Wintereinbruch
„Polarwirbel außer Kontrolle“? Warum die Kälte auf sich warten lässt
Obwohl einige Prognosen den Winter ankündigten, bleibt er noch aus. Ein Wetterexperte erläutert, welche Faktoren aktuell unser Klima beeinflussen.
München – Immer wieder wird der Polarwirbel als entscheidender Faktor für einen frühzeitigen Wintereinbruch genannt. Doch laut Dominik Jung, Diplom-Meteorologe von wetter.net, ist dieses Phänomen nicht alleine für den Start des Winterwetters verantwortlich. „Der Polarwirbel wird oft als ein wichtiger Indikator dargestellt, aber das ist eine vereinfachte Sicht“, so Jung.
Laut Jung haben viele weitere Faktoren Einfluss auf unser Wetter. Demnach kann ein starker Polarwind sogar das genaue Gegenteil bewirken. Statt die Kälte zu uns zu bringen, schirmt er sie ab. „Tatsächlich stabilisiert ein intakter Polarwirbel die Kaltluft über der Arktis und verhindert deren Ausbreitung nach Mitteleuropa“, so Jung.
Anhaltend mildes und trockenes Wetter: Was macht der Polarwirbel aktuell?
In diesem Jahr ist der Polarwirbel laut Jung besonders stark und stabil, was Hochdruckwetterlagen über Mitteleuropa begünstigt. Diese blockieren die für Wintereinbrüche notwendigen Tiefdruckgebiete aus dem Norden. „Während sich viele auf erste Schneeflocken und frostige Temperaturen freuen, sorgt der starke Polarwirbel dafür, dass die Kälte in der Arktis bleibt“, erklärt Jung, für den ein zeitnaher Polarwirbel-Kollaps jedoch durchaus möglich ist.
Doch vorerst würde uns anhaltend mildes und trockenes Wetter erwarten, das von Hochdruckgebieten dominiert wird. „Ein starker Polarwirbel verhindert Kälteperioden bei uns“, so Jung. Solange der Polarwirbel nicht schwächer oder aufgespalten wird, sei ein Wintereinbruch unwahrscheinlich. Bricht der Frost jedoch erstmal aus, könnte es in diesem Winter in Deutschland kälter als vergangenes Jahr werden.
Polarwirbel nur einer vieler Faktoren für Winter-Wetter in Deutschland
Laut Jung wachse das Interesse am Polarwirbel mit den Jahreszeiten. Oft werde dieser jedoch in seiner Bedeutung überschätzt und spielt nur eine Rolle von einer komplexen Struktur des Wetters: „Der Polarwirbel ist ein Baustein, aber andere Faktoren wie die Nordatlantische Oszillation oder das Zusammenspiel von Tief- und Hochdruckgebieten sind genauso wichtig.“
Einzig den Polarwirbel als Ursache für Winterwetter heranzuziehen, führe oft zu Fehleinschätzungen und enttäuschten Erwartungen. Um die tatsächlichen Chancen auf Schnee und Kälte zu verstehen, würde es sich lohnen, das gesamte meteorologische System im Auge zu behalten und dieses würde derzeit für die nächsten beiden Wochen keinerlei Anzeichen für einen frühen Wintereinbruch bedeuten, wie Jung erklärt.
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