Hier steigen die Kosten enorm
Strompreise mehr als verdoppelt: Auch in Bayern - allein in München um 123 Prozent
Die Energiekrise betrifft nicht nur den Gas-, sondern auch den Strommarkt - und damit wirklich alle. Immer mehr Versorger wälzen die gestiegenen Großhandelspreise jetzt auf die Verbraucher ab. Die Folge: Mancherorts werden die Strompreise mehr als verdoppelt. Auch in Bayern wird für viele Haushalte der Strom teuerer.
Bayern - In viele Haushalte sind jüngst Preiserhöhungen ihrer Stromversorger geflattert - mit teils drastischen Anhebungen. So verlangt etwa das Kölner Unternehmen Rheinenergie ab Januar in der Grundversorgung pro Kilowattstunde mehr als doppelt so viel wie bisher: Rund 55 Cent werden dort künftig fällig, knapp 130 Prozent mehr als zuvor. Rheinenergie ist kein Einzelfall: Auch in Bayern wird für viele Haushalte der Strom teurer.
„Das neue Jahr beginnt mit einer massiven Preiserhöhungswelle beim Strom“, sagt der Energieexperte des Vergleichsportals Verivox, Thorsten Storck. Grundversorger müssten nun die höheren Marktpreise nach und nach an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben.
Hier steigen in Bayern die Preise
Unter anderem in München, Nürnberg, Fürth, und Augsburg werden nach Angaben der kommunalen Unternehmen am 1. Januar 2023 die Preise steigen. In München legen die Energiepreise laut SWM um 122,7 Prozent zu: Die Jahreskosten für einen Haushalt mit zwei Personen steigen dann auf durchschnittlich 1675,67 Euro. Der Energiepreis verteuert sich im Schnitt von 24,97 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf 61,89 Cent pro kWh im neuen Jahr. Allerdings betonte SWM-Chef Florian Bieberbach: „Wir werden niemandem den Strom abstellen, der sich bei uns meldet und sich um eine konstruktive Lösung bemüht.“
In Nürnberg erhöht sich der Energiepreis beim meistgewählten Produkt nach Angaben des Netzbetreibers N-Ergie im Schnitt von 23,49 Cent auf 44,77 Cent pro kWh. Für einen Haushalt, der in diesem Tarif pro Jahr 3500 kWh verbrauche, beliefen sich so die monatlichen Mehrkosten auf rund 63 Euro. Um die Kosten abzufedern, empfiehlt der Betreiber seinen Kunden Energiesparen.
Beim Fürther Versorger Infra wurde betont, dass die Erhöhung je nach Tarif leicht variieren könne. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3000 kWh zahle im neuen Jahr etwa 140 Euro im Monat für Strom - vor dem Jahreswechsel kostete die gleiche Strommenge noch rund 73 Euro pro Monat.
Die Strompreise erhöhen sich für einen durchschnittlichen Haushalt in Augsburg, der jährlich rund 2400 kWh verbraucht, auf 1424 Euro im Jahr, wie ein Sprecher der Stadtwerke Augsburg (SWA) sagte. Im Jahr 2022 beliefen sich die Kosten bei gleichem Verbrauch noch auf rund 885 Euro. Sollten die geplanten Entlastungen sowie die Strompreisbremse wirksam werden, könnten diese Kosten bei sparsamen Haushalten auf rund 932 Euro pro Jahr sinken, hieß es weiter. Zurzeit seien aber viele Details noch spekulativ.
Schon über 7 Millionen Haushalte betroffen
Dem Vergleichsportal Check24 sind schon mehr als 580 Fälle von Strompreiserhöhungen in der Grundversorgung zum Jahreswechsel bekannt geworden. „Davon sind rund 7,3 Millionen Haushalte betroffen“, berichtet das Unternehmen. Die Erhöhungen betrügen im Schnitt 60,5 Prozent. Verivox kommt wegen einer anderen Datengrundlage auf ein durchschnittliches Plus von 54 Prozent.
„Die Strompreiserhöhungen zum Jahreswechsel fallen teils drastisch aus“, sagt auch der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo Sieverding. „Leider sind die Neukundentarife über die Vermittlungsportale noch höher, so dass ein Anbieterwechsel in den meisten Tarifgebieten keine Ersparnis bringt.“ Dies dürfte sich erst im Laufe der nächsten Monate ändern. Kunden in der Grundversorgung hätten momentan daher keine Wahl.
„Kunden außerhalb der Grundversorgung sollten bei Preiserhöhungen sogar in Erwägung ziehen, vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen und sich in die Grundversorgung fallen zu lassen“, rät der Verbraucherschützer. Der Grundversorgungstarif galt früher als eher teurer Tarif. Mancherorts liegt er schon jetzt unterhalb von Sondertarifen anderer Anbieter.
Die deutlichen Erhöhungen zum Jahreswechsel sind nicht die ersten in der jüngeren Vergangenheit: Nach Berechnungen von Check24 zahlte ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden (kWh) im November 2020 im Schnitt 29,4 Cent pro kWh. Ein Jahr später waren es 31,6 Cent. Derzeit (November 2022) liegt der Durchschnitt bei 42,7 Cent.
Strompreisbremse
Entgegen wirken will die Ampel-Regierung mit einer Strompreisbremse, welche HAushalte und Unternehmen mit sehr hohen Strompreisen entlasten will. Haushalte und kleinere Unternehmen erhalten 80 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch sollen 70 Prozent ihres bisherigen Stromverbrauchs zu einem garantierten Netto-Arbeitspreis von 13 Cent pro Kilowattstunde bekommen. Die Bremse soll ab März gelten, dann es soll auch eine Auszahlung der Entlastungsbeträge für Januar und Februar geben.
Breite Kritik an Abschöpfung von Zufallsgewinnen
Allerdings machen Energieverbände und Versorger Front gegen Pläne der Bundesregierung, zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse „Zufallsgewinne“ auf dem Strommarkt abzuschöpfen. Der Gesetzentwurf verstoße gegen EU-Recht und verletze die Eigentumsgarantie, teilte der Hamburger Energieversorger Lichtblick am Donnerstag unter Verweis auf ein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten mit.
„Der geplante Abschöpfungsmechanismus führt zu tiefgreifenden Verzerrungen auf dem deutschen Strommarkt.“ Folge dieser Entwicklungen seien steigende Strompreise für Verbraucher, eine Behinderung des weiteren Ausbaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie im Einzelfall die Zahlungsunfähigkeit der Anlagenbetreiber.
Scharfe Kritik am Gesetzesentwurf
Scharfe Kritik am Gesetzentwurf, der derzeit innerhalb der Bundesregierung noch in der Ressortabstimmung ist, kam auch vom Bundesverband Erneuerbare Energien. Die Präsidentin Simone Peter erklärte am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken. Rückwirkende Eingriffe in wirtschaftliche Prozesse wurden bereits mehrfach grundsätzlich als klar verfassungswidrig beschieden.“ Der Verband hatte bereits erklärt, es sei mit einer Klagewelle zu rechnen. Die Bundesregierung sollte alleine aus juristischen Gründen eine einfache steuerliche Lösung wählen.
Ein Gesetzentwurf des Kanzleramts, des Finanz- sowie Wirtschaftsministeriums sieht vor, dass zur Mitfinanzierung der Strompreisbremse befristet bis mindestens Ende Juni kommenden Jahres „Zufallsgewinne“ von Unternehmen auf dem Strommarkt rückwirkend ab 1. September abgeschöpft werden. Das betrifft etwa Produzenten von Ökostrom aus Wind und Sonne, die zuletzt von hohen Preisen an der Börse profitiert haben.
mz