Unterlassene Hilfeleistung bei bewusstem Wegschauen
Erste Hilfe ist Pflicht: So verhaltet Ihr Euch nach einem Unfall richtig
Kommt es im Straßenverkehr zu einem Unfall mit Personenschaden, sind die Verletzten meist auf die anwesenden Ersthelfer angewiesen. Diese sind jedoch häufig überfordert, wollen nichts falsch machen. Viele wissen gar nicht, dass sie dazu verpflichtet sind, Erste Hilfe zu leisten. Erfahrt hier, wie Ihr Euch im Notfall richtig verhaltet.
„Wer Verletzten bei einem Unglücksfall nicht unverzüglich die bestmögliche, den eigenen Fähigkeiten entsprechende Hilfe leistet, macht sich strafbar.” So steht es im Strafgesetzbuch (StGB). Der Laie nennt das unterlassene Hilfeleistung.
Wie umfangreich die Hilfe am Unfallort bis zum Eintreffen der Rettungskräfte aussieht, hängt auch davon ab, was man körperlich leisten kann. Selbst wenn weiterführende Maßnahmen dem Helfer zum Beispiel wegen Eigengefährdung nicht möglich sind – einen Notruf unter 112 abzusetzen und die Unglücksstelle abzusichern, ist jedem zumutbar.
Wer das bewusst nicht macht und weiterfährt, riskiert Geld- oder sogar Gefängnisstrafen. Angst vor Fehlern müssen Erst-Helfende nicht haben. „Keine Hilfe zu holen oder nichts zu tun, ist der größte Fehler“, schreibt die „Motorwelt“ in ihrer Ausgabe 2/2023.
Wann besteht die Pflicht, Erste Hilfe zu leisten?
Diese Pflicht besteht immer automatisch, wenn Ihr als Autofahrer einen Verkehrsunfall verursacht, darin verwickelt werdet oder als Erster am Unfallort vorbeikommt. Generell seid Ihr immer dazu verpflichtet, einem anderen Menschen zu helfen, wenn dieser sich in einer Notlage befindet.
Es existieren allerdings gewisse Ausnahmesituationen, in denen die Verpflichtung, Erste Hilfe zu leisten, gegebenenfalls außer Kraft gesetzt werden kann:
- Sobald sich eine andere Person am Unfallort befindet, die über eine höhere Qualifikation als Ihr verfügt und dementsprechend besser in der Lage ist, Erste Hilfe zu leisten (wie z. B. ein Rettungssanitäter oder ein Arzt), sollte sie diese Aufgabe an Eurer Stelle übernehmen.
- Wenn Ihr Euch selbst in Gefahr bringen würdet, um anderen zu helfen, entfällt zumindest die Pflicht, aktiv Erste Hilfe zu leisten. Nichtsdestotrotz entbindet Euch das nicht davon, den Notarzt unter der Nummer 112 (gültig für ganz Europa) zu verständigen und die Polizei zu informieren.
- Müsstet Ihr andere wichtige Pflichten (wie z. B. die Aufsicht für ein Kind) vernachlässigen, um verletzten Menschen zur Hilfe zu eilen, dürft Ihr ebenfalls darauf verzichten.
Quelle: www.bussgeldkataloge.de
Die korrekte Verhaltensweise nach einem Unfall
Als allererstes solltet Ihr Euch einen Überblick über die Situation verschaffen: Was ist hier eigentlich los? Wie viele Verletzte gibt es? Sind sie ansprechbar oder bewusstlos? Gibt es weitere Personen, die Hilfe leisten könnten?
In Notfallsituationen gelten folgende fünf Glieder der Rettungskette:
- Absichern und Eigenschutz
- Notruf und Sofortmaßnahmen
- weitere Erste Hilfe
- Rettungsdienst
- Krankenhaus
Die einzelnen Kettenglieder sollten möglichst gut ineinandergreifen. So wird sichergestellt, dass die Verletzten optimal versorgt sind. Als Ersthelfer arbeitet Ihr die ersten drei Kettenglieder ab. Das heißt, Ihr versorgt und betreut Verletzte am Unfallort so lange, bis Fachkräfte zur Stelle sind, wie Rettungssanitäter und Notärzte.
