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Deutsches Herzzentrum

Leitlinien zur Bluthochdruck-Behandlung: Chefarzt Prof. Schunkert gibt Tipps für den Alltag

Die europäischen Herzspezialisten haben Leitlinien zur Behandlung von Bluthochdruck veröffentlicht. Professor Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum München hat Tipps für den Alltag.

Es klingt fast etwas paradox: In Deutschland haben über 20 Millionen Menschen erhöhten Blutdruck – und damit etwa jeder dritte Erwachsene. Dank massiver Aufklärungskampagnen wissen viele Betroffene inzwischen, dass dies nicht gesund ist. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ein erheblicher Teil der Betroffenen unterschätzt noch immer, wie schwer die Folgen bereits bei vermeintlich nur mäßig erhöhten Messwerten sein können. Bluthochdruck kann Horrorerkrankungen wie Schlaganfall, Sehbehinderungen, Nierenschäden, Herzschwäche oder Herzinfarkt auslösen und zum plötzlichen Herztod führen.

Bluthochdruck für Menschen mit vorgeschädigten Organen besonders gefährlich

Besonders gefährlich wird es für Patienten, die vorgeschädigte Organe haben und neben dem Bluthochdruck unter weiteren Risikoerkrankungen leiden. Dazu gehören entgleiste Blutzuckerwerte (Diabetes), Fettleibigkeit (Adipositas) und zu hohe Blutfettwerte (Hypercholesterinämie). Mediziner bemühen sich, diese Zusammenhänge noch stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern – und dabei sollen ihnen auch verbindliche Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften helfen.

NameProfessor Dr. Heribert Schunkert
Alter63 Jahre
PositionDirektor der Klinik für Erwachsenenkardiologie im Deutschen Herzzentrum München
Weitere AufgabenStellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung
Forschung und LehreMehr als 700 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht; einer der meist zitierten deutschsprachigen Autoren in der Herz-Kreislauf-Forschung
Herz-Professor Heribert Schunkert ist unter anderem Experte für Bluthochdruck. Der Hypertensiologe leitet die kardiologische Klinik am Deutschen Herzzentrum München und ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

Herz-Professor Schunkert fordert: Risikobewusstsein der Bevölkerung schärfen

Diese Empfehlungen werden immer wieder von Expertengremien aktualisiert – wie kürzlich beispielsweise die Leitlinien der renommierten Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH). Sie zielen darauf ab, das Risikobewusstsein der Betroffenen zu schärfen und ihre Bereitschaft für eine rechtzeitige Therapie zu erhöhen. „Dazu bedarf es neben klar verständlichen Regeln einer Art Masterplan für jeden einzelnen Patienten“, erläutert Professor Heribert Schunkert.

Der erfahrene Hypertensiologe ist Chefkardiologe des Deutschen Herzzentrums München und auch stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Hier erklärt der Münchner Top-Mediziner die neuen Regeln für den Blutdruck und gibt Tipps, wie man Hypertonie effektiv in den Griff bekommen kann. 

Die neuen Bluthochdruck-Regeln: Was Patienten beachten müssen

► Die Grenzwert-Regel für Medikamente: Ab wann ist mein Blutdruck so hoch, dass ich Tabletten nehmen muss? Diese Frage treibt viele Patienten um. Dazu gilt jetzt folgende Experten-Empfehlung: „Am Anfang steht für jeden Betroffenen, den Blutdruck durch Lebensstilmaßnahmen zurück in den gesunden Bereich zu bringen. Dazu gehören Gewichtsabnahme, der Abbau von Stress und körperliche Aktivität“, berichtet Schunkert. Bei Patienten zwischen 18 und 79 Jahren, die trotzdem wiederholt Messwerte über 140/90 mmHg haben, sollte der Blutdruck mit Medikamenten gesenkt werden.

Bei über 80-Jährigen sehen die Ärzte der Leitlinien-Kommission etwas mehr Spielraum, würden in Einzelfällen auch mal Werte bis zu 160 mmHg in Kauf nehmen – um mögliche Nebenwirkungen der Medikamente wie Schwindel zu vermeiden. „Das ist eine individuelle Entscheidung. Sie hängt unter anderem davon ab, wie gut der Patient die Medikamente verträgt, wie gebrechlich er ist und ob er an Begleiterkrankungen leidet“, so Schunkert. Zudem sei Vorsicht geboten, wenn der Patient bereits einen sehr niedrigen unteren Blutdruckwert kleiner als 70 mmHg aufweist. Bei allen Patienten sollte ein Absenken der Werte unter 120/70mmHg vermieden werden.

