Soziale Medien
Gefährlicher Hype für Jugendliche? Nahrungsergänzungsmittel erleben Boom
Kapseln, Pillen und Pulver, die Wunder versprechen, boomen in den Sozialen Medien. Was wie wirkt, ist für Laien aber nur schwer durchschaubar. Verbraucherschützer kritisieren diesen Markt als völlig unreguliert.
Fulda - Lange richtete sich die Werbung für Schlankmach-Pillen und Vitaminpräparate eher an Erwachsene. Durch Soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram hat sich die Zielgruppe jedoch auch auf Jugendliche ausgeweitet. „Soziale Medien sind für Jugendliche nun mal das Medium der Wahl und es verwundert nicht, dass gerade hier etliche Anbieter von Nahrungssupplementen Werbung für ihre Produkte schalten“, sagt Professor Dr. Marc Birringer, Experte für Nahrungsergänzungsmittel an der Hochschule in Fulda gegenüber fuldaerzeitung.de.
Nahrungsergänzungsmittel: Experten warnen vor Hype bei Jugendlichen
Besonders für Jugendliche, die sich mit den Ratgeber-Themen Ernährung, Gesundheit oder Sport befassen, setzen Instagram und Co. die Werbe-Algorithmen so, dass entsprechende Anzeigen in den Werbefenstern auftauchen, erklärt der Professor weiter. „Das Vorgehen darf man kritisieren, so aber funktioniert die Social-Media-Welt.“
Verbraucherschützer kritisieren diesen Markt jedoch als völlig unreguliert. Christa Bergmann von der Verbraucherschutzzentrale Sachsen-Anhalt und Friederike Schmidt, Ernährungswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein sehen die Werbung in den Sozialen Medien problematisch, weil eine extrem große Gruppe junger Menschen erreicht wird. Die Masse der Aussagen, die durch das Netz geistern, könne zudem von den zuständigen Behörden kaum überprüft werden.
Die versprochene Wunderwirkung ist in vielen Fällen nicht belegt, wie Bergmann zu bedenken gibt. Auch der Fuldaer Experte sieht ein Problem darin, wenn Produkte angeboten werden, die nicht verkehrsfähig sind, also zum Beispiel Höchstmengen überschreiten, verbotene Stoffe oder Arzneimittel beinhalten. Außerdem stellt sich die Frage, ob Jugendliche Nahrungsergänzungsmittel überhaupt brauchen.
Arzt Dr. Ulrich Kraft, dessen Schwerpunkt unter anderem die Orthomolekulare Medizin ist, ist der Meinung, dass Heranwachsende, die sich gesund und ausgewogen ernähren, keine zusätzlichen Supplemente brauchen. Es gebe zwar Ausnahmen – etwa wenn ein ärztlich nachgewiesener Mangel an einem Vitamin oder Mineral besteht, oder sich Jugendliche komplett vegan oder nur von Fast-Food ernähren – „aber eine willkürliche Einnahme an Präparaten halte ich nicht für sinnvoll“.
Prophylaktisch etwas einzunehmen könne zudem sogar schädlich sein. So berichtet Kraft etwa von einem jungen Patienten, der täglich zusätzliche Mengen an Zink eingenommen hat – ohne, dass ein Mangel bestand. „Die Folge war dann, dass sein Körper im Umkehrschluss nicht mehr genügend Eisen aufnehmen konnte.“
Ein weiterer Risikofaktor kann auch die gleichzeitige Einnahme von medizinisch verordneten Medikamenten mit Nahrungsergänzungsmitteln sein. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb die Einrichtung einer öffentlichen Meldestelle, die bekannte Wechselwirkungen dokumentiert.
„Es braucht Positivlisten“
Anders als für das Anbieten der Kapseln, Pillen und Pulver gibt es für das Werben klare Vorgaben durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Diese können aber ziemlich leicht umgangen werden, sagt Christa Bergmann von der Verbraucherschutzzentrale Sachsen-Anhalt. Ohnehin sei der Rechtsrahmen in Sachen Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland absolut ungenügend. Aus diesem Grund fordere sie eine sogenannte Positivliste, die klar vorgäbe, welche Stoffe geprüft sind und verwendet werden dürfen.
Der Experte für Nahrungsergänzungsmittel an der Hochschule in Fulda, Dr. Marc Birringer, merkt an, dass es so etwas wie Positivlisten bereits gibt. „Die sogenannten Nutrition und Health Claims Verordnung lässt für bestimmte Vitamine und Spurenelemente ernährungs- und gesundheitsbezogenen Werbe-Aussagen zu. Wenn also auf einer Verpackung steht, xy stärkt das Immunsystem, so ist dies durch eine Verordnung gedeckt.“
Die sogenannte Novel-Food-Liste enthalte neue und neuartige Lebensmittel die auf den europäischen Markt kommen. Beispiele hierfür seien etwa der Süßstoff Stevia oder verschiedene Lebensmittel aus Insekten beziehungsweise Insektenprotein. Daneben gibt es laut Birringer auch nationale „Negativlisten“ – hier sind eine Vielzahl von sogenannten Botanicals aufgelistet für die es von den nationalen Behörden oder der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Risikobewertung gibt. Er betont aber, dass es auch hier darauf ankomme, dass diese Liste kontrolliert werden.
Sinnvoll wären daher gesetzlich geregelte Höchstdosierungen. Denn auch wenn Vitamine und Pflanzenextrakte per se nicht schädlich seien, könne durchaus zu viel davon genommen werden. Auch Kraft sagt, dass die „falschen“ Nahrungsergänzungsmittel nicht gleich gesundheitliche Schäden anrichten. Es komme auf die Summe an, und wie lange man die Präparate in falscher Dosierung einnimmt.
Birringer ergänzt, dass es bereits eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben und Verordnungen gibt, die den Verbraucher schützen sollen. Es fehle jedoch oft an Kontrollen. „Der Online-Handel spielt hier eine große Rolle und macht es oft schwer, Produkte aus China oder den USA zu verbieten. Dort gelten zum Teil andere Regeln oder die Kontrollen finden nicht statt.“ „Die meisten Verbraucher gehen davon aus, dass Produkte, die in Deutschland verkauft werden dürfen, absolut sicher sind“, erklärt Bergmann.
Nahrungsergänzungsmittel erleben Boom in Sozialen Medien
Der Fuldaer Experte Birringer sagt, dass dies grundsätzlich auch stimme, denn die Lebensmittelsicherheit in Deutschland und die Kontrolle von Lebensmitteln durch die Behörden hat international einen sehr hohen Standard. „Aber auch hier kann der Online-Handel die Kontrollen umgehen“, gibt er zu Bedenken.
Wer also zu Supplementen greift, sollte zum einen erst Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten und danach die empfohlenen Produkte aus dem stationären Handel kaufen.
Der Verzicht auf Alkohol ist hingegen immer eine gute Entscheidung - nicht nur für die Gesundheit. Denn auch beim Abnehmen spielen die kalorienreichen Getränke eine Rolle. Der Verzicht auf Alkohol reduzierte bei dem Australier James Swanwick das Bauchfett in kürzester Zeit.
Rubriklistenbild: © Franziska Kraufmann/dpa/dpa-tmn
