Zu wenig „Zeit zum Vorlesen“
Was sich in Kitas ändern muss, damit Schüler besser Deutsch sprechen
Erzieher müssen einen großen Teil der sprachlichen Bildung von Kindern übernehmen. Doch es gibt zu viele Hindernisse.
Bildungsstudien wie Pisa zeigten zuletzt, dass deutsche Schülerinnen oft nicht richtig lesen und schreiben können. Grund war in den darauffolgenden Debatten meistens die Migration: Die Kinder würden die Sprache nicht richtig beherrschen, was die Leistungen verschlechtere.
„Es ist richtig, dass Sprache der Schlüssel zur Integration ist“, sagt Tomi Neckov, Vorsitzender des Verbands für Bildung und Erziehung (VBE) am 19. März 2024 auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Kinder mit Migrationshintergrund verantwortlich zu machen, nennt er eine „klassische Schuldumkehr: Das Kind hat ein Defizit. Das Kind wird abgestraft“.
Erzieher und Kinder sprechen oft nicht dieselbe Sprache
Sieht man sich die Studie des Deutschen Kitaleitungskongreses (DKLK) an, die Neckov vorstellt, wird eines deutlich: Wenn Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund die Sprache kaum beherrschen, können sie wenig dafür. Sie wurden womöglich bereits ohne genügend Deutschkenntnisse eingeschult – die sie weder im Elternhaus, noch in der Kita erlernen konnten.
„Kinder lernen Sprache am besten, wenn ein Mensch die Muttersprache und ein Mensch die Zweitsprache spricht, also die deutsche Sprache in dem Fall“, sagt Barbara Nolte. Sie ist Kitaleiterin und Referentin für Erzieher und Erzieherinnen beim VBE in Nordrhein-Westfahlen. Ersteres ist in Kitas selten Realität: In über 63 Prozent der Einrichtungen sprechen Kinder laut DKLK-Studie eine Sprache, die die Erzieher und Erzieherinnen nicht verstehen. Folglich haben sie nicht die Möglichkeit, die deutsche Sprache richtig zu lernen.
Zu große Kita-Gruppen erschweren die sprachliche Bildung von Kindern
Hört man Nolte zu, reicht es nicht, wenn Erzieher die Fremdsprache der Kinder sprechen. Um sie in der deutschen Sprache zu fördern, brauche es vor allem kleine Kita-Gruppen mit wenigen Kindern und viel Zeit: „Ich muss Zeit haben zum Vorlesen. Ich muss Zeit haben zum Sprechen. Ich muss Zeit haben, um mit Kindern im Spiel einen Wortschatz und Grammatik, sowie Sprachmelodie aufzubauen.“
Dolmetscher oder Übersetzungsprogramme können diesen direkten Austausch mit den Erziehern laut Nolte nicht vollständig ersetzen. Doch in der Realität gibt es Fachkräftemangel an Kitas und viel zu große Gruppen. Statt drei Kindern betreut eine Fachkraft laut DKLK-Studie durchschnittlich über fünf Kinder. Was an Kitas außerdem fehlt, seien sogenannte Sprachfachkräfte, die sich mit der Sprachförderung von Kindern auskennen und Erzieher bei ihrer Arbeit unterstützen können. Ein Drittel der Kitaleiter berichtet in der Studie, dass bei ihnen keine Sprachfachkräfte arbeiten.
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Verband fordert mehr Sprachfachkräfte an Kitas
Tatsächlich setzt sich der Bund bereits für die Sprachbildung an Kitas ein. 312 Millionen Euro verwendet er laut VBE im Zuge des im Kita-Qualitätsgesetzes für sogenannte „Sprach-Kitas“. So werden Kitas genannt, die einen besonders hohen Migrationsanteil haben. Dort sind bereits verstärkt Sprachfachkräfte im Einsatz.
Der Verband wünscht sich zusätzlich Sprachstandardtests, die auch Lehrverbandspräsident Stephan Düll bei BuzzFeed News Deutschland gefordert hatte. In den Tests sollen Kinder nach ihren Deutschkenntnissen getestet werden, um zu entscheiden, ob sie einschulungsfähig seien oder nicht. Dem VBE ist wichtig, dass die Sprachstandtests wissenschaftlichen Kriterien unterliegen und einfach zugänglich sind. Auch hier brauche es notwendiges Personal, um die Kinder in dem Zeitraum, in der die Tests stattfinden, weiterbetreuen zu können.
„Nicht zuletzt löst Diagnostik allein keine Probleme.“ Viel wichtiger ist dem VBE ihre Forderung nach „multiprofessionellen Teams“ – aus Erziehern und Sprachfachkräften – in allen Kitas. Zudem fordert der Verband eine leichtere Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland. So könnten Erzieher an den Kitas arbeiten, die die Muttersprache mancher Kinder bereits sprechen.
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