47 Iraker kurz vor der Wahl abgeschoben
Streit um Abschiebeflüge – „die Bekämpfung des Symptoms, nicht der Ursache“?
Fünf Tage vor der Wahl führt die Bundesregierung einen Abschiebeflug in den Irak durch. Gegen den Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder, auch mit den Taliban über regelmäßige Rückführungen nach Afghanistan zu sprechen, gibt es hingegen vor allem aus den Reihen der Grünen Vorbehalte.
München – Am Montag um 9.18 Uhr hebt in Hannover ein Flugzeug ab, das 47 Menschen in die irakische Hauptstadt Bagdad bringt. An Bord sind Ausreisepflichtige aus elf Bundesländern, teilweise Straftäter. Auch ein Mann, der einen Anschlag auf den Augsburger Christkindlesmarkt geplant haben soll, ist der „Augsburger Allgemeinen“ zufolge darunter.
Fünf Tage bevor in Deutschland die Wahllokale zur Bundestagswahl öffnen, gibt es nun also einen weiteren Abschiebeflug. Das SPD-geführte niedersächsische Innenministerium bestreitet jeden Zusammenhang. Doch auch wenn Rückführungen in den Irak etwas häufiger stattfinden (rund 700 im vergangenen Jahr), erinnert die Situation an Ende August, als erstmals nach Jahren wieder eine Maschine mit 28 Straftätern nach Afghanistan abhob – damals ebenfalls kurz vor wichtigen Wahlen im Osten.
„Warum machen wir das, ohne mit den Taliban darüber zu sprechen?“
Geht es nach CSU-Chef Markus Söder, sollten derartige Flüge auch nach Afghanistan künftig weitaus regelmäßiger stattfinden. Es brauche jede Woche einen Flug in Richtung Kabul, findet Bayerns Ministerpräsident. Und dafür müsse sofort mit den dortigen Machthabern, den Taliban, verhandelt werden. Eine Forderung, die auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz aufgreift. „Wir geben 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe nach Afghanistan. Warum machen wir das, ohne mit den Taliban darüber zu sprechen?“, fragte er bei RTL und gab die Antwort gleich mit: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) weigere sich, solche Gespräche zu führen.
Die FDP fordert ebenfalls direkte Kontakte der Regierung mit den Taliban. Es müsse möglich werden, afghanische Staatsangehörige, die ausreisepflichtig sind, „automatisiert und schneller in ihr Ursprungsland auszufliegen“, sagt Parteichef Christian Lindner. Er fordert Baerbock auf, unmittelbar in Gespräche einzutreten – „auf einer technisch-logistischen Ebene“.
„Das ist ein Terrorregime.“
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck springt seiner Parteifreundin bei. „In Afghanistan regieren die Taliban. Das ist ein Terrorregime.“ Es gebe kein Land, das mit den Taliban diplomatische Beziehungen unterhalte. „Wenn man das tun wollen würde, das ist ja ein Adelsschlag für dieses Regime, das schlimme Dinge tut, dann muss man sich dringend mit seinen europäischen Partnern und – wenn die Amerikaner noch gesprächsbereit sind – mit den Amerikanern absprechen.“ Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, sagt der „Rheinischen Post“, der impulsgetriebene Vorschlag Söders verkenne die außenpolitische Dimension. Gefährliche Gewalttäter abschieben zu wollen, sei zudem „die Bekämpfung des Symptoms, nicht der Ursache“. Die meisten islamistisch motivierten Täter radikalisierten sich erst in Deutschland.
Die Bundesregierung erkennt die Taliban, die seit 2021 an der Macht sind, nicht als legitime Regierung Afghanistans an. Damit der Abschiebeflug im Sommer stattfinden konnte, vermittelte Katar zwischen Berlin und Kabul. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nun aber, es habe damals auch Kontakte mit der afghanischen Regierung gegeben. Die Taliban haben zuletzt ihrerseits eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen angeboten, fordern dafür aber eine konsularische Vertretung in Deutschland. Die FDP sei bereit, das zu akzeptieren, sagt Lindner. (mit dpa)