Experte rechnet vor
Bayern versagt komplett bei