Zwei Jahre Sperrungen am Kesselberg
Motorrad-Fahrverbot ja oder nein? So entwickeln sich die Unfall-Zahlen am Sudelfeld und Kesselberg
Zwei Jahre lief die Testphase mit Sperrungen für Motorradfahrer am Kesselberg bei Kochel. Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Wie sich die Unfallzahlen seither verändert haben und wie die Entwicklung zum Vergleich am Sudelfeld verläuft.
Kochel/Oberaudorf – Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen und die Polizei haben am 15. Januar zu einer Pressekonferenz eingeladen, um die Erkenntnisse aus der Testphase zu präsentieren. In den vergangenen beiden Jahren war die beliebte Bergstrecke der B11 zwischen April und Ende Oktober täglich von 15 bis 22 Uhr für bergauf fahrende Motorradfahrer gesperrt. So erhoffte man sich eine Reduzierung der Unfallzahlen zwischen Kochel am See und Urfeld am Walchensee. Und genau das ist auch eingetreten: „Insgesamt haben sich die Unfälle um etwa 40 Prozent reduziert, die Motorradunfälle haben sich annähernd halbiert“, sagte Simon Neubert, Sachgebietsleiter am Staatlichen Bauamt Weilheim. Ereigneten sich im Vergleichszeitraum 2018 bis 2022 im Schnitt 28,4 Unfälle pro Jahr, von denen 20,8 von Motorradfahrern verursacht worden waren, waren es 2023/24 im Schnitt nur 17 Unfälle, von denen 11,5 auf das Konto von Bikern gingen. „Für uns ist das eine sehr erfreuliche Entwicklung“, sagte Karsten Ludwig, Leiter der Verkehrsbehörde am Landratsamt. Da ist es nur eine logische Konsequenz, dass die tageszeitliche Sperrung in den Sommermonaten beibehalten wird.
Zahl der Motorradunfälle hat sich nahezu halbiert
„Auch die Zahl der sonst am Kesselberg häufig anzutreffenden High-Risk-Fahrer hat sich deutlich reduziert“, ergänzte Steffen Wiedemann, Chef der Kochler Polizeistation. „Sonst hatten wir an schönen Tagen 100 bis 150 Fahrer auf der sechs Kilometer langen Strecke, die da 20-mal rauf und runter geheizt sind und den Kesselberg mit einer Rennstrecke verwechselt haben.“
Passierten vor der zeitlichen Sperrung 78 Prozent der Unfälle zwischen 15 und 22 Uhr, hat sich das Geschehen nun in die Zeit vor 15 Uhr verlagert. „Nur drei sind in der Sperrzeit passiert – allerdings alle bergab“, sagte Neubert. Sprich: Die Fahrer verstießen nicht gegen die Streckensperrung.
Sperrung des Kesselbergs für Motorräder bleibt bestehen
Generell hielten sich die Verstöße gegen das Fahrverbot in Grenzen, berichtete Wiedemann aus den umfangreichen Polizeikontrollen. Ertappt wurden dabei „überwiegend Tourenfahrer“. Zudem gab es im vergangenen Jahr nur zwei Ermittlungsverfahren wegen illegaler Straßenrennen. „Das ist auch eine positive Entwicklung“, sagte Wiedemann. Die Unfälle an den Wochenenden nahmen zu. Das liegt allerdings in der Natur der Sache, bestand doch von 1978 bis 2023 ein komplettes Fahrverbot für bergauf fahrende Motorräder an Wochenenden und Feiertagen.
Unfallverursacher werden immer jünger
Auffällig ist auch, dass die Motorradfahrer, die Unfälle verursachen, „immer jünger werden“, sagte Wiedemann. Sechs der insgesamt elf Verursacher 2024 waren unter 21 Jahre alt. „Der älteste – und das mit Abstand – war 33.“ Da sei es nicht verwunderlich, dass sich viele der Unfälle auf fehlende Erfahrung zurückführen ließen. Weitere Erkenntnis aus der Pilotphase: „Früher lag der Unfallschwerpunkt im mittleren Streckenabschnitt mit den engen Kurven. Jetzt haben wir unten in den ersten vier, fünf Kurven die meisten Unfälle“, sagte Wiedemann.
Kein Klageversuch gegen Sperrung am Kesselberg
In den vergangenen zwei Jahren habe es keinen Versuch gegeben, gegen das Fahrverbot zu klagen, sagte Ludwig. „Wir hatten das eigentlich anders erwartet.“ Das bestätige vielleicht auch, dass die Verhältnismäßigkeit absolut gewahrt ist, sagte Wiedemann. Natürlich ist die Streckensperrung nur ein Baustein von vielen, um den Unfallschwerpunkt zu entschärfen. Seit 1989 gibt es ein Überholverbot auf der gesamten Strecke – verbunden mit einem Tempo-60-Limit, wie Martin Herda, zuständiger Abteilungsleiter am Staatlichen Bauamt, in Erinnerung rief. Der Unterfahrschutz an den Leitplanken wurde in den vergangenen 20 Jahren nachgerüstet. Das habe dazu beigetragen, die Zahl der Unfälle mit tödlichen Verletzungen deutlich zu reduzieren. Die 2014 aufgebrachten Rüttelstreifen hätten sich dagegen nicht bewährt und seien wieder entfernt worden. Gute Erfahrungen machte man dagegen mit den Leitschwellen, die seit 2016 in bestimmten Kurvenbereichen verhindern, dass Motorradfahrer auf die Gegenspur kommen. Dazu sei der Kesselberg vermutlich die polizeilich am meisten überwachte Strecke, sagte Roman Gold, Leiter der Kontrollgruppe Motorrad der Polizei.
Verlagerung der High-Risk-Fahrer ans Sudelfeld
Dass die tageszeitliche Sperrung des Kesselbergs zu einer Verlagerung des Unfallgeschehens auf die B13 und B307 am Sylvenstein gesorgt hat, wollte Lars Werner von der Tölzer Polizei so nicht stehen lassen. „Die Klientel, die sich am Sylvenstein trifft, ist eine andere“, sagte Werner. Da gehe es eher darum, auf der Staumauer zu sitzen, zu ratschen und seine Maschine zu zeigen. „Show and shine“, nennt das Gold. Natürlich habe man die Situation am Sylvenstein aber auf dem Schirm, „und wir kontrollieren auch“, sagte Werner. Zudem sei im vergangenen Jahr in bestimmten Bereichen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h erlassen worden, heuer erfolge noch ein Überholverbot. Die High-Risk-Fahrer kommen nun eher aber am Sudelfeld (Landkreis Miesbach) zusammen, ergänzte Gold. „Dort hat sich die Situation drastisch verschlechtert.“ Die Anzahl der Motorradunfälle habe sich dort verdoppelt.