Neue Studie
Demenz-Risiko deutlich senken: Diese Faktoren habt Ihr selbst in der Hand
Es ist eine der Horror-Krankheiten des Älterwerdens: Demenz bzw. Alzheimer. Noch ist sie ziemlich unerforscht und Heilung gibt es keine. Doch ein neuer Bericht der internationalen Lancet-Kommission hat jetzt neue Erkenntnisse veröffentlicht, die die Krankheit verhindern oder zumindest aufhalten können. Und die hat man größtenteils selbst in der Hand.
Die Vorstellung, sein Leben, seine Liebsten und alles was einen ausmacht langsam zu vergessen, ist grausam. Und doch für viele Menschen und ihre Angehörigen Realität. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind zum Ende des Jahres 2021 fast 1,8 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Häufigste Ursache für Demenz ist die Alzheimererkrankung:
Alzheimer oder Demenz?
Demenz ist ein Oberbegriff für eine Gruppe von Symptomen, die durch verschiedene Erkrankungen verursacht werden und das Gedächtnis, das Denken und die sozialen Fähigkeiten so stark beeinträchtigen, dass sie das tägliche Leben erheblich behindern. Die Alzheimer-Krankheit ist eine spezifische Form der Demenz und die häufigste Ursache für Demenz weltweit. Sie ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen und Nervenzellverbindungen im Gehirn gekennzeichnet ist.
Wie der neue Report der „Lancet Commission on dementia prevention, intervention, and care“ (Lancet-Kommission für Demenzprävention, -intervention und -pflege) besagt, könnten allerdings 45 Prozent der Demenzerkrankungen verhindert oder zumindest verzögert werden, wenn man diese 14 Risikofaktoren eliminiert.
Risikofaktoren als junger Mensch:
1. Geringe Bildung: Wer aus einem bildungsfernen Haushalt stammt, hat es nicht genug Möglichkeiten, sein Gehirn in jungen Jahren schon zu trainieren. Die Nervenzellen im Gehirn werden zu wenig stimuliert.
Risikofaktoren im mittleren Alter:
2. Schwerhörigkeit: Bei Hörverlust muss das Gehirn vermutlich mehr Anstrengung aufwenden, um unvollständige auditive Informationen zu verarbeiten. Diese zusätzliche, einseitige Belastung kann das Risiko für Demenz erhöhen.
3. Bluthochdruck: Chronisch erhöhter Blutdruck kann die kleinen Blutgefäße im Gehirn schädigen, was zu Durchblutungsstörungen und letztlich zu vaskulärer Demenz führen kann.
4. Fettleibigkeit: Fettgewebe setzt entzündungsfördernde Botenstoffe frei, die chronische Entzündungen im Körper fördern können. Diese Entzündungen können auch das Gehirn betreffen und dort neurodegenerative Prozesse begünstigen, die zu Demenz führen können.
5. Rauchen: Zigarettenqualm ist in vielerlei Hinsicht ein Killer. Damit schädigt man nicht nur dauerhaft seine Gefäße, man setzt mit dem Rauchen auch Entzündungsprozesse frei, die wiederum Demenz begünstigen.
6. Alkohol: Ebenso wie Rauchen ist auch Alkohol schlecht für das Gehirn. Wer zu viel und zu häufig trinkt, riskiert, dass die Hirnmasse schrumpft. Alkohol ist ein Nervengift.
7. Diabetes: Diabetiker sind besonders häufig von Demenz betroffen. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel kann die Gefäße im Gehirn schädigen.
8. Depression: Hier scheinen die Auslöser, die eine Demenz begünstigen, entzündliche Prozesse zu sein, die sich schlecht auf das Gehirn auswirken.
9. Bewegungsmangel: Sport ist die Lösung für viele Krankheiten, auch bei der Demenz-Vorbeugung. Bewegung fördert Kreislauf und Durchblutung, beugt Verkalkungen vor und transportiert toxische Stoffe ab.
10. Traumatische Kopfprellungen: Starke Erschütterungen des Gehirns durch Stöße, z.B. beim Sport oder durch Unfälle erhöhen das Risiko an Demenz zu erkranken massiv.
11. Ein hoher LDL-Cholesterinwert: LDL-Cholesterin wird oft als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet, da erhöhte Werte mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Ein hoher LDL-Spiegel kann zur Bildung von Plaques in den Arterien führen, was Arteriosklerose verursacht und das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Demenz erhöht.
Risikofaktoren im hohen Alter:
12. Soziale Isolation: Wer kaum Kontakte zur Außenwelt hat, trainiert sein Gehirn zu wenig, es schrumpft. Das Risiko einer Demenz dagegen steigt.
13. Luftverschmutzung: Vor allem Feinstaub steht im Verdacht, das Gehirn zu schädigen. Wie bei anderen Faktoren auch lösen sie entzündliche Prozesse im Körper aus.
14. Unbehandelter Sehverlust: Schlecht sehen ist eine Alterserscheinung. Aber eine, die man gut behandeln kann und muss! Neuesten Erkenntnissen zufolge führt vermehrter Sehverlust zu kognitiven Einschränkungen im Gehirn.
Alles zusammenzählen? Nicht ganz
Würde man alle 14 Punkte aufaddieren, so die Studie, könnte man das Risiko von Alzheimer - im Gegensatz z.B. zu genetisch bedingten Faktoren - selbst bis zu knapp 45 Prozent verringern. Eine Rechnung, die laut Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) nicht so ohne weiteres aufgeht: „Die Studie addiert die einzelnen modifizierbaren Risiken auf knapp 45 Prozent. Wenn man mehrere Risikofaktoren beeinflusst, gibt es jedoch synergistische Effekte, man kann für einzelne Individuen die Effekte der Risikoreduktion deswegen nicht einfach aufsummieren.“
Noch dazu würden sich die verschiedenen Faktoren miteinander verschränken, erklärt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). So beeinflusse etwa eine nicht rechtzeitige Korrektur von Hör- oder Sehkraftverlust die Kommunikation der Betroffenen, was sich auf kognitive Fähigkeiten und soziale Interaktionen auswirke: „Regelmäßiges kognitives Training und Vereinsamung sind wiederum Faktoren, die ebenfalls bei der Demenzentwicklung eine Rolle spielen.“
Demenz indiviudell vorbeugen - von Kindheit an
Neben geistiger Fitness, zum Beispiel dem Erlernen einer Sprache oder regelmäßigem Lösen von Kreuzworträtseln, sind eben die Kombinationen dazu entscheidend: mediterrane Kost, Sport, wenig Alkohol und ein gesundes Körpergewicht, all das verringert das Risiko einer Demenz und kommt darüber hinaus auch dem Herz-Kreislaufsystem zugute.
Risikofaktoren wie Luftverschmutzung und Zugang zu Bildung, die man selbst oft nicht in der Hand hat, sind dann Aufgabe der Politik. Wichtig sei, so Berlit, schon in einem Alter, in dem noch gar nicht an Demenz gedacht werde, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Der Mediziner unterstreicht: „Jeder Einzelne muss wissen, dass er durch eine Umstellung seiner Lebensführung tatsächlich einen wesentlichen Beitrag zur Risikominimierung gegen Demenz, aber auch gegen andere Erkrankungen leisten kann.“ (si mit Material der dpa)