Unfallstelle absichern
An dem Szenario „Autounfall” lassen sich die wichtigsten Schritte von Erster Hilfe anschaulich darstellen: Zuerst muss die Unfallstelle gesichert werden. Werdet Ihr Zeuge, sollten dies Eure ersten Schritte sein: Warnblinker einschalten, Warnweste anziehen, Warndreieck aufstellen und der Griff zum Erste-Hilfe-Kasten.
Diese Utensilien sollten in jedem Auto vorhanden sein. Beim Aufstellen des Warndreiecks empfiehlt der TÜV die folgenden Abstände zum Unfallort: innerorts 50 Meter, auf der Landstraße 100 Meter, auf der Autobahn 200 bis 400 Meter. Erst wenn das erledigt ist, kümmert Ihr Euch intensiver um die Opfer.
Der Rettungsgriff
Es kann vorkommen, dass Verletzte aus ihrem Fahrzeug geborgen werden müssen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Auto brennt, Benzin ausläuft oder die verletzte Person bewusstlos ist.
Mit dem sogenannten „Rettungsgriff” holt Ihr Verletzte aus einem Fahrzeug heraus. Der Griff funktioniert so:
- Öffnet vorsichtig die Autotür und sprecht die verletzte Person an.
- Sollte der Motor noch laufen, stellt diesen ab.
- Öffnet den Gurt und kippt den Oberkörper des Verletzten leicht nach vorn.
- Führt Euren Arm hinter dem Rücken der Person entlang bis zu der von Euch abgewandten Hüfte.
- Dort greift Ihr in den Hosenbund.
- Dann drückt Ihr mit Eurer anderen Hand gegen den vorderen Oberschenkel und schiebt den Unterleib von Euch weg, den Oberkörper zu Euch hin.
- Ihr dreht die Person also etwas, damit Ihr anschließend mit beiden Armen unter die Achseln des Verletzten gehen könnt.
- Dann greift Ihr mit beiden Händen einen Unterarm und positioniert diesen vor der Brust des Verletzten.
- Zieht die Person dann vorsichtig auf Euren Oberschenkel. So verhindert Ihr, dass vor allem schwere Personen sofort zu Boden stürzen.
- Zieht die Person einige Meter vom Auto weg in Sicherheit.
- Achtet darauf, dass der Kopf möglichst nicht nach hinten fällt.
Quelle: www.malteser.de
Notruf wählen
Besteht keine Gefahr mehr durch den fließenden Verkehr, nehmt Euer Handy und wählt den Notruf 112. Auf Autobahnen und Schnellstraßen könnt Ihr alternativ eine der Notrufsäulen am Straßenrand nutzen. Diese stehen in Abständen von 1,5 bis 2 Kilometern. Auf den Leitpfosten am Straßenrand weisen kleine schwarze Pfeile in die Richtung der nächstgelegenen Säule.
Da die Verletzten nicht allein gelassen werden sollten, sucht am besten andere Personen, die helfen könnten, indem sie beispielsweise Hilfe holen. Seid Ihr diejenigen, die mit der Rettungsstelle telefonieren, dann versucht ruhig zu bleiben und beantwortet die fünf folgenden W-Fragen. Sie liefern die wichtigsten Informationen für den Rettungsdienst:
- Wo ist der Unfall geschehen?
- Was ist passiert?
- Wie viele Verletzte gibt es?
- Welche Art von Verletzungen haben sie?
- Warten: Gibt es Rückfragen von Seiten der Notrufzentrale?
Quelle: www.malteser.de
Den genauen Unfallort zu nennen, kann vor allem auf der Autobahn schwierig sein, wenn das Unglück nicht gerade an einer Ausfahrt passiert ist. Orientiert Euch an den kleinen blauen Kilometerschildern. Sie stehen im Abstand von 500 Metern hinter der Leitplanke. Mit Hilfe der Angaben „Autobahn X in Himmels- oder Fahrtrichtung Y auf Höhe des Kilometerschildes Z“ kann ein Rettungswagen die Unfallstelle leicht finden.
Was geschieht, wenn Fehler bei der Ersten Hilfe passieren?
Wenn es darum geht, Erste Hilfe zu leisten, verspüren einige Menschen gewisse Hemmungen oder haben Angst. Schließlich möchten sie dem Opfer nicht noch mehr Schmerzen zufügen oder die Verletzungen verschlimmern.
