Prostatakrebs
Neue Regeln für Prostatakrebs-Vorsorge: Welche Untersuchung Sie sich sparen können
Die Prostatakrebs-Vorsorge muss nach Experten-Einschätzungen reformiert werden. Dann könnten sich die Behandlungschancen weiter verbessern. Professor Christian Stief vom LMU Klinikum erklärt.
Wenn es um Vorsorgeuntersuchungen geht, sind viele Frauen gewissenhafter als Männer – und auch härter im Nehmen. Während Besuche beim Gynäkologen für die meisten Damen selbstverständlich sind, drücken sich viele Herren vor einem Routinetermine beim Urologen. Einer der Gründe ist eine Tastuntersuchung der Prostata durch den Enddarm, die wohl die meisten als unangenehm empfinden. Dieser Teil gehörte bislang zum Standardprogramm im Bemühen der Mediziner, Krebsgeschwüre in der Vorsteherdrüse möglichst frühzeitig zu enttarnen. Doch künftig können sie ihren Patienten diesen Teil der Vorsorge guten Gewissens ersparen. „Heute wissen wir, dass die Tastuntersuchung im Gegensatz zur Bestimmung des PSA-Werts bei der Früherkennung von Prostatakarzinomen wenig hilfreich ist“, berichtet Professor Christian Stief, Chefurologe des LMU Klinikums, der zu Europas erfahrensten Experten auf dem Gebiet der häufigsten Tumorerkrankung bei Männern zählt.
Heute überleben 93 Prozent der Männer, bei denen Prostatakrebs festgestellt wurde, die ersten fünf Jahre.
Deutsches Krebsforschungszentrum: Tastuntersuchung der Prostata sogar schädlich
Der mehr oder weniger große Albtraum vieler Männer gehört seit über einem Jahrhundert zum Prostatakrebs-Früherkennungsprogramm der gesetzlichen Krankenkassen. Doch jetzt haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) mit Sitz in Heidelberg in einer großangelegten Studie namens Probase unter anderem die Aussagekraft der Tastuntersuchung genauer unter die Lupe genommen. Sie kommen zu dem Schluss, dass der ärztliche Finger im Po nicht nur nutzlos, sondern in vielen Fällen sogar schädlich ist – und zwar gleich in zweierlei Richtung: „Aufgrund der geringen Sensitivität könnten sich Teilnehmer bei einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen. Und durch die hohe Falsch-Positiv-Rate werden viele Männer unnötig in Angst versetzt“, berichtet Dr. Agne Krilaviciute vom DKFZ, die Erstautorin der Studie.
LMU-Klinikdirektor Professor Christian Stief: PSA-Wert liefert sehr wertvolle Informationen
Wesentlich sinnvoller als die Tastuntersuchung sei eine regelmäßige Kontrolle des PSA-Werts. Diese Strategie habe sich in großen Studien als wesentlich effektiver erwiesen, berichtet Professor Peter Albers vom DKFZ. Er geht davon aus, dass ein Prostatakrebs-Screening auf der Basis des PSA-Werts die Bereitschaft vieler Männer zur Vorsorge steigern würde. Eine Hoffnung, die auch sein Münchner Kollege Stief teilt. „Ein großes Problem besteht darin, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Bestimmung des PSA-Werts im Rahmen der Vorsorge nicht bezahlen. Dabei kann diese Maßnahme sehr wertvolle Informationen liefern.“
Diese Informationen liefert der PSA-Wert
Zur Bestimmung des PSA-Werts nimmt der Urologe Blut ab. Im Labor wird bestimmt, in welcher Konzentration ein bestimmter Eiweißstoff darin enthalten ist – das sogenannte prostataspezifische Antigen (PSA). Dieser Botenstoff heißt deshalb so, weil er nur in der Vorsteherdrüse gebildet wird. Steigt der PSA-Wert an, kann dies entweder auf ein Prostatakarzinom, auf eine Entzündung oder auf eine gutartige Vergrößerung der Prostata hinweisen. Deshalb gehöre die Analyse des PSA-Werts in die Hände von erfahrenen Spezialisten, argumentiert Stief. „Wenn man den PSA-Wert für einen bestimmten Mann interpretieren will, darf man nicht auf den sogenannten Normalwert schauen! Der Arzt muss das Alter, die Prostatagröße und die in den vergangenen Jahren gemessenen Werte mit einbeziehen.“ In der Zusammenschau aller Aspekte biete der PSA-Wert dann die Entscheidungsgrundlage, ob eine nähere Abklärung nötig ist. Der nächste Schritt sei in der Regel eine Magnetresonanzuntersuchung (MRT), so der Urologe. „Dabei gibt es allerdings riesige Qualitätsunterschiede. Deshalb sollte der Patient unbedingt in eine Klinik gehen, die auf Prostata-MRT spezialisiert ist.“
