Tanken, Heizen wird teurer - zwei neue Steuern
„Vorgeführt“ - Merz nach Haushalts-Chaos rigoros: Scholz soll „Vertrauensfrage“ stellen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Ampel mit seinem Haushaltsurteil kalt erwischt. Fast vier Wochen brauchte sie für eine Lösung - und eine Nachtsitzung. Am Ende steht folgendes fest: Tanken und Heizen wird mal wieder deutlich teurer. Zudem soll es eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge eingeführt werden; und eine weitere Steuer.
Update, 16.26 Uhr - Merz fordert Scholz zum Stellen der Vertrauensfrage im Bundestag auf
Oppositionsführer Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, zu Beginn des kommenden Jahres im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. „Wie lange wollen Sie sich eigentlich noch von großen Teilen Ihrer Koalition, insbesondere von den Grünen auf der Nase herumtanzen lassen“, sagte der CDU-Vorsitzende am Mittwoch im Bundestag an die Adresse des Kanzlers nach dessen Regierungserklärung. „Sie gefährden doch den letzten Rest Ihres Ansehens, Ihrer Autorität im Inland wie im Ausland.“ Scholz werde „vorgeführt in der Koalition“.
Merz forderte Scholz auf, das Anfang November mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossene Paket zur Verringerung der illegalen Migration im Januar im Bundestag 1 zu 1 als Gesetzespaket vorzulegen - „und dass Sie dieses Paket dann mit der Vertrauensfrage verbinden, ob Sie überhaupt noch die Zustimmung Ihrer Koalition in diesen wesentlichen Fragen unseres Landes haben“. Der Vorsitzende der Unionsfraktion warnte: „Herr Bundeskanzler, wenn Sie das nicht machen, dann wird das nächste Jahr genauso chaotisch beginnen, wie das Jahr 2023 zu Ende geht.“
Dies könnten sich Bürger und Unternehmen einfach nicht mehr leisten, sagte Merz. „Dieses Land ist an der Leistungsgrenze angekommen. Es liegt in Ihrer Hand, das zu ändern.“
Mit Blick auf den soeben gefundenen Kompromiss der Ampel-Spitzen für den Bundeshaushalt 2024 warf der Oppositionsführer dem Kanzler „Tricksereien“ vor. Was Scholz zuvor zur Lage in der Ukraine gesagt habe, sei schon die Ankündigung, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und so die Schuldenbremse aussetzen wolle. Dies sei aber nach dem Grundgesetz nur bei einer unvorhersehbaren Notlage zulässig. „Diesen Trick lassen wir Ihnen nicht durchgehen“, kündigte Merz an.
Erstmeldung:
Nach tagelangen Verhandlungen haben die Spitzen der Ampel-Koalition eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. SPD, Grüne und FDP wollen nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an ihren zentralen Zielen festhalten, sehen sich aber nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zu Kürzungen und Einsparungen gezwungen. „Die machen wir nicht gerne, klar, sie sind aber nötig, damit wir mit dem Geld, was uns zur Verfügung steht, hinkommen“, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin.
Klimaschädliche Subventionen werden abgeschaff
Nach seiner Darstellung werden klimaschädliche Subventionen abgeschafft, Ausgaben einzelner Ressorts reduziert und Bundeszuschüsse verringert. Die Ampel prüfe auch eine Ausnahme von der Schuldenbremse für die weiteren Zahlungen für die von der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 betroffenen Menschen. Sie werde auf die Union als größte Oppositionsfraktion zugehen und um deren Unterstützung für diesen Schritt werben.
Der Kanzler bekräftigte die drei zentralen Ziele der Ampel-Koalition: „Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran. Wir stärken den sozialen Zusammenhalt. Und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland.“ Diese drei Ziele leiteten die Bundesregierung unverändert. „Klar ist aber, wir müssen mit deutlich weniger Geld auskommen, um diese Ziele zu erreichen.“
Lösung der Haushaltskrise?
Mit der Einigung, um die Scholz sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) tagelang gerungen hatten, gibt es fast vier Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Lösung der Haushaltskrise. Die Ampel-Spitzen hatten seitdem beraten, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat für das kommende Jahr gestopft werden kann. Außerdem ging es um die Finanzierung zahlreicher Investitionen in den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft.
