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Sonntag Gedenkfeier

„Tiefpunkt der deutschen Geschichte“ - Walter Lübcke vor fünf Jahren ermordet

Walter Lübcke wurde auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen.
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Walter Lübcke wurde auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen.

Vor fünf Jahren wurde Walter Lübcke von einem Neonazi ermordet - der erste rechtsextremistische Mord an einem Politiker der Bundesrepublik. Der Extremismusforscher Reiner Becker beklagt den Schaden für die Demokratie.

Kassel - Das Verbrechen an Dr. Walter Lübcke vor fünf Jahren war der erste rechtsextremistische Mord an einem Politiker der Bundesrepublik. Vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe auf Amtsträger stellt sich die Frage: Was haben wir gelernt – und was nicht?

In der Nacht auf den 2. Juni 2019 erschießt der Rechtsextremist Stephan E. den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus nächster Nähe. Der CDU-Politiker stirbt auf seiner eigenen Terrasse. Als Grund der Tat gibt Stephan E. Lübckes liberale Haltung in der Flüchtlingspolitik an. 

Walter Lübcke vor fünf Jahren ermordet - „Tiefpunkt der deutschen Geschichte“

Der Christdemokrat war aufgrund seines Engagements zur Hassfigur der extremen Rechten geworden. Er erhielt Morddrohungen und wurde vor und nach seinem Tod Opfer von Hass und Hetze im Internet. Auf einer Bürgerversammlung zu der geplanten Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft in der nordhessischen Kleinstadt Lohfelden im Jahr 2015 verteidigte der damalige Regierungspräsident das Vorhaben.

Auf Buhrufe, Beschimpfungen und Provokationen erwiderte er: „Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Es ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ 

Der Mord an Walter Lübcke ist ein Punkt, an dem man festmachen kann, wo Demokratie möglicherweise erodiert.

Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen

Unter den Besuchern der Veranstaltung war auch der Mann, der ihn vier Jahre später auf seiner Terrasse im nordhessischen Wolfhagen-Istha ermorden sollte. Er habe seinen Fremdenhass zunehmend auf Lübcke projiziert, seit sich dieser auf der Bürgerversammlung für die Aufnahme von Flüchtlingen starkgemacht hatte, gab Stephan E. später vor Gericht an. Er verbüßt eine lebenslange Haftstrafe. 

Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Fünf Jahre später erschüttert sie noch immer – besonders angesichts der jüngsten Angriffe auf Politiker. Die Tat zeige zu welchen Taten rechtsextrem motivierte Täter fähig seien, sagt Hessens Innenminister Roman Poseck.

Zur Beerdigung von Walter Lübcke kamen 1300 Menschen.

Deshalb müsse man alles daransetzen, dass sich so ein Verbrechen niemals wiederholt. „Der Mord steht auch beispielhaft dafür, dass auf Worte oft Taten folgen. Wer Hass sät, erntet Gewalt“, sagt der CDU-Politiker. 

Zuletzt hatten mehrere Angriffe auf Politikerinnen und Politiker Aufsehen erregt. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer Matthias Ecke krankenhausreif geschlagen, in Berlin gab es einen tätlichen Angriff auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Auch Politiker von AfD und Grünen wurden bedroht und attackiert. 

Steinmeier hält Ansprache 

Mit einer Gedenkfeier zum fünften Jahrestag des Mordes an Walter Lübcke wird am Sonntag an den früheren Kasseler Regierungspräsidenten erinnert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dabei die Gedenkansprache halten. Insgesamt werden 1000 Gäste erwartet.

Die Veranstaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Kassel-Mitte, des Regierungspräsidiums Kassel und der Demokratie-Initiative „Offen für Vielfalt“ beginnt um 10.30 Uhr in der Martinskirche in Kassel. Sie wird den Initiatoren zufolge live übertragen und auch auf der Webseite des Bundespräsidenten unter www.bundespraesident.de zu sehen sein. 

Im Anschluss findet ein Demokratiefest mit Unterstützung der Hessischen Landesregierung und unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) statt.

Der Leiter des Demokratiezentrums Hessen, Reiner Becker, bezeichnet der Mord an Walter Lübcke als einen Tiefpunkt in der Historie der Bundesrepublik Deutschland. „Ein Tiefpunkt im Kontext der Veränderung unserer Gesellschaft mit Blick auf die Etablierung von Rechtspopulismus.“

Die Tat und ihre Folgen seien neben der menschlichen Tragödie eine Katastrophe für die Demokratie. „Der Mord an Walter Lübcke ist ein Punkt, an dem man festmachen kann, wo Demokratie möglicherweise erodiert“, so der Extremismusforscher.

Dass sich die Bedrohungslage von Amtsträgern auf kommunalpolitischer Ebene seither nicht verbessert hätte, zeigten die jüngsten Angriffe auf Politiker. „Insgesamt zeigt sich, dass auch die kommunale Ebene ein Austragungsort geworden ist für gesellschaftspolitische Polarisierung“, erklärt Becker. „Wir sehen daran, wie sich politische Kultur verändert und verhärtet hat.“

Video: Mordfall Walter Lübcke: BGH bestätigt Mordurteil gegen Rechtsextremisten

Zwar sei die Sensibilität gegenüber Grenzüberschreitungen größer geworden und es seien verschiedene Maßnahmen ergriffen worden. Es sei jedoch wichtig, diese Wahrnehmung weiter zu stärken. „Es muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Verantwortung für unser Gemeinwesen nicht am eigenen Gartenzaun endet.“

Becker vergleicht die Demokratie mit einem Baum, bei dem das feine Wurzelwerk für Halt sorge. Es könne kaputtgehen, während der Baum noch völlig gesund wirke. „Eines Tages kippt der Baum einfach um, ohne dass Wind wehen muss. Und wir alle fragen uns, warum. Weil wir uns dieses feine Wurzelwerk nicht angeschaut haben.“ (dpa)

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