Jedes Jahr erkranken 65.000 Menschen in Deutschland an Prostatakrebs
Wie stark die Patienten von der Bestimmung des PSA-Werts profitieren, zeige sich in den USA, berichtet Stief. Dort werde diese Untersuchung wesentlich häufiger vorgenommen als in Deutschland. „In den USA liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Prostatakrebs bei 99 Prozent, bei uns erreichen wir diesen hohen Wert leider noch nicht. Insgesamt haben sich aber auch in Deutschland dank der verbesserten Früherkennung und der Fortschritte bei der Behandlung die Überlebenschancen der Patienten dramatisch verbessert – auch langfristig. In den 1970er-Jahren starben noch 32 Prozent der Patienten innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Heute überleben 93 Prozent der Männer, bei denen Prostatakrebs festgestellt wurde, die ersten fünf Jahre.“ Allerdings fordern Prostatakarzinome noch immer jährlich mehr als 12.000 Opfer, und etwa 65.000 Patienten erkranken neu an dieser Tumorart.
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Die Strategien der Ärzte im Kampf gegen Prostatakrebs
Bei der Behandlung haben Spitzenmediziner vor allem in spezialisierten Zentren eine Fülle von Optionen zur Verfügung. „Etwa 70 Prozent der neu entdeckten Prostatakarzinome müssen operiert werden – vor allem um zu verhindern, dass Krebszellen in andere Organe gestreut werden und dort Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen, bilden“, sagt Stief. Es gibt aber auch immer mehr Fälle, in denen die technisch inzwischen massiv aufgerüstete Strahlentherapie gute Behandlungsalternativen bietet. Gar nicht so selten unternehmen die Ärzte auch erst mal gar nichts, um den Tumor zu bekämpfen. „Active Surveillance“ nennt man diese Strategie auf Englisch – auf Deutsch: aktives Überwachen. Der Hintergrund: Die Mediziner können Krebsherde heute derart genau analysieren, dass sie das Gefährdungspotenzial in den nächsten Jahren gut einschätzen können. Vereinfacht erklärt: Hat der Patient ein vergleichsweise wenig aggressives Krebsgeschwür (in der Fachsprache niedrig maligner Tumor genannt), das auch nicht allzu groß ist, dann muss er zunächst nicht zwingend operiert werden.
Fusionsbiopsie: Privatdozentin Dr. Maria Apfelbeck erklärt spezielle Untersuchungsmethode
Basis für eine solche personalisierte bzw. individualisierte Behandlungsstrategie ist eine professionelle Diagnostik. Als Schlüssel zur Tumoranalyse dient heute die Fusionsbiopsie. „Sie erlaubt eine relativ genaue Einschätzung, wie aggressiv der Tumor ist und ob er noch auf das Organ beschränkt ist“, erklärt Privatdozentin Dr. Maria Apfelbeck, die dieses Verfahren in der Urologischen Uniklinik in Großhadern leitet. Bei einer Fusionsbiopsie wird das Live-Ultraschallbild mit den Aufnahmen einer zuvor durchgeführten Magnetresonanztomografie der Prostata kombiniert. Damit erreicht die Methode eine hohe Aussagekraft.
Professor Christian Stief: Prostatakrebs-Vorsorge ab 45 Jahren wahrnehmen
Vor dem Hintergrund solcher und anderer sehr effektiver Diagnostik sei es entscheidend, dass die Männer die Chancen der Früherkennung auch nutzen, betont Stief. „Ab einem Alter von 45 Jahren sollte man die Vorsorgeuntersuchung regelmäßig wahrnehmen – und im Falle eines erhöhten erblich bedingten Risikos bereits ab 40“, rät Stief. Daran sollten vor allem alle Männer denken, deren Vater oder Bruder an einem Prostatakarzinom erkrankt ist.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.
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