Amokläufer von Hamburg wohl Ex-Mitglied der Zeugen Jehovas
Amokläufer stammt aus Bayern - Behörden wurden vor Philipp F. gewarnt
Hamburg – Hamburg steht unter Schock. Ein Amoklauf am Donnerstagabend (9. März) bei den „Zeugen Jehovas“ hat mindestens acht Todesopfer und ebenso viele Schwerverletzte gefordert. Auch am Tag nach der Tat sind viele Fragen noch offen:
Das Wichtigste in Kürze:
- Amoklauf am Donnerstagabend (9. März) im Hamburg-Alsterdorf
- Mindestens acht Tote und zahlreiche Verletzte, Täter wohl tot
- Details, Hintergründe und Motiv am Freitagmorgen unklar
Update, 15.23 Uhr - Amokläufer stammt aus Memmingen
Nun wurde es von offizieller Seite bestätigt. Der Amoktäter von Hamburg stammt aus dem bayerischen Memmingen. Studiert habe er in München, sagte der Leiter des Staatsschutzes Hamburg, Thomas Radszuweit. Seit 2015 ist er dpa-Informationen zufolge in Hamburg gemeldet - dort ist auch seine Beratungsfirma gemeldet -, aufgewachsen ist er demnach in Kempten im Allgäu.
Update, 13.41 Uhr - Behörden wurden vor Amokläufer von Hamburg gewarnt
Die Waffenbehörde hat nach Angaben des Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. erhalten. Der 35-Jährige soll laut Polizei am Donnerstagabend im Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg sieben Menschen und sich selbst erschossen haben.
Laut des unbekannten Schreibers sei das Ziel gewesen, das Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Philipp F. überprüfen zu lassen, sagte Meyer am Freitag bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Staatsanwaltschaft und Innenbehörde.
Die unbekannte Person habe ferner geschrieben, dass die psychische Erkrankung von F. möglicherweise ärztlich nicht diagnostiziert sei, da sich F. nicht in ärztliche Behandlung begebe. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegen die Zeugen Jehovas und auf seinen ehemaligen Arbeitgeber gehegt, sagte Meyer.
Die Beamten der Waffenbehörde hätten nach dem Hinweis weiter recherchiert. Anfang Februar wurde F. von zwei Beamten der Waffenbehörde unangekündigt aufgesucht. Dies sei eine Standardkontrolle gewesen, die nach einem anonymen Hinweis erfolgt. F. habe sich kooperativ gezeigt, sagte Meyer. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.
Seit dem 12. Dezember 2022 hat sich F. laut Meyer im legalen Besitz einer halbautomatischen Waffe befunden. Es handelt sich auch um die Tatwaffe.
Update, 12.35 Uhr - Details zu Täter und Opfern
Polizei und Staatsanwaltschaft haben auf einer Pressekonferenz erste weiterführende Erkenntnisse zu der schrecklichen Tat veröffentlicht. Dabei wurde bestätigt, dass es sich bei dem Täter um Philipp F. handelt, einem ehemaligen Mitglied der Zeugen Jehovas. Der 35-Jährige besaß die Tatwaffe, eine Waffe der Marke Heckler & Koch, legal, da er eine entsprechende Sportschützenlizenz besaß. Zum Amoklauf kam F. schwer bewaffnet. Laut Polizei wurden in dem Gebäude insgesamt neun leergefeuerte Magazine (á 15 Schuss) gefunden. Außerdem hatte der Täter noch zwei weitere volle Magazine an seinem Gürtel und 20 weitere in seinem Rucksack. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurden weitere Magazine und Munition gefunden.
Auch zu den Opfern gibt es nun neue Informationen: Demnach starben neben dem Täter vier Männer und drei Frauen, alles deutsche Staatsbürger, im Alter zwischen 33 und 60 Jahren. Außerdem wurde ein ungeborenes Kind (in der 28. Woche) durch Schüsse getötet. Insgesamt acht Menschen, sechs Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 23 und 46 Jahren, wurden schwer verletzt. Vier davon schweben noch in Lebensgefahr. Sie haben laut Polizei „multiple Schussverletzungen“ erlitten.
Update, 12 Uhr - Live-PK zum Amoklauf von Hamburg
Die Hamburger Innenbehörde, die Staatsanwaltschaft und die Polizei geben auf einer Pressekonferenz mehr Details zum Amoklauf bekannt.
Kurz zuvor wurde bekannt, dass der mutmaßliche Schütze nicht als Extremist bekannt war. Dass sein Name dennoch in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden auftauchte, hat dem Vernehmen nach auch keinen kriminellen Hintergrund, sondern damit zu tun, dass er eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt haben soll. Dafür ist immer auch eine Abfrage der Zuverlässigkeit nötig, bei der Bezüge zu Straftaten und Extremismus geprüft werden.
Der Täter soll mehreren Medienberichten zufolge um kurz nach 21 Uhr ein Fenster des Gemeindehauses der Zeugen Jehovas eingeschossen und anschließend hier weitere Schüsse abgegeben haben. Danach sei er in das Gebäude eingestiegen und habe weiter um sich geschossen.