Für das Blutdruckmessen gibt es wichtige Regeln. So sollte der Messpunkt - in diesem Fall am Handgelenk - immer auf Herzhöhe sein.

► Ab 40 ist Blutdruckmessen mindestens einmal im Jahr Pflicht! „Es ist nicht entscheidend, wer die Messung vornimmt und wo sie erfolgt – Hauptsache, sie wird überhaupt gemacht“, betont Schunkert. Allerdings legt die neue Leitlinie Wert darauf, dass die Rahmenbedingungen für die Messungen stimmen sollten – das heißt: „Man sollte sich entspannt fühlen, nach körperlicher Anstrengung oder Stress mindestens fünf bis zehn Minuten ausruhen, bevor man den Blutdruck misst“, rät Schunkert. „Achten Sie zudem darauf, dass sich der Messpunkt auf Herzhöhe befindet. Messen Sie mindestens zweimal, besser dreimal und bestimmen für das Ergebnis den Mittelwert der letzten beiden Messungen.“ Als bestätigt gilt Bluthochdruck im Allgemeinen, wenn bei mindestens zwei bis drei Praxisbesuchen in Abständen von ein bis vier Wochen erhöhte Werte vorliegen oder eine deutliche Blutdruckerhöhung (≥ 180/110 mmHg) gemessen wurde bzw. hohe Werte bei bekannter Herzerkrankung vorliegen, erläutert die Deutsche Herzstiftung.

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Gehen Sie bei erhöhten Blutdruckwerten zu einem Hypertensiologen. Das sind Mediziner, die sich auf Bluthochdruck spezialisiert und im Rahmen von Qualifizierungsprozessen besonderes Wissen zu der Erkrankung erworben haben. „Die Kollegen sind von der Deutschen Hochdruckliga zertifiziert und führen beispielsweise auf ihrer Praxishomepage die Zusatzbezeichnung Hypertensiologe nach DHL. Sie können die Ursache des Bluthochdrucks genau abklären und eine gezielte Behandlung einleiten. Sie besteht in der Regel aus einem Mix aus Tabletten und Anpassungen des Lebensstils wie Gewichtsabnahme und Sport.“

Der Hintergrund zur Hypertensiologen-Empfehlung: „Viele Hausärzte müssen sich in ihrer täglichen Praxis um die Therapie einer Fülle von verschiedenen Akuterkrankungen kümmern. Das sind mitunter schwierige Rahmenbedingungen, die eine ausführliche Aufklärung der Bluthochdruckpatienten über ihre oft komplexe Erkrankung erschweren“, analysiert Schunkert. „Diese Beratung sollte in Ruhe erfolgen und zu einem konkreten Plan führen. Deshalb ergibt es Sinn, einen Spezialisten aufzusuchen.“

Blutdruck ohne Medikamente senken: Elf Lebensmittel können helfen, Folgeschäden zu vermeiden

Walnüsse
Nüsse wie Walnüsse, bei denen es sich streng genommen um eine Baumfrucht handelt, können den Blutdruck senken. Nüsse gelten generell als Lebensmittel, die dank ihrer Nährstoffe gut fürs Herz sind und so helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall vorzubeugen. © CHROMORANGE/Imago
Pistazien in einer Holzschale
Abends beim Fernsehen öfters mal eine Handvoll Pistazien knabbern, das schmeckt nicht nur, sondern senkt auch Bluthochdruck. Studien, wie die vom Department of Biobehavioral Health der Pennsylvania State University zum Effekt von Pistazien auf den systolischen Blutdruck, zeigen deutlich, dass der Blutdruck durch den Verzehr von Pistazien sinkt. Wer einmal täglich eine Handvoll (ca. 45 Gramm) Pistazien isst, kann seinen systolischen Blutdruck um bis zu 4,8 mmHg senken. Dies ist neben dem diastolischen Blutdruck der obere Messwert, der normalerweise im Bereich von 110 bis 130 mmHg liegt. © Claudia Nass/Imago
Saft aus roter Beete
Der Rote-Beete-Saft sollte nicht nur bei Menschen mit erhöhtem Blutdruck regelmäßig auf dem Ernährungsplan erscheinen. Denn die rote Knolle, die auch gerne als Lebensmittelfarbe genutzt wird, enthält wichtige Vitamine der B-Gruppe, Vitamin A sowie C. Dazu kommen essenzielle Spurenelemente wie Magnesium, Calcium, Selen, Eisen, Jod, Mangan, Natrium, Zink, Kupfer sowie Phosphor. Laut „Deutsche Herzstiftung“ kann durch das Trinken von ca. einem halben Liter Rote-Bete-Saft pro Tag, der obere Messewert des systolischen Blutdrucks 24 Stunden lang um etwa fünf mmHg gesenkt werden. Der Effekt beruht darauf, dass Rote Bete Nitrate enthält, die durch den Speichel zu Nitrit reduziert werden. Dadurch werden die Gefäße erweitert und der Blutdruck sinkt. © WavebreakmediaMicro/Imago
Feldsalat mit Erdbeeren und Blütenblättern, angerichtet auf einem Teller
Feldsalat ist wie Rote Beete, Spinat, Endiviensalat, Grünkohl, Wirsing sowie Radieschen reich an Nitrat, welches durch den Verzehr zu Nitrit umgewandelt wird, das wiederum positiven Effekt auf die Gefäße und den Blutdruck hat. © imagebroker/Imago
Olivenöl senkt Blutdruck und das schädliche LDL-Cholesterin im Blut, sodass das Risiko für Arteriosklerose reduziert wird.
Laut „Deutsche Herzstiftung“ senkt Olivenöl nachweislich nicht nur das Risiko für Ablagerungen in den Gefäßen, der Arteriosklerose. Auch bei hohem Blutdruck, dem Hauptrisikofaktor für Schlaganfall, wirkt das pflanzliche Fett fast wahre Wunder. Ein erhöhter Blutdruck kann durch den Konsum von Olivenöl im Durchschnitt um 48 Prozent gesenkt werden, wie die „Pharmazeutische Zeitung“ berichtet. © Panthermedia/Imago
Spinat
Spinat als kalorienarmes Gemüse kann den Blutdruck senken und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Er ist reich an Vitamin B, Vitamin C sowie Folat, Kalium und Magnesium. © Achim Sass/Imago
Tomaten
Tomaten sind ein Muss, wenn es um Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen geht. Sie sind reich an Folsäure, Kalium sowie Lycopin. Lycopin zählt zu den Antioxidantien und kann freie Radikale im menschlichen Körper unschädlich machen. Tomaten können laut Studien hohen Blutdruck und das Schlaganfallrisiko um bis zu 55 Prozent senken. © Philippe Degroote/Imago
Grünkohl auf dem Schneidebrett
Grünkohl gilt als natürlicher Blutdrucksenker. Das grüne Gemüse enthält sogenannte Flavonoide, die den Cholesterinspiegel und somit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall senken. © Y Resolution/Imago
Erbsen
Erbsen wird eine blutdrucksenkende Wirkung nachgesagt. Sie sind reich an Vitaminen und Mineralstoffen, wie Vitamin E, B und Beta-Carotin sowie Magnesium, Eisen, Phosphor, Kalzium und Zink. Hülsenfrüchte, zu denen Erbsen zählen, sind reich an Magnesium, welches für elastische Gefäßwände sorgt, wodurch der Blutdruck weniger steigt. © Gemma Ferrando/Imago
Knoblauch
Knoblauch kann selbst bei den Patienten den Blutdruck senken, die unter Medikamenten wie Betablocker oder Irbesartan keine ausreichende Blutdruckkontrolle erzielen, wie das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtet. Es zeigt sich, dass der obere Blutdruck-Wert, der systolische Blutdruck, nach regelmäßigem Konsum von Knoblauch um zehn mmHg niedriger liegt. © Waltraud Kaipf/Imago
Meerrettich
Meerrettich ist nicht nur entzündungshemmend bei viralen und bakteriellen Infektionen, hilft gegen Erkältungen, Blasenentzündungen und Schmerzen. Die essbare Pflanze soll ebenfalls eine blutdrucksenkende Wirkung haben. Der durch das Senföl leicht scharfe Meerrettich wird gerne als Dip zu Fisch oder Gemüsesticks serviert. © Andreas Berheide/Imago

Behalten Sie das Krankheitsstadium Ihres Bluthochdrucks im Blick. Bei der Beurteilung des Bluthochdrucks sollen ab sofort die bereits vorhandenen Organschäden stärker berücksichtigt werden, so die Leitlinien-Autoren. Dazu gilt folgende Einteilung in drei Stadien: Stadium I: Unkomplizierte Erkrankung, bei der noch keine merklichen Organschäden vorliegen; Stadium II: Leichte Organschäden sind erkennbar, etwa der Beginn einer chronischen Nierenerkrankung; Stadium III: Es liegen bluthochdruckbedingte kardiovaskuläre Erkrankungen oder eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung vor. Besonders auf der Hut sein sollten Patienten, die bereits in jungen Jahren erhöhte Messwerte aufweisen. „Bei ihnen könnte sich das Risiko für Organschäden über die Jahre massiv erhöhen“, warnt Schunkert.

Bei einer Kombination mehrerer Erkrankungen wird eine Risikospirale in Gang gesetzt. Es ist bekannt, dass neben Bluthochdruck Grunderkrankungen wie Diabetes oder erhöhtes Cholesterin die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. „Wer mehrere davon hat, setzt sich einem extrem hohen Risiko aus. Deshalb sollte man auch die Blutzucker- und Blutfettwerte regelmäßig checken lassen“, empfiehlt Schunkert. Zumal gerade höhere Blutfettwerte auch dünne, junge und sportliche Menschen treffen können. Sie leiden mitunter unerkannt an familiärer Hypercholesterinämie. Diese erblich bedingte Fettstoffwechselstörung lässt sich über die Ernährung kaum beeinflussen.

Lieber verschiedene Medikamente nehmen als nur ein Mittel hochdosiert. „Bei der Therapie ist eine Kombination aus blutdrucksenkenden Mitteln effektiver“, weiß Schunkert. Eine Zweierkombination aus ACE-Hemmer bzw. Sartan mit einem Kalziumantagonisten oder Diuretikum ist in der Regel der erste Schritt. Reicht das nicht, sollte eine Dreierkombination aus diesen Wirkstoffklassen versucht werden. Ferner sind Aldosteron-Antagonisten (Spironolacton/Eplerenon) bei der Behandlung der schwer einstellbaren Hypertonie eine Therapievariante. „Auch der Betablocker erlebt eine Renaissance in den neuen Leitlinien, insbesondere bei Patienten mit Herzerkrankungen kann er eine gute Wahl sein“, erläutert Schunkert.

Die Faustregel fürs Blutdrucksenken durch Gewichtsverlust. „Bei Übergewichtigen ist Abnehmen der stärkste Hebel, um erhöhte Werte ohne Arznei in den Griff zu bekommen“, berichtet Schunkert. „Pro Kilo purzelt der Blutdruck um einen mmHg. Das hört sich gering an, kann aber einen enormen Effekt bewirken. Wer zehn Kilo abnimmt, kann in vielen Fällen schon in einen Messbereich kommen, der keine oder nur eine reduzierte medikamentöse Behandlung erfordert.“

Wer sportelt, hilft seinem Blutdruck – aber nur, wenn man regelmäßig trainiert. „Wer sich nur sporadisch bewegt, wird kaum einen nachhaltigen Effekt auf den Blutdruck beobachten. Deshalb sollte man am besten vier bis fünf Mal die Woche Sporttreiben bzw. zumindest den Kreislauf ordentlich in Schwung bringen.“ Übrigens: Von der Empfehlung, dass Bluthochdruckpatienten am besten gar nicht sporteln sollten, sind Mediziner abgerückt. Das Gegenteil ist sinnvoll: „Wer unter Medikamenten moderat mit dem Training beginnt, kann unter Umständen nach einer gewissen Zeit auf Tabletten verzichten“, weiß Schunkert. „Wichtig ist, dass sich die Patienten vom Arzt beraten und überwachen lassen.“ 

Rubriklistenbild: © Deutsches Herzzentrum

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