Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Idee für neue Abschieberegelung

Kriminelle Clans in NRW: Ministerin macht Abschiebe-Vorschlag

Massenschlägereien und zuletzt gar eine mutmaßliche Geiselnahme: Das Thema Clan-Kriminalität kocht wieder hoch, eine Lösung ist nicht in Sicht. Jetzt befeuert eine neue Idee die Debatte.

Essen/Duisburg – Anfang des Jahres schien es fast so, als hätten sich die Wogen im Ruhrgebiet geglättet: Gewalt-Eskalationen zwischen Clan-Mitgliedern waren kaum Thema. Noch Ende März hatte Essens Polizeipräsident Andreas Stüve im Interview mit wa.de erklärt: „Tumultlagen sind zurückgegangen, die Straftaten auf offener Straße gehen zurück.“ Auch in Duisburg hieß es im Frühjahr von der Polizei, es gebe deutlich weniger Einsätze wegen Clan-Kriminalität, berichtet 24RHEIN.

Rückblickend würde man vielleicht sagen: Das war die Ruhe vor dem Sturm. Denn seit einigen Monaten geht es Schlag auf Schlag: Im Juni gab es zuerst eine Massenschlägerei in Castrop-Rauxel, kurz darauf sorgte eine regelrechte Gewalt-Eskalation zwischen Clan-Mitgliedern mitten in der Innenstadt von Essen bundesweit für Aufsehen. Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, die Kooperationsbereitschaft der Beteiligten: äußerst gering. Zusätzlich hatten die Behörden den Verdacht, dass die Clans ihre Konflikte unter dem Radar mithilfe sogenannter Friedensrichter unter sich regeln wollen. Die Polizei sprach von einer Paralleljustiz mitten in NRW. Anfang August der nächste Fall: Mutmaßliche kriminelle Clan-Mitglieder sollen in Essen einen jungen Mann brutal zusammengeschlagen und als Geisel genommen haben.

Nach Clan-Ausschreitungen in Essen ist die Polizei mit einem Großaufgebot am Salzmarkt im Einsatz.

Kriminelle Clans im Ruhrgebiet: Vorstoß von Nancy Faeser befeuert Debatte in NRW

Das Problem kocht in NRW hoch wie seit Jahren nicht mehr – und just zu diesem Zeitpunkt heizt ein Vorstoß von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Debatte weiter an. Das Bundesinnenministerium hat jetzt einen Vorschlag gemacht, wie Angehörige krimineller Clans oder anderer Gruppierungen der Organisierten Kriminalität leichter abgeschoben werden könnten.

Die Idee: Für eine Abschiebung braucht es keine Verurteilung mehr. Vielmehr wäre es so, „dass eine Ausweisung möglich sein soll, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall. Eine ähnliche Regelung gibt es bereits für Mitglieder terroristischer Vereinigungen.

Duisburgs OB: „Ich finde es bedauerlich, dass wir uns in Deutschland mit Abschiebung oft so schwertun“

Bei der Stadtführung von Duisburg dürfte man angesichts dieser Idee hellhörig geworden sein. Vor allem der als Problemviertel bekannte Stadtteil Marxloh gilt neben Essen immer noch als Hochburg der Clankriminalität. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link hatte am Rande einer Veranstaltung kürzlich noch davon gesprochen, dass man auch „Maßnahmen bis hin zur Abschiebung“ ausschöpfen müsse, um das Clan-Problem in den Griff zu bekommen. „Ich finde es bedauerlich, dass wir uns in Deutschland mit Abschiebung oft so schwertun“, so Link. Wenn jemand immer wieder schwere Straftaten begehe, müsse man da konsequenter sein: „Wenn man abschiebt, kann das eine heilsame Wirkung auf andere haben, die dann abgeschreckt sind.“

Kriminelle Clans in NRW

► Wenn die Rede von kriminellen Clans ist, sind meist bestimmte Mitglieder von Großfamilien mit türkisch-arabischen Wurzeln gemeint. In Deutschland gehören nach Schätzungen des Bundeskriminalamts (BKA) rund 200.0000 Menschen zu solchen Großfamilien. Die meisten von ihnen sind nicht kriminell. Einige wenige aber haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität begehen.

► Viele gehören den sogenannten Mhallami an, einer arabischstämmigen Volksgruppe. Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben, kamen dann in den Libanon. Als dort Bürgerkrieg ausbrach (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland.

► Als libanesische Geflüchtete wurden sie in verschiedenen Bundesländer untergebracht, vor allem nach Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen und Berlin. Manche erhielten als Staatenlose den Duldungsstatus. Menschen mit Duldungsstatus haben es auf dem Arbeitsmarkt schwer: Eine selbständige Tätigkeit ist ihnen untersagt, eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nur auf Antrag möglich. Experten sehen in der Perspektivlosigkeit einen Grund dafür, dass kriminelle Netzwerke innerhalb der Familien gebildet haben.

► Kriminelle Clan-Mitglieder begehen schwere Straftaten, wie Menschenhandel, Körperverletzung, Betrug, Erpressung und Raub. Staatliche Autoritäten erkennen sie oft nicht an.

► Erst im Juni hatten Massenschlägereien unter Clan-Mitgliedern in Essen und Castrop-Rauxel Ende Juni für Aufsehen gesorgt.

► Im Ruhrgebiet und vor allem in Duisburg und Essen ist Clan-Kriminalität seit vielen Jahren ein Problem, das von den Behörden mit immer neuen Strategien bekämpft wird.

Auf Nachfrage von wa.de hieß es jetzt von der Stadt, man wolle die Vorstöße des Bundesinnenministeriums noch nicht kommentieren. Aber: „Wir verfolgen die Entwicklungen sehr genau.“

Stadt Essen begrüßt Pläne

Eine Sprecherin der Stadt Essen äußerte sich deutlicher: „Grundsätzlich sind die Pläne zu begrüßen, da die Ministerin auch angekündigt hat, bei Mehrfach- und Intensiv-Straftätern konsequentere Regeln schaffen zu wollen oder Angehörige sogenannter Clan-Strukturen künftig leichter abschieben zu können.“ Abschiebungen scheiterten im Augenblick allerdings häufig daran, dass es kein aufnehmendes Herkunftsland gibt, weil es in vielen Fällen keinen Nachweis und auch keine Anerkennung über und aus dem Herkunftsland krimineller Clan-Mitglieder gebe.

Der Diskussionsvorschlag von Nancy Faeser stößt unterdessen auch auf Kritik – auf Bundesebene gar innerhalb der Koalition. So machte die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Irene Mihali, klar, dass eine solche Regelung nicht infrage komme. Völlig offen ist auch, ob derartige Abschiebe-Maßnahmen juristisch überhaupt möglich wären. (pen, ebu, mit dpa)

Rubriklistenbild: © Markus Gayk/dpa

Kommentare