Update, 10.57 Uhr - Philipp F. (35) feuerte ein komplettes Magazin ab
Laut Informationen der „Hamburger Morgenpost“ waren insgesamt 40 Menschen bei der Veranstaltung im „Königreichssaal“ der Zeugen Jehovas zu Gast. Die Tat mit mindestens acht Todesopfern habe sich nach einem Gottesdienst der Gemeinde ereignete. Unter den Opfern soll auch ein ungeborenes Kind sein. Die schwangere Frau sei von einem Bauchschuss getroffen worden.
Wie die „Bild-Zeitung“ berichtet, soll es sich bei dem Täter um Philipp F. (35) handeln. Er war nach Informationen von focus.de offenbar ein ehemaliges Mitglied der Zeugen-Jehovas-Gemeinde. Laut „Hamburger Abendblatt“ war er vor etwa eineinhalb Jahren aus der Gemeinschaft ausgeschlossen worden - die Hintergründe sind bislang nicht bekannt. Philipp F. führte eine Unternehmensberatung und war selbstständig tätig.
Nach Polizeiangaben soll unter den Toten auch der mutmaßliche Täter sein.
Dem „Hamburger Abendblatt“ zufolge hatte er bei seiner Tat eine Pistole und mehrere Magazine dabei. Ein Magazin soll er während der Tat komplett entleert haben.
Update, 9.49 Uhr - Acht Menschen nach Schüssen in Hamburg tot - darunter auch Täter
Bei den Schüssen in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg sind nach Angaben der Polizei vom Freitagmorgen acht Menschen tödlich verletzt worden. Unter den Toten sei „offenbar auch der mutmaßliche Täter“, wie die Polizei Hamburg auf ihrer Internetseite mitteilte. „Weitere Menschen wurden durch die Tat zum Teil schwer verletzt“, heißt es weiter.
Nach Informationen aus Sicherheitskreisen stufte die Polizei die Tat als Amoklauf ein.
Wie der „Spiegel“ berichtet, soll es sich bei dem Täter um einen 30 bis 40 Jahre alten Mann handeln, der ehemaliges Mitglied der Gemeinde der Zeugen Jehovas war. Tatwaffe war demnach eine Pistole. Die Polizei konnte am Freitagmorgen dazu jedoch keine Angaben machen - weder zu dem mutmaßlichen Täter noch zum genauen Tathergang.
Die Hamburger Innenbehörde, die Staatsanwaltschaft und die Polizei wollen am Freitagmittag mehr Details bekannt geben. Eine Pressekonferenz ist für 12 Uhr im Polizeipräsidium am Bruno-Georges-Platz geplant.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Angriff in einem Tweet als brutale Gewalttat bezeichnet.
Schlimme Nachrichten aus #Hamburg. Mehrere Mitglieder einer Jehova-Gemeinde sind gestern Abend einer brutalen Gewalttat zum Opfer gefallen. Meine Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen. Und bei den Sicherheitskräften, die einen schweren Einsatz hinter sich haben.
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) March 10, 2023
Die Polizei äußerte sich bislang noch nicht detailliert zu den Opfern.
Update, 8.45 Uhr - Augenzeugen zeigen sich schockiert: „Menschen in schwarzen Säcken abtransportiert“
Noch am Donnerstagabend haben sich Zeugen gegenüber der Bildzeitung zu den Vorfällen im Hamburger Stadteil Alsterdorf geäußert. In einem Video-Interview erklärt ein Mann: „Es war wie eine Explosion, es war schon sehr heftig gewesen“. Es seien zwölf durchgehende Schüsse gewesen. Im Anschluss „haben wir gesehen, dass Menschen mit schwarzen Säcken abtransportiert“ wurden.
„Für mich ist das sehr traurig, dass Menschen sterben müssen“, ergänzt der Zeuge, der einen religiösen Beweggrund hinter der Tat vermutet. Ein weiterer Augenzeuge zeigt sich im Gespräch ebenfalls schockiert: „Das war schon ziemlich heftig, diese zwölf Schüsse, die gefallen sind.“ Auch er habe sich nicht vorstellen können, dass „ich sowas mal erleben muss, da wo ich wohne.“
Die Hintergründe der Schüsse während der Veranstaltung der Zeugen Jehovas sind nach Angaben der Hamburger Polizei noch weiter unklar. Über eine amtliche Gefahrendurchsage der Behörde für Inneres in Hamburg wurden Anwohner und Bürger am Donnerstagabend gewarnt. Es war die Rede von einer „extremen Gefahr“. „Am heutigen Tage gegen 21.00 Uhr schoss(en) ein oder mehrere unbekannte Täter auf Personen in einer Kirche“, hieß es in dem Text einer Katastrophen-Warn-App. „Suchen Sie sofort Schutz in einem Gebäude“. Telefonieren Sie nur im äußersten Notfall, damit die Leitungen nicht zusammenbrechen“, hieß es.
Erstmeldung:
Während der Veranstaltung im „Königreichsaal“ am Donnerstagabend waren mehrere Menschen durch Schüsse getötet oder verletzt worden. Laut neuesten Informationen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) kamen dabei acht Menschen ums Leben. Zuvor war längere Zeit von „sechs oder sieben Todesopfern“ die Rede. Mindestens acht Menschen wurden teils schwer verletzt. Zur genauen Zahl der Toten äußerte sich die Polizei zunächst nur sehr zurückhaltend. „Es ist nach ersten Erkenntnissen so, dass mehrere Tote unter den Opfern zu beklagen sind“, sagte ein Polizeisprecher.
Unter den Toten dürfte sich möglicherweise auch der Täter befinden, der sich nach dem Amoklauf selbst erschossen haben könnte. „Es gibt Hinweise darauf, dass es der Täter sein könnte. Aber ob es wirklich der Täter gewesen ist, das ist noch unklar“, so der Polizeisprecher. Es gebe derzeit keinen Hinweis auf einen anderen oder einen flüchtigen Täter, hieß es weiter. rosenheim24.de hatte bereits darüber berichtet. Berichtet wird am Freitagmorgen auch, dass der Täter zunächst von außen durch ein Fenster in den Saal gefeuert und anschließend dort weiter um sich geschossen haben soll.
Menschen an Händen und Füßen aus Haus getragen
Darüber hinaus sind auch noch viele weitere Fragen unklar – unter anderem Hergang, Hintergründe und Motiv der Bluttat sowie Details zur Identität des möglichen Täters. Unklar ist auch, welche Art von Veranstaltung am Abend bei den Zeugen Jehovas abgehalten wurde und wie viele Menschen sich zum Tatzeitpunkt im Gebäude befanden. Eine Zeugin aus der Nachbarschaft hatte vor Ort fürchterliche Szenen geschildert: „Es waren ungefähr vier Schussperioden. In diesen Perioden fielen immer mehrere Schüsse, etwa im Abstand von 20 Sekunden bis einer Minute.“ Die Studentin weiter: „Ich habe dann weiter aus dem Fenster geschaut und bei den Zeugen Jehovas eine Person ganz hektisch vom Erdgeschoss ins erste Geschoss laufen sehen.“ Später seien Menschen von Polizisten an Händen und Füßen auf die Straße getragen worden.
Die Ermittlungen am Tatort im Stadtteil Alsterdorf liefen die ganze Nacht weiter. Wie die Deutsche Presseagentur (dpa) nun berichtet, konnte die Spurensicherung erst vier Stunden nach dem Blutbad den Tatort betreten. Um 4.15 Uhr am Freitagmorgen (10. März) waren die Kräfte immer noch in dem dreistöckigen Gewerbegebäude unterwegs, wurde von vor Ort berichtet. Streifenwagen hatten den Tatort zuvor weiträumig abgesperrt. Beamte mit Maschinenpistolen sicherten den Bereich zusätzlich ab, nachdem laut Bild am Tatabend sogar mindestens noch ein Schuss gefallen war, als die Polizei bereits vor Ort war. Die Beamten waren mit einem riesigen Aufgebot samt SEK und Bombenräumkommando angerückt.
Polizei-Großeinsatz nach Amoklauf bei Zeugen Jehovas in Hamburg




Derweil laufen auch die weiteren Ermittlungen auf Hochtouren. Details zur Tat und zum Stand der Erkenntnisse wollen Polizei und Behörden am Mittag bekannt geben. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte für diesen Zeitpunkt eine Pressekonferenz an. Die Polizei hatte das Blutbad noch in der Nacht als Amoklauf eingestuft. Zudem wurde ein Hinweisportal eingerichtet (https://hh.hinweisportal.de). „Dort können Fotos und Videos zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochgeladen werden“, teilte die Polizei Hamburg auf Twitter mit.
Innenministerin und Bürgermeister bestürzt
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich in einer ersten Reaktion „erschüttert“. „Meine Gedanken sind in dieser schweren Stunde bei den Opfern und ihren Angehörigen, bei den Gemeindemitgliedern und auch bei den Einsatzkräften“, sagte Faeser der dpa. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeigte sich ebenfalls bestürzt. „Die Meldungen aus Alsterdorf/Groß Borstel sind erschütternd. Den Angehörigen der Opfer gilt mein tiefes Mitgefühl“, schrieb das Stadtoberhaupt bei Twitter.
Die Meldungen aus Alsterdorf / Groß Borstel sind erschütternd. Den Angehörigen der Opfer gilt mein tiefes Mitgefühl. Die Einsatzkräfte arbeiten mit Hochdruck an der Verfolgung des / der Täter & der Aufklärung der Hintergründe. Bitte beachten Sie die Hinweise der @PolizeiHamburg. https://t.co/38UcdguLzH
— Peter Tschentscher (@TschenPe) March 9, 2023
Hintergrund: Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Die Anhänger glauben an Jehova als „allmächtigen Gott und Schöpfer“ und sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden. Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Die „Weltzentrale“ ist in New York. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200.000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa.
mw (teilweise mit Material von dpa)