Tobias Kurzmaier telefoniert regelmäßig mit Vitali
„Dürfen Ukraine nicht aufgeben“: Warum Klitschko einen Haager mit der „Ehrenwürde“ von Kiew auszeichnet
Welch große Ehre: Vitali Klitschko hat Tobias Kurzmaier aus Haag die Ehrenwürde der ukrainischen Hauptstadt Kiew verliehen. Die beiden Männer duzen sich, doch der Grund für die Ehrung ist ein anderer. Die Freundschaft hat seit Kriegsausbruch auch Kurzmaiers Leben stark verändert.
Haag/Kiew – Die Urkunde überreichte der persönliche Referent Klitschkos, Staatssekretär a.D. Dr. Bogdan Balasynovych – im Garten Kurzmaiers in Haag bei einem Kurzbesuch. Ein emotionaler Moment. Kurzmaier, der von sich sagt, er sei „nicht nah am Wasser gebaut“, spricht von einer Geste mit Gänsehautfeeling, „die mich schon sehr angefasst hat“.
Versprechen gegeben und eingelöst
Eigentlich kennt der 45-Jährige Klitschko, mit dem er per Du ist, noch gar nicht so lange. Kurzmaier ist Vorsitzender des Aktionskreises für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft e.V. – ein seit 50 Jahren bestehender, etwa 220 Mitglieder umfassender Verein mit Sitz am bayerischen Landtag in München. Dieser lädt regelmäßig zu hochkarätig besetzten Veranstaltungen ein – unter anderem traditionell am Vorabend der Münchener Sicherheitskonferenz.
Kurzmaier hatte heuer die Qual der Wahl: zwischen dem schwedischen Außenminister und dem Bürgermeister von Kiew. Er entschied sich für Klitschko, denn Anfang 2022 gab es die ersten Hinweise auf eine drohende Eskalation. Am 17. Februar, genau eine Woche vor dem Ausbruch des Angriffskriegs, flog Klitschko nach München und berichtete im Maximilianeum vier Stunden lang über die Lage in seiner Stadt und die Sorgen der Ukrainer. „Er war brutal angespannt“, erinnert sich Kurzmaier. Jede Minute könne sein Heimatland angegriffen werden, berichtete Klitschko.
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Kurzmaier versprach, wenn es zum Krieg komme, sein eng geknüpftes „tolles Netzwerk“ an Kontakten zu nutzen, um Spendengelder zu besorgen. Nur eine Woche später brach der Krieg aus und Kurzmaier löste sein Versprechen ein – als erstes, indem er 5000 Kriegsschutzwesten organisierte.
Seither hat sich auch das Leben des Haagers um 180 Grad gedreht, wie er sagt. Unermüdlich managt er Hilfsaktionen für die Menschen in der Ukraine, kämpft sich über bürokratische Hindernisse hinweg, stets in direktem Kontakt mit Klitschko und dessen Berater Balasynovych.
Über vier Millionen Euro gesammelt
In den vergangenen Monaten hat Kurzmaier über sein Netzwerk bei Hilfsorganisationen bis heute über vier Millionen Euro für die Ukraine erwirken können. Von dem Geld wurden nach seinen Angaben bisher unter anderem zwei mobile Computertomographen, zwei Lkw, zwei Stromaggregate in Baden-Württemberg und vier Spezial-Schaumlöschfahrzeuge in Polen gekauft.
Kurzmaier reiste dafür sowohl an den Bodensee als auch in die polnische Region Heiligkreuz, um die Übergabe der wertvollen Gerätschaften an Mitarbeiter der Stadt Kiew persönlich zu begleiten.
Einladungen von Klitschko, sich vor Ort in der ukrainischen Hauptstadt ein Bild der Lage zu machen, hat er bisher ausgeschlagen. „Ich habe meine Kontakte hier, von Deutschland aus kann ich einfach am besten helfen“, erklärt er.
Ukrainer fühlen sich Europa verbunden
Doch Kurzmaier telefoniert viel mit Klitschko. Dieser fange ein Gespräch am Handy oft mit den Worten an: „Du Tobias, ich brauche mal 15 Minuten zum Reden.“ Diese Gespräche geben dem Haager tiefe Einblicke in die Seele der Ukrainer: „Das sind wahnsinnig mutige Leute“, sagt er. Sie würden von dem tiefen Glauben getragen, „dass dieser Krieg für die Ukraine gut ausgeht“. Triebfeder sei eine große Verbundenheit mit Europa – aufbauend auf der Hoffnung, dass die EU-Mitgliedsstaaten Unterstützung leisten. Ohne internationale Hilfe könne es die Ukraine nicht schaffen. „Auch deshalb dürfen wir die Ukraine nicht aufgeben, sondern müssen tun, was geht“, findet Kurzmaier.
Treffen mit Annalena Baerbock geplant
Der Haager Kurzmaier, Fachjournalist und selbstständiger PR-Berater, bekannt geworden auch durch sein ehrenamtliches Engagement für die Polizei (erster „Ehrenkommissar im Landkreis Mühldorf“ ) will sein Engagement für die Ukraine fortsetzen. Er berichtet über seine erfolgreich durchgeführten Hilfsleistungen ( Informationen über ) demnächst in Berlin im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hierbei trifft er, so der Plan, unter anderem auch Außenministerin Annalena Baerbock.
Tobias Kurzmaier: „Wie in jedem Krieg leiden die Kinder am meisten“
Tobias Kurzmaier ist angesichts der Urkunde, die Klitschkos Berater überreicht hat, sehr bewegt: „Die Ehrenwürde der Stadt Kiew, ausgestellt von Vitali Klitschko, für den ich früher wie so viele andere in der Nacht aufgestanden bin, wenn er in den USA geboxt hat und der nun Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt ist, zu erhalten, macht mich schon etwas sprachlos. Jedenfalls bin ich sehr dankbar dafür, wenn damit mein ehrenamtliches Engagement für die Ukraine in Kiew gewürdigt wird. Das Ganze ist aber nur möglich, weil ich so fantastische Partner wie Aktion Deutschland Hilft e.V. und ADRA Deutschland e.V. an meiner Seite habe und, weil Menschen in meinem Netzwerk und darüber hinaus viel Geld für die Ukraine spenden und das auch hoffentlich weiterhin tun. Meine größte Freude bisher ist, dass wir einen der beiden mobilen Computertomographen einer Kinderklinik in Kiew zur Verfügung stellen konnten. Als der riesige Truck dort auf dem Parkplatz nach 700 Kilometern Landweg durch die Ukraine heil angekommen ist, war meine Erleichterung grenzenlos. Wie in jedem Krieg leiden die Kinder am meisten.“
Der Wortlaut der Urkunde
Die Urkunde, die Bogdan Balasynovych dem Haager Tobias Kurzmaier aushändigte, ist auf Ukrainisch verfasst, darum gab es dazu eine deutsche Übersetzung. Der Text lautet: „Bürgermeister Vitali Klitschko zeichnet Herrn Tobias Kurzmaier mit der Ehrenwürde der Stadt Kiew aus für seinen bedeutenden persönlichen Beitrag zur Überwindung der Folgen des Kriegs gegen die Ukraine, seine Bekräftigung humanitärer Werte und seine unschätzbare Unterstützung des ukrainischen Volks im Kampf für seinen Staat und seine Freiheit – Kiew, den 29. Juli 2022.“
