Nach Drama auf A94
So arbeitet die Krisenintervention bei tragischen Unfällen
Nur wenige Tage ist es her, dass es auf der A94 zu einem tragischen Unfall mit Todesfolge kam. Wie es einem Menschen gehen muss, nachdem er an einem solch schrecklichen Ereignis beteiligt gewesen ist, ist eine Vorstellung, die man sich kaum auszumalen wagt. Wir haben mit Kriseninterventionsdiensten über ihr Vorgehen bei solchen Ereignissen gesprochen.
Tödlicher Unfall erschütterte ganz Bayern
Mühldorf - Ein tragischer Unfall auf der Autobahn A94 erschütterte kürzlich ganz Bayern. Ein Autofahrer will nach einem Unfall sein Fahrzeug verlassen um sich in Sicherheit zu bringen. Im Nebel wird er von einem nachfolgenden Auto erfasst und verstirbt daraufhin noch an der Unfallstelle.
So ein schockierendes Ereignis muss auch für einen Unfallfahrer, der kaum eine Chance hatte, das Geschehen zu vermeiden, ein zutiefst traumatisches Erlebnis sein - allein die Vorstellung daran, lässt einen erschaudern. Im Gespräch mit ovb24.de beschreiben Horst Henke, Teamleiter beim BRK-Kriseninterventionsdienst Rosenheim, und Ralph Bernatzky, Leiter der Johanniter-Krisenintervention Rosenheim, das Vorgehen in einer solchen Situation.
Einmalige Betreuung in der Akutphase
Grundsätzlich ist wichtig, dass der Kriseninterventionsdienst (KID) möglichst schnell am Unfallort eintrifft, um direkt mit der Betreuung zu beginnen. Der KID ist dabei lediglich für die erste und einmalige Versorgung in der Akutphase zuständig und bleibt maximal einige Stunden.
Handlungsfähigkeit wieder herstellen
Das primäre Ziel der Helfer ist es, „die eigene Handlungsfähigkeit beim Betreuten wieder herzustellen“, berichten beide Interventionsleiter unabhängig von einander. Die Person soll sich der Situation bewusst werden und anfangen zu begreifen, was gerade geschehen ist. Dabei arbeitet der Kriseninterventionsdienst auch daran, dass die betreute Person die Selbstständigkeit zurückgewinnt und anfängt wieder klar zu denken. Das kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass die Situation erklärt und beschrieben wird und mögliche offene Fragen des Betreuten beantwortet werden, erklärt Bernatzky. Hätte die Person beispielsweise nichts tun können, um den Unfall zu vermeiden, ist es wichtig, ihr das klar zu machen.
Emotionen und soziale Kontakte
Die betreute Person soll ihre Emotionen rauslassen, dabei ist es belanglos, ob sie weint, schreit, schimpft oder Ähnliches, berichtet Henke. Des Weiteren versucht der Kriseninterventionsdienst eine Perspektive zu schaffen, wie es in naher Zukunft weiter geht. Häufig kann es hilfreich sein, wenn soziale Kontakte, bei denen sich der Betreute wohl fühlt, wie Freunde und Familie, an die Unfallstelle geholt werden und zusätzlich Halt spenden beschreiben beide Interventionsdienstleiter ihr Vorgehen. Der KID erklärt außerdem Symptome, die der Betreute gerade durchlebt wie Zittern oder Schwitzen, wo diese herkommen und dass diese auch in Zukunft auftreten können, aber weniger werden. Ziel ist es auch, dass der Schock schnellstmöglich überwunden wird, meint Horst Henke.
Mit dem Erlebten abschließen
Neben dem kurzfristigen Eingreifen, klären die beiden Interventionsdienstleiter Henke und Bernatzky auch über die langfristige Verarbeitung des Unfallgeschehens auf. Dabei kann man als Faustregel festhalten, umso gefestigter das Opfer im Leben steht und umso stärker sein soziales Umfeld ist, umso unproblematischer fällt auch die Verarbeitung. „Der Versuch die Situation zu verdängen ist hierbei ganz und gar nicht zielführend“, betont Ralph Bernatzky. Der Betreute sollte in der Lage sein das Ereignis einzuordnen und damit abzuschließen, nur so ist ein geordneter Lebensalltag wieder möglich. „Die Erinnerung an den Unfall sollte kontrolliert hervorgerufen werden können und genauso kontrolliert wieder weggepackt werden“, schildert Henke ein ideales Szenario.
Das ist besonders wichtig, denn wenn man nicht in der Lage ist mit dem Erlebten abzuschließen, so kann es immer wieder zu Flashbacks kommen, vor allem wenn einen das Geschehen noch längerfristig beschäftigt, wie durch einen Gerichtsprozess. Auch Geräusche, Gerüche oder Orte können beispielsweise an den Unfall erinnern und solche Flashbacks hervorrufen, wenn das Geschehen nicht komplett abgeschlossen ist.
Weiterführende Betreuung
Je nach Zustand der Betreuten übernimmt nach dem KID dann eine andere Stelle die weiterführende Betreuung auf die der Interventionsdienst verweist. Hierbei kann es sich in besonders schlimmen Fällen um den Krisendienst Psychiatrie Oberbayern handeln oder um die den Psychosozialen Dienst der Kirchen bei Diakonie und Caritas. Auch der Hausarzt kann weiterhelfen den richtigen Ansprechpartner für eine langfristige Psychotherapie zu finden, beschreibt Bernatzky das weitere Vorgehen.
Der KID ist nur der erste Schritt von vielen auf dem Weg zur Verarbeitung des Unfallgeschehens. Doch Fakt ist: ohne die ehrenhaften Helfer wäre eine Verarbeitung und Aufarbeitung meist deutlich schwieriger und zeitaufwändiger und den Opfern ginge es deutlich schlechter. Und so bleibt es nur, ihnen Respekt zu zollen, für die Arbeit, die sie tagtäglich leisten.
nt

