„Deprimierend“
5 Dinge, die eine Kita-Erzieherin (von Eltern) fordert
Sie liebt ihren Job über alles und trotzdem stört sie einiges. Eine Kindheitspädagogin verrät, was sich ändern muss.
Der Personalmangel in den Kitas belastet nicht nur Erzieher und Erzieherinnen: Er sorgt auch dafür, dass in Deutschland trotz Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz rund 430.000 Kita-Plätze fehlen. Das spüren vor allem Eltern – hier neun Dinge, die du mit deinem Kind machen kannst, wenn es keinen Kitaplatz hat.
Eine Analyse der Bertelsmann Stiftung spricht von einer „Kita-Krise“ und mahnt dazu, attraktive Arbeitsbedingungen für Erzieher zu schaffen. Aber was bedeutet das eigentlich? Diese Frage hat BuzzFeed News Deutschland der 28-jährigen Erzieherin Hannah* aus Baden-Württemberg gestellt.
Erzieherin als Beruf: „Schade, dass dieser schöne Beruf so getrübt wird“
Hannah ist studierte Kindheitspädagogin, arbeitet seit etwa neun Jahren als Erzieherin im Schwabenländle und hat in ihrem Berufsleben schon verschiedene Einrichtungen durchlaufen: vom kleinen kirchlichen Kindergarten bis hin zur bilingualen privaten Kita und einer Einrichtung mit großem gemeinnützigen Träger war schon alles dabei.
„Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es extrem von der Kita abhängt, wie gut die Arbeitsbedingungen sind“, sagt Hannah. Sie betont, wie viel Spaß ihr die Arbeit als Erzieherin nach wie vor mache. „Ich liebe es, die Welt durch Kinderaugen jeden Tag neu zu entdecken. Es ist nur schade, dass dieser schöne Beruf so getrübt wird“, sagt sie.
Hannah sieht einige Dinge, die den Kita-Alltag „trüben“ und sich dringend ändern müssen. Im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland verrät sie, welche fünf Wünsche sie an Eltern, Arbeitgeber und Politik hat.
1. Keine kranken Kinder mehr
Besonders regt Hannah sich darüber auf, dass kranke Kinder in die Kita gesteckt werden. „Das ist der Hauptgrund, warum wir Erzieherinnen Probleme haben“, sagt die Pädagogin. Tatsächlich haben Erzieher laut einer Studie der Barmer-Krankenkasse pro Jahr zehn Krankheitstage mehr als der Durchschnitt.
Ihr sei klar, dass auch die Eltern im Job nicht fehlen wollen. „Aber warum ist es okay, wenn wir ausfallen?“ Wenn Eltern ihre kranken Kinder nicht in die Kita bringen würden, wäre der Personalmangel nur noch halb so schlimm – da ist sich Hannah sicher.
„Egal wie groß du die Aushänge machst, mit denen du auf Bindehautentzündung hinweist – die Kinder mit roten, vereiterten Augen kommen trotzdem und ihre Eltern lassen sich die witzigsten Ausreden einfallen“, sagt sie. „Das ist echt was, was mich mega ankotzt.” Sie sei ständig krank, so wie rund 50 Prozent ihrer Kollegen. „Ich bin 28 und frage mich schon jetzt, wie das weitergehen soll.”
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2. Mehr Verständnis
„Ich wünsche mir mehr Verständnis und Respekt von den Eltern. Von uns wird das schließlich auch erwartet“, sagt Hannah. „Habt bitte auch mal Verständnis für unseren Personalmangel, Verständnis, wenn man mal kein Gespräch zwischen Tür und Angel führen kann, weil man den Personalschlüssel sowieso nicht einhält und einen Raum nebenan gerade mehr als zehn Kinder alleine sind.“
Wie oft passiert ihr das? Hannah überlegt. Da der Personalschlüssel ständig geändert werde, könne sie es nicht genau sagen. „Ich hab schon das Gefühl, dass er nicht immer eingehalten wird.“ Als sie noch im kirchlichen Kindergarten gearbeitet habe, sei es passiert, dass sie mit 20 Kindern alleine in einem Raum gewesen sei. Eigentlich ein No-Go. „Wenn da was passiert, dann bin ich dran“, sagt Hannah.
In solchen Situationen können Erzieher und Erzieherinnen nicht mal aufs Klo gehen. „Das schränkt dich extrem ein. Wenn du voll besetzt bist, kannst du halt mal mit zwei Kindern spielen. Wenn du Personalmangel hast, musst du zu dem Kind sagen: ‚Ich kann dir jetzt das Buch nicht vorlesen, weil der muss aufs Klo, da streiten sich zwei und da fliegt was durch die Luft. Du bist da nur noch Aufseher und überhaupt nicht mehr pädagogische Fachkraft.“
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3. Mehr Mithilfe
Hannahs Tipp: Mit Kleinigkeiten können Eltern Erziehern den Kita-Alltag erleichtern und ihnen einiges an Arbeit abnehmen. Grade bei Sommerfesten, Nikolausfeierlichkeiten oder Laternenfesten sei es eine große Hilfe, wenn der Elternbeirat die Organisation übernehme – gerade wenn akuter Personalmangel herrsche.
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4. Mehr Gehaltsstufen
„Ich finde, dass das Gehalt reicht“, sagt Hannah. Aber natürlich sei auch das wieder eine sehr individuelle Wahrnehmung. „Es ist aber deprimierend, dass es sich nicht wirklich ändern wird“, ergänzt sie. In vielen Berufen steigen Angestellte nach ein paar Jahren auf und verbessern kontinuierlich ihr Gehalt.
Als Erzieherin gehe es zwar am Anfang relativ schnell, aber irgendwann sei Schluss mit den Gehaltsstufen. „Viele Kolleg:innen sagen, sie machen das nicht ewig, weil sie mehr Geld verdienen wollen. Wenn du dann noch den Personalmangel auffängst und ständig krank bist, dann verlierst du halt irgendwann die Lust und kündigst.“
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5. Mehr Gesundheitsvorsorge vom Arbeitgeber
„Es ist schon krass, wie sich die Kitas und Träger unterscheiden“, sagt Hannah. Momentan sei sie in einer Einrichtung, in der den Erziehern eine betriebliche Altersvorsorge (auf die auch du Anspruch hast), betriebliche Zusatzversicherung, Fachtage zur Entschleunigung und private Coachings zur Stressbewältigung bekommen. „Ich fühle mich so mehr gesehen und wahrgenommen“, sagt Hannah. Für sie sei das ein großes Plus.
„Bei den vergangenen Kitas, in denen ich gearbeitet habe, war es immer nur so, dass du funktionieren musstest, egal wie es dir ging“, erzählt Hannah. Ein enormer Unterschied zu ihrem jetzigen Arbeitgeber, der mentale und physische Gesundheit ernst nehme. „Da sollten Arbeitgeber heute schon darauf achten. Ist bestimmt kein Zufall, dass ich vom Personalmangel bei meiner aktuellen Stelle viel weniger mitbekomme, als bei der davor.“
*Hannah heißt in Wirklichkeit anders. Ihr voller Namen ist der Redaktion bekannt.
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