Auswanderer
„Wir bereuen nichts“: Rentner aus NRW wandern nach Bulgarien aus
Das Geld in Deutschland wird knapp. Also wandern die Geschwister Carola und Oliver Leue aus Kamen nach Bulgarien aus. In Lozen finden die Rentner eine neue Heimat.
Hamm – „Ich hätte in Deutschland nicht länger leben können“, sagt Carola Leue aus Kamen bei Hamm in Nordrhein-Westfalen. Die 62-jährige Rentnerin ist mit ihrem Bruder Oliver (61) im April 2023 nach Bulgarien ausgewandert. „Wir bereuen nichts und haben alles richtig gemacht“, sagt sie im Gespräch mit wa.de. Ihr neues Leben bietet ihr viele Vorzüge, sie kann es endlich wieder genießen. In der alten Heimat hingegen kratzte sie am Existenzminimum.
Die Rente genießen: Geschwisterpaar aus Kamen wandert nach Bulgarien aus
„Ich hatte gerade mal 180 Euro im Monat zum Leben übrig von meiner Erwerbsminderungsrente“, sagt sie. Ihr Bruder, ein ehemaliger Bergmann, habe sie daher unterstützt. „Auf Dauer wäre das aber nicht gegangen. Wir haben also nach einem günstigen Land geschaut, in das wir auswandern können“, erzählt sie.
Schnell seien sie dabei auf die Seite von Yordan Milanov gestoßen – ein echter Glückstreffer für die Geschwister. Jetzt kann sie wieder leben: „In Bulgarien bleiben locker 300 bis 400 Euro übrig. Damit komme ich hier aber auch wesentlich weiter – ein gutes Essen für zwei Personen kostet im Restaurant zum Beispiel nur 17 Euro.“
„Rentnerglück“ in Bulgarien
Yordan Milanov möchte nach eigenen Angaben ein „kleines Stück Deutschland in Bulgarien“ schaffen. Dazu kauft er Häuser in seinem Heimatdorf Lozen auf und renoviert sie.
Die Häuser haben einen eigenen Garten mit einer Fläche von 1.000 bis 2.000 m². „Auch für die Bewohner mit einem grünen Daumen und Spaß am Garten ist genug Platz“, meint Milanov.
Die Häuser sind klein, aber ausreichend ausgestattet: Jedes Haus besteht aus einem Schlafzimmer sowie einem Esszimmer mit einer Kochnische. Hinzu kommen Flur und Bad.
Vermieter Milanov hat fast 20 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet, beherrscht beide Sprachen, kennt beide Kulturen. „Im Jahr 2018 habe ich Reportagen gesehen über deutsche Rentner, die nach Bulgarien auswandern. Die bleiben aber alleine und haben keine Unterstützung. Sie müssen sich Dolmetscher suchen, mit den Behörden klappt es auch oft nicht“, erklärt er auf wa.de-Nachfrage. Die hätten dann schnell „die Schnauze voll“, sagt er und lacht. Er wollte es anders machen.
Vermieter möchte Rentner in Bulgarien „in einer Gemeinschaft vereinigen“
„Warum nicht die Auswanderer in einer Gemeinschaft vereinigen? Hier sind sie zusammen und können sich gegenseitig unterstützen. Es ist für sie leichter. Ich unterstütze die Leute vor Ort – überall dort eigentlich, wo Bulgarisch gesprochen werden muss“, sagt Yordan Milanov. Für die Geschwister Carola und Oliver Leue aus Kamen ein Segen.
„Wir haben unseren Vermieter, den Herrn Yordan Milanov, der mittlerweile auch unser Freund ist und uns überall hinbegleitet, wo wir auf seine Hilfe angewiesen sind. Die anderen Deutschen in Bulgarien, die wir über Facebook-Gruppen oder so kennengelernt haben, haben zum Teil große Schwierigkeiten bei Behördengängen“, sagt sie und ergänzt: „Hier bei uns klappt das aber wunderbar.“ Kein Wunder also, dass es den beiden leicht fiel, die Brücken nach Deutschland zu kappen.
Rentner aus Kamen sind komplett nach Lozen in Bulgarien gezogen
Die Familienmitglieder seien zwar „erstmal platt“ gewesen, als sie ihnen von ihren Plänen erzählt hätten. Das Projekt Auswanderung sei aber nicht neu gewesen. Für ein Kennenlernen flogen sie im November 2022 kurz ins kleine Lozen nach Bulgarien, verliebten sich sofort in die neue Heimat. Im April 2023 folgte der Umzug. „Wir haben alle Wohnungen in Deutschland aufgegeben und sind dort nicht mehr gemeldet“, sagt Carola Leue. Sie sind mit die ersten, ein paar andere Deutsche wohnen schon in dem Dorf. Die Mieten pro Monat und Haus sind vergleichsweise gering:
- eine allein wohnende Person im Haus zahlt ab 490 Euro pro Haus (kalt)
- ein zweiköpfiger Haushalt zahlt ab 590 Euro pro Haus (kalt)
- drei Personen in einem Haus zahlen ab 660 Euro (kalt)
- die Nebenkosten pro Haus (Strom, Wasser, Internet) betragen etwa 50 bis 95 Euro pro Monat (abhängig von der Jahreszeit)
„So wirklich begonnen“, sagt Vermieter Milanov, „habe ich im Oktober 2022. Die erste Bewohnerin war Anita aus Darmstadt, Birgit und Markus sind im Februar angereist und Mitte April dann noch Carola und Oliver.“ Die Nachfrage sei vorhanden, das Projekt stehe aber noch am Anfang. „Leere Häuser gibt es hier leider genug in meinem Heimatdorf. Ich habe sie aufgekauft und renoviert, im nächsten Jahr werde ich noch drei oder vier weitere renovieren“, sagt Milanov. Sein Traum: „Ich hoffe, dass hier ein kleines Stück Deutschland entsteht.“
Carola und Oliver Leute aus Kamen genießen ihre Rente in Bulgarien
Carola und Oliver Leue, die sich im Jahr 2024 noch auf eine saftige Rentenerhöhung freuen können, jedenfalls genießen ihr neues Leben, sitzen mit den Nachbarn im gemeinsamen Pool oder erkunden die Natur. „Mein Bruder und ich haben je einen Hund. Für die ist es natürlich auch herrlich hier – wir können kilometerweit mit ihnen laufen und die Natur genießen“, sagt Carola Leute. Die sei sowieso der Wahnsinn, meint sie. „Manchmal laufen einem einfach Schildkröten über den Weg, abends heulen die Kojoten, und es gibt Vögel, die habe ich vorher noch nie in meinem Leben gesehen. Manchmal spaziert sogar ein riesiger Storch durch den Garten“, sagt sie.
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Es scheint schlechtere Orte zu geben, an denen man seine Rente – für Rentner endet bald die Frist für den Antrag eines Härtefallfonds – verbringen kann. Carola und Oliver Leue aus Kamen jedenfalls bereuen nichts.
Wer übrigens früh in Rente gehen möchte, muss Abstriche machen und benötigt einen langfristigen Plan. Doch wie viel Nettogehalt und Ersparnis braucht ein Rentner mit 45 Jahren? wa.de hat es nachgerechnet.
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