublich unter Spätfolgen durch Einbrüche oder Überfälle beispielsweise. Das sollte mehr Platz in der Berichterstattung finden. Außerdem macht uns Sorge, wie stark Anfeindungen aus der Gesellschaft gegenüber Polizei und Feuerwehr zunehmen. Das stellt ein großes Problem dar.
Was würden Sie sich für Kriminalitätsopfer wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass sie gar nicht erst Opfer werden. Abgesehen davon befürworte ich stark, dass es in Zukunft vermehrt zur Gleichbehandlung von männlichen Opfern kommt. Wir brauchen dringend Einrichtungen wie Frauenhäuser auch für Männer.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben!
Birgit Heller ist Außenstellenleiterin des Weissen Rings in Mühldorf und Altötting.

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