Bauernproteste
Mehr als nur Agrardiesel: Mit welchen Problemen Landwirte zu kämpfen haben
Die Bauernproteste haben eines verdeutlicht: Unter den Landwirten gärt eine Unzufriedenheit. Dabei geht es um weit mehr als um Agrardieselbeihilfen. Landwirte aus Hessen erklären, wo der Schuh sonst noch drückt – oder besser der Gummistiefel, der zum Symbol der Proteste geworden ist.
Fulda/Schüchtern - Mangelnde Planungssicherheit, Forderungen des Handels und eine überbordende Bürokratie gehören für Mark Trageser zum Alltag. Der 38-Jährige hat von seinem Vater einen landwirtschaftlichen Betrieb in Linsengericht übernommen. 120 Milchkühe, 300 Hektar Fläche.
Bauernproteste: Womit Landwirte in Hessen zu kämpfen haben
Für ihn ist der Beruf des Landwirts trotzdem der schönste, den es gibt: „Der tägliche Umgang mit Tier und Natur, der Umgang mit den natürlichen Ressourcen, ist das, was ich an diesem Job liebe“, sagt Trageser, der außerdem Vorsitzender des Kreisbauernverbands im Main-Kinzig-Kreis ist, im Gespräch mit fuldaerzeitung.de. In dieser Funktion bekommt er einen guten Einblick, mit welchen Herausforderungen Landwirte in der Region zu kämpfen haben.
„Es sind sehr viele Baustellen. Es gibt immer wieder neue Auflagen. Zum Teil sind das Sachen, die dem widersprechen, was wir gelernt haben“, sagt Trageser und nennt ein Beispiel: Bei der Düngeverordnung gibt es seit einiger Zeit die Vorgabe, dass aufgrund des Grundwasserschutzes bei Frost keine organische oder mineralische Düngung auf die Felder ausgebracht werden darf. „Als Landwirt lernt man aber, dass es bei leichtem Frost sinnvoll ist, Mist zu fahren, weil man so den Boden weniger beschädigt. Das sind so Kleinigkeiten, die bei den Bauern für Unverständnis sorgen.“
Neue Verpflichtungen zum Beispiel beim Bau eines Stalls, brächten ebenfalls Probleme: „Man muss neue Ställe bauen, um die Abstände nicht zu unterschreiten, aber man erhält manchmal gar keine Genehmigung von den Behörden. Dazu kommt, dass die Baukosten so angestiegen sind, dass sich das wirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt.“
Auch die Bürokratie macht es den Landwirten schwer: So gibt es viele kleinteilige Regelungen zu Aussaatzeiträumen, Pflanzenschutz, Düngung, Vorgaben zum Insekten- und Vogelschutz sowie zur Stilllegung von Ackerflächen – das alles muss dokumentiert werden, auch um Agrarfördermittel beantragen zu können.
Zudem werden die für die Landwirtschaft zur Verfügung stehenden Flächen immer weniger – etwa durch Photovoltaik-Anlagen auf den Feldern. „70 Prozent der bewirtschafteten Flächen sind gepachtet. Und die Photovoltaik-Firmen zahlen Preise, die für die Landwirte niemals zu erwirtschaften sind“, sagt Trageser.
Vor zwei Monaten hätte ich noch gesagt, dass es eine mangelnde Wertschätzung in der Bevölkerung gibt. Aber seit den Protesten habe ich das Gefühl nicht mehr.
Das Aus für die Höfe hat oft aber einen ganz simplen Grund: Es gibt keinen Nachfolger. „Ich kenne viele, die aufgehört haben, weil die Kinder die Landwirtschaft nicht weitermachen wollten“, sagt Trageser. „Es fehlt vielen Höfen die Zukunftsperspektive. In der Industrie werden Arbeitskräfte gesucht, die dann ganz andere Einkommensmöglichkeiten haben.“
Und auch der Wolf mache den Landwirten in der Region zu schaffen. „Die städtische Bevölkerung hätte den Wolf gerne, aber die ländliche Bevölkerung muss damit kämpfen. Hier werden wir im Stich gelassen.“ Dabei seien nicht allein die Wolfsrisse das Problem: „Wenn ein Wolf erst einmal in einer Herde war, sind die Tiere oftmals verstört.“
Das sieht auch Thomas Schneider (40) vom Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld so. „Wir brauchen ein Wolfsmanagement mit einer Regulierung, die die Weidetierhaltung in der Rhön auch in Zukunft gewährleistet.“ Schneider betreibt eine Nebenerwerbslandwirtschaft in Giesel mit ein paar Rindern, Schweinen, Schafen, Hühnern und Pferden. Er fügt noch andere Herausforderungen an: extreme Wetterereignisse mit Ernteausfällen sowie die Preisgestaltung beispielsweise bei der Milch.
Davon kann auch Trageser ein Lied singen. Er ist im Molkereiverband und sagt: „Es gibt vier große Händler – Lidl, Aldi, Edeka und Rewe –, die alle immer ein paar Cent günstiger sein wollen als die Konkurrenz. Für die 70 Molkereien in Deutschland ist das eine schwierige Verhandlungsposition.“ Derzeit bekomme ein Milchbauer 40 Cent pro Liter.
Auch der Preiswettbewerb im globalisierten Agrarmarkt bringt Schwierigkeiten. Bauer Michael Schneller (61) aus Niddatal-Assenheim in der Wetterau bekommt das aktuell zu spüren: Er hat in seinem Silo Weizen aus den vergangenen Jahren eingelagert. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine waren die Weizenpreise teils drastisch auf um die 400 Euro pro Tonne gestiegen – jetzt liege der Preis mit gut 200 Euro je Tonne noch unter dem Vorkriegsniveau, weil derzeit massenhaft zollfreier Weizen aus der Ukraine auf den Markt komme.
Höfesterben, Planungssicherheit und Wolf: Landwirte stehen vor Herausforderungen
Preisrückgänge von 20 bis 30 Euro je Tonne Weizen bedeuten für den Landwirt tausende Euro an Einnahmeeinbußen – und das bei deutlich gestiegenen Produktionskosten. Die Bauern seien bei vielen Produkten solchen Schwankungen ausgesetzt. Deshalb brauche es Unterstützung durch die Politik und weiterhin auch Beihilfen, sagt Schneller.
Von seinen Erträgen von rund 300.000 Euro bleiben Schneller pro Jahr zwischen 50.000 und 100.000 Euro übrig, das schwanke stark von Jahr zu Jahr. Davon gehen jedoch noch Posten wie die Sozialversicherung und die Verzinsung für das eingesetzte Kapital ab, das in Gebäuden, Maschinen und im Grund und Boden stecke, sowie Investitionen ab. Die geplante Abschaffung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel würde ihn etwa 2000 bis 3000 Euro jährlich kosten.
Für Mark Trageser wären es sogar 10.000 Euro pro Jahr. „Auch wenn es jetzt schrittweise wegfällt, letztlich fällt es weg. Das ist Geld, mit dem ich meine beiden Mitarbeiter zwei Monate lang bezahlen kann.“
Gegen die Pläne der Politik kommt es seit Wochen vielerorts zu Protesten der Landwirte und Traktor-Sternfahrten.
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