Nach dem Urteil aus Karlsruhe fehlen 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, die für die nächsten Jahre schon fest eingeplant waren - allein 2024 rund 13 Milliarden Euro. Die Karlsruher Richter hatten eine Umwidmung im Etat von 2021 für nichtig erklärt und entschieden, dass die Bundesregierung Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf.
Tanken und Heizen wird teurer
Die Ampel will nun unter anderem den CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien anheben. Es werde auf den alten Preispfad der großen Koalition zurückgekehrt, sagten Habeck und Lindner am Mittwoch bei gemeinsamen Statements mit Scholz im Kanzleramt. Gestrichen werden soll ein eigentlich geplanter milliardenschwerer Zuschuss zu Entgelten für das Stromnetz, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen erfuhr. Der Abbau klimaschädlicher Subventionen soll laut Lindner einen Umfang von drei Milliarden Euro haben.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Tanken und Heizen wird für alle deutlich teurer: Die CO2-Abgabe steigt auf 45 Euro pro Tonne (derzeit 35 Euro) - im Jahr 2025 darauf sogar auf 55 Euro.
- Plastikverpackungen sollen besteuert werden: 1,4 Milliarden Euro sollen so kassiert werden, wobei noch unklar ist, wie heftig sich das auf die Endpreise durchschlägt.
- Offenbare Einführung einer Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge.
- Auch Steuervergünstigungen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, wie Agrardiesel, sollen wohl gestrichen werden.
- ---> Die Anhebung der CO2-Preise dürfte auch das allgemeine Leben aufgrund steigender Transportkosten deutlich teurer machen.
Die Ampel-Koalition will bis 2027 auch Klimaschutz- und Transformationsprojekte im Volumen von 45 Milliarden Euro kürzen. Der Klima- und Transformationsfonds bleibe das zentrale Instrument des Bundes für den klimaneutralen Umbau des Landes, sagte Scholz. Er habe noch immer ein Gesamtvolumen von 160 Milliarden Euro. Allein 2024 würden die Ausgaben aber um 12 Milliarden Euro verringert.
CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte in Bezug auf die Beschlüsse der Regierung, sie zeigten vor allem, dass der ländliche Raum und die Verbraucher „für dieses Ampel-Chaos zahlen müssen“. Es gebe zudem viele Worthülsen, aber wenig Konkretes. Die Ampel lasse die Menschen wieder ratlos zurück.
Förderung für den Kauf von Elektro-Autos früher als geplant auslaufen
Lindner betonte, es werde „keine Reduzierung von sozialen Standards geben“. Dennoch erreiche man durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen eine Einsparung von 1,5 Milliarden Euro. Als ein Beispiel nannte der FDP-Vorsitzende den Arbeitsmarkt. So sollten Geflüchtete aus der Ukraine besser vermittelt werden. Laut Habeck soll auch die Förderung für den Kauf von Elektro-Autos früher als geplant auslaufen. Bislang war das Jahr 2025 vorgesehen. Darüber hinaus werde es Kürzungen in der Solarindustrie geben. „Das tut mir weh“, sagte Habeck mit Blick auf beide Maßnahmen.
Die Spitzen der Koalition sicherten zugleich der Ukraine weitere und umfassende Hilfen zu. Diese Unterstützung werde aus dem Regelhaushalt gestemmt, „so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig“, sagte Scholz. Dazu zählten 8 Milliarden Euro für Waffen, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt und voraussichtlich mehr als 6 Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge hier in Deutschland. „Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen“, sagte Scholz.
Abschluss vor Weihnachten?
Eigentlich wollte die Ampel-Regierung den Etat 2024 unbedingt noch vor Jahresende beschließen, schon in der vergangenen Woche war aber klar, dass das wegen Beratungszeiten von Bundestag und Bundesrat nicht mehr gelingen wird. Nun könnte zumindest der Haushaltsausschuss des Bundestags seine Beratungen vor Weihnachten abschließen. Das hängt aber vom genauen Umfang der Änderungen am Etat ab. Im Januar könnte der Bundestag dann zur Haushaltswoche zusammenkommen und das Zahlenwerk beschließen, danach der Bundesrat grünes Licht geben.
So lange würde eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien jedoch bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.
mz/dpa
