OVB-Leserforum
Diskussion um Jugendschöffen-Kandidatur von AfD-Mann: Das sagen OVB-Leser
Martin Wieser, Bezirksrat, Kreisrat und stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Mühldorf will Jugendschöffe werden. Das sorgt für Diskussionen - nicht nur im Jugendhilfeausschuss, sondern auch bei OVB-Lesern.
Kerstin Daser (Obertaufkirchen): Leser Andreas Wahrlich schreibt in seinem Brief an die Redaktion, die Kreisrätin Gabriele Blechta von den Grünen hätte bei der Sitzung des Jugendhilfeausschusses nachgefragt, ob die Parteizugehörigkeit Wiesers dem Gericht bekannt sei. Gabriele Blechta ist nicht Kreisrätin der Grünen, sondern Fachdienstleiterin bei der Caritas, wie eine schnelle Internetrecherche auch Herrn Wahrlich gezeigt hätte. Darüber hinaus bin ich jedoch sehr froh, dass wenigstens die grüne Kreisrätin Lena Koch gegen die Vorschlagsliste gestimmt hat! Allerdings sehr erschreckend, dass es nur zwei Gegenstimmen gegen diesen Vorschlag gegeben hat. Landrat Max Heimerl betonte zwar, die formale Eignung Wiesers sei im Voraus geprüft und bestätigt worden. Was er jedoch nicht sagte, ist, dass das Bundesverfassungsgericht schon 2008 klargestellt hat, dass auch Schöffen eine Pflicht zur Verfassungstreue haben. Dass man diese beim Spitzenkandidat einer Partei, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall unter Beobachtung steht und der in der Vergangenheit schon mit rassistischen Kommentaren im Internet aufgefallen ist, infrage stellen kann und auch sollte, scheint auf der Hand zu liegen.
Erhard Geppert (Mühldorf): Herr Krieg bezeichnet Frau Zollner als „unrühmliche Figur“, weil sie den „beliebten“ Nikolaus Peter Mück von seinem Nikolausamt entbunden hat. Das ist schon eigenartig. Es ist unbestritten, dass Herr Mück damals in einem Facebook-Post die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ hinsichtlich einer Plakataktion unterstützt hat. Somit war die Entlassung nur konsequent. Daraufhin wurde Frau Zollner Opfer einer Hetzkampagne der rechten Szene, die in einer Morddrohung gipfelte. Die Eignung als Jugendschöffe des Herrn Wieser kann man im Übrigen durchaus hinterfragen, da sich Herr Wieser in einem Facebook-Post als Fan von Björn Höcke outet, der ja dem rechtsextremen Flügel der AfD zuzuordnen ist. Dass er in einer Rede vom August 2018 politische Gegner als „...rot-grün versifftes Lumpenpack“ bezeichnet hat, spricht ebenfalls Bände. Der Leserbrief des Herrn Krieg folgt in Teilen einer typischen Argumentationslinie der rechten Szene, das Opfer zum Täter zu machen und sich selbst als verfolgte Minderheit darzustellen.
Kristin Martl-Hassan (Mühldorf): Die beiden Leserbriefe suggerieren den Rückhalt aus der Bevölkerung für Martin Wieser in Bezug auf seine Kandidatur als Jugendschöffe. Nicht ganz verwunderlich, ist doch einer der Schreiber der Schatzmeister des AfD-Kreisverbandes und der andere Kommanditist in der Firma des AfD-Landtagskandidaten. Daher möchte ich nun die Gelegenheit ergreifen, die Gegenseite zu vertreten. In den veröffentlichten Leserbriefen wurde Anstoß daran genommen, dass Gabriele Blechta fragte, „ob die Parteizugehörigkeit dem Gericht bekannt sei“. Neben der Tatsache, dass Frau Blechta weder Kreisrätin noch von den Grünen ist, halte ich diese Frage für entscheidend. Die AfD und auch Herr Wieser stehen offen zu Fremdenfeindlichkeit und Ablehnung von LGBTQ- Personen. Zudem ging gerade Herr Wieser in der Vergangenheit massiv gegen die Corona-Politik der Bundesregierung auf die Barrikaden, verbreitete Fake-News über die Impfung und zieht auf seiner Facebook-Seite über sämtliche demokratische Parteien und natürlich auch Klimaschutzaktivist*innen her. Unter den Voraussetzungen, die für das Amt eines Jugendschöffen mitgebracht werden sollen, befinden sich „Soziale Kompetenz“, „Vorurteilsfreiheit auch in extremen Situationen“ und „Unvoreingenommenheit“, des Weiteren das Bekenntnis zum Grundgesetz und zur „freiheitlich demokratischen Grundordnung“. Nun frage ich mich, was wohl passieren würde, wenn ein*e Jugendliche mit Migrationshintergrund, nicht heterosexueller Lebensweise oder Mitgliedschaft bei Fridays for Future auf der Anklagebank sitzt. Gerade junge Menschen brauchen an dieser für ihre Zukunft so entscheidenden Position Ehrenamtliche ohne Vorurteile.
Peter Heindl (Jettenbach): Ich finde die Forderung der ehemaligen Mühldorfer Bürgermeisterin, den Bewerber Martin Wieser für das Amt als Jugendschöffe auszuschließen, anmaßend und diskriminierend. Ganz gleich welcher parteilichen Farbe man zugeneigt ist, sollten gerade auch in der Politik die Attribute wie Toleranz, Fairness und Gerechtigkeit gegenüber anderen mehr Gewicht haben. Herr Wieser ist bereits in vielen Gremien und Institutionen als ehrenamtlicher Mitarbeiter tätig. Ich habe ihn dabei bei einem dieser Ämter als sehr engagierten, kompetenten und loyalen Kollegen kennen und schätzen gelernt. Alle zu lösenden Probleme bei diversen Treffen und Sitzungen wurden dabei sachlich, zielorientiert und dabei politisch immer absolut neutral diskutiert und entschieden. Martin Wieser ist nach meiner Meinung aufgrund seiner ruhigen und besonnenen Art für ein Amt als Jugendschöffe geradezu prädestiniert und er wird – wenn man ihn lässt – ein guter Jugendschöffe sein.