Tradition geht bis ins 14. Jahrhundert zurück
Diese Stadt in Baden-Württemberg hat ihren eigenen Nationalfeiertag
Schulschluss schon am späten Vormittag, etliche Betriebe arbeiten nur halbtags: In Ulm ticken am vorletzten Montag im Juli die Uhren immer etwas anders. Dann wird Schwörmontag gefeiert, eine Tradition, die bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht.
Am Schwörmontag stehen in Ulm mehr oder weniger die Uhren still. Zumindest könnte man angesichts der Menschenmassen den Eindruck gewinnen, dass sich die gesamte Einwohnerschaft an diesem Tag in Richtung Innenstadt und an die Donau begibt, um den „Nationalfeiertag“ der Ulmer zu zelebrieren. Nicht umsonst gilt daher der Schwörmontag als der „Tag der Ulmer“ - und wer sich irgendwie freinehmen kann an diesem Juli-Montag, der ist dann auch irgendwo in der Stadt unterwegs.
Ein zentraler Programmpunkt des Schwörmontags ist immer die Schwörfeier im Weinhof, bei der der Ulmer Oberbürgermeister Rechenschaft ablegen muss über das Geleistete des vergangenen Jahres seit der vorherigen Schwörfeier. Im Anschluss erhebt er die rechte Hand und gelobt „dem Stadtvolk, Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein in allen gleichen, gemeinsamen und redlichen Dingen ohne allen Vorbehalt, so wahr ihm Gott helfe“. Das ist die Schwörformel, mit der die jährliche Schwörrede endet.
Eine Stadt im Ausnahmezustand
Doch die Schwörfeier ist nur ein kleiner Teil des eigentlichen Ulmer Nationalfeiertags - und hat vor allem politischen Symbolwert und deshalb Tradition bis heute. Der Schwörmontag in Ulm hat sich vielmehr zu einem karnevalesken Volksfest mit umfangreichem Rahmenprogramm entwickelt. Schon am gesamten Wochenende zuvor befindet sich die Stadt im Ausnahmezustand, auch musikalisch gibt es auf dem Münsterplatz traditionell Weltstars der Musik zu erleben. In diesem Jahr kommt zum Beispiel der italienische Pop-Superstar Zucchero zum Schwörkonzert, in den vergangenen Jahren rockten unter anderem Die Fantastischen Vier und Toto die Bühne auf dem Münsterplatz. Die für das Corona-Jahr 2020 vorgesehenen Mark Forster und Wincent Weiss konnten auch 2021 aufgrund der Pandemie nicht am Schwörwochenende auftreten. Deren Konzerte fanden aber dennoch 2021 statt - wenn auch stattdessen auf dem benachbarten Neu-Ulmer Wiley-Gelände.
Der Schwörmontag ist in Ulm eine riesige Freiluft-Party - wobei die größte Party von allen Jahr für Jahr auf der Donau stattfindet. Immer am Montagnachmittag (sofern das Wetter und die Strömung des zweitlängsten Flusses der Bundesrepublik das zulassen) fällt der Startschuss zum Nabada (= Hinab-Baden). Dieses feuchtfröhliche Treiben auf dem Wasser kann teils mehrere Stunden dauern. Und während die einen mit hochprofessionell gebauten Flößen die Donau hinabschippern, die „Ulmer Schachtel“ auch immer noch für das bunte und alleweil verrückt anmutende Geschehen gerne genutzt wird und die Themenboote mit ihren lokalen wie überregionalen Botschaften oftmals für Belustigungen bei Teilnehmern wie auch Zuschauern an den völlig überfüllten Donauufern sorgen, hat der eine oder andere auf seiner Bootsfahrt im Schlauchboot schon die eine oder andere Flasche Bier zu viel getrunken und steigt dann in der Friedrichsau mit eher wackligen Beinen aus dem Wasser.
Live-Konzerte überall im Stadtgebiet
Trotz des reichlich fließenden Alkohols geht es beim Schwörmontag im und am Wasser wie auch bei den abendlichen Feiern überall im Stadtgebiet und beim Volksfest in der Friedrichsau im Großen und Ganzen friedlich zu. Noch in den 1980er-Jahren zog es die erwachsenen Besucher eher in Ulms größte Parkanlage, um dort den Schwörmontag zu begießen und zu beenden. Mittlerweile gleicht eher die Innenstadt rund um den Münster- und Rathausplatz einem Hexenkessel: An etwa einem Dutzend Plätzen werden Live-Konzerte für jeden Geschmack gespielt.
Ein Highlight der Schwörwoche ist immer auch die Lichterserenade auf der Donau, bei der am Schwörsamstag 8000 Lichter aus den „Ulmer Schachteln“ aufs Wasser gesetzt werden und somit für ein Lichterspiel der besonderen Art sorgen. Alle vier Jahre findet zudem das Fischerstechen statt - und ebenfalls, alternierend, alle vier Jahre der Ulmer Bindertanz.
Bis heute ist der Schwörmontag für die Ulmer der wichtigste Festtag des Jahres - und hat damit fast schon acht Jahrhunderte überdauert. Übrigens hat der Ulmer Schwörtag auch als einziger das Ende der Reichsstädte auf deutschem Gebiet überlebt – und ist vielleicht auch deshalb heute für Einheimische und Gäste ein absoluter Pflichttermin.
Wen es am Schwörmontag bei im Idealfall bestem Sommerwetter nach Ulm zieht und Lust auf eine süße Verführung hat, sollte sich unbedingt diese fünf der besten Eiscafés und Eisdielen in Ulm anschauen.
Die Ulmer Schwörformel - eine Tradition seit 1345
Die Schwörformel, die der Oberbürgermeister der Stadt Ulm ans Ende seiner Schwörrede packt, ist mindestens sechseinhalb Jahrhunderte alt. Sie steht bereits in der ersten Verfassung, die in Ulm alljährlich nicht nur vom Bürgermeister, sondern auch von der Bürgerschaft beschworen und höchstwahrscheinlich im Jahr 1345 verabschiedet wurde. Damals gelobte der Bürgermeister auf Mittelhochdeutsch, „ain gemainer man ze sin richen und armen uf alliu gemainiu und redlichiu ding“.