Manche denken auch, dass sie dafür bestraft werden können, wenn die Erste Hilfe nicht fehlerfrei abläuft. Damit liegen sie jedoch falsch! Laut § 2 Absatz 1 Nummer 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind „Personen, die […] bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten […]“ automatisch durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert.
Diese greift in der Regel nur dann nicht, wenn Ihr Erste Hilfe geleistet habt, Euch dabei Fehler unterlaufen sind und Euch dabei Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann. Ihr braucht also in Bezug auf mögliche Strafen normalerweise keine Angst haben, wenn Ihr lebensrettende Sofortmaßnahmen durchführt.
Ersthelfer können grundsätzlich nicht für Schadensersatz im Zusammenhang mit ihrer Hilfe belangt werden. Sie müssen also nicht etwa für zerschnittene Kleidung des Verletzten oder für eine bei der Hilfe entstandene Körperverletzung haften.
Auch müssen sie nicht fürchten, für danach nötige eigene medizinische Behandlungen oder Sachschäden aufkommen zu müssen.
Leistet Ihr hingegen keine Erste Hilfe und überlasst die Unfallopfer einfach ihrem Schicksal, kann Euch unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen werden.
Diese Erste-Hilfe-Maßnahmen sollte jeder kennen
Auch wenn jeder Führerschein-Anwärter einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren muss, verblasst das dort Erlernte nach einer gewissen Zeit. Kein Wunder also, dass viele Autofahrer unsicher sind, wenn sie in eine Situation geraten, in der sie genau dieses verlorene Wissen eigentlich anwenden müssten.
Herzdruck-Massage mit Beatmung
Auch Herz-Lungen-Wiederbelebung genannt. Dazu drückt Ihr 30-mal hintereinander kräftig auf die Mitte des Brustkorbs, etwa zwei Stöße pro Sekunde. Um den richtigen Rhythmus zu finden, könnt Ihr den Refrain des Bee-Gees-Songs „Staying Alive“ summen. Mit diesem Beat bleibt Ihr genau im Takt.
Im Anschluss nehmt Ihr zwei Mund-zu-Mund-Beatmungen vor. Dann setzt Ihr die Herzdruck-Massage fort. So geht es im Wechsel immer weiter bis entweder die Person wieder atmet oder die Rettungskräfte da sind.
Blutungen stillen
Atmet das Unfallopfer, blutet aber stark, solltet Ihr als Nächstes versuchen, die Blutungen zu stillen. Verwendet Einmalhandschuhe aus dem Verbandskoffer, um Euch vor eventuellen Infektionen zu schützen. Ist die verletzte Person bei Bewusstsein, bittet sie, sich hinzulegen. So vermeidet Ihr einen möglichen Kreislaufkollaps.
Nun legt Ihr einen Druckverband an: Deckt die Wunde mit einer sterilen Wundauflage ab und fixiert diese mit einem Verband, den Ihr einige Male um den verletzten Körperteil herumwickelt.
Danach legt Ihr ein zweites Druckpolster auf und umwickelt es ebenfalls. Der Verband muss fest sitzen. Aber nicht so fest, dass die Blutzufuhr unterbrochen wird und die Haut rund um die Verletzung blau anläuft. Um den Blutverlust einzudämmen, sorgt dafür, dass der verletzte Körperteil möglichst hoch gelagert wird.
Stabile Seitenlage anwenden
Ist ein Unfallopfer bewusstlos, atmet aber noch, solltet Ihr die Person in die stabile Seitenlage bringen. Diese Maßnahme lernt Ihr in jedem Erste-Hilfe-Kurs, denn in dieser Position bleiben die Atemwege frei. Sprecht währenddessen mit der betroffenen Person und streicht ihr zum Beispiel über den Kopf. Auch Bewusstlose können für diese Fürsorge empfänglich sein.
Habt Ihr den Verletzten in die stabile Seitenlage gebracht, sorgt dafür, dass der Körper warm bleibt. Nutzt sowohl zum Schutz vor neugierigen Blicken als auch zum Warmhalten die Erste-Hilfe-Decke aus dem Verbandskasten, andere Decken oder Jacken. Bleibt die ganze Zeit über bei den Verletzten und sprecht mit ihnen. Sagt, dass Hilfe unterwegs ist und beruhigt sie. Überprüft außerdem permanent die Atmung. Im besten Fall trifft der Notarzt schnell ein und übernimmt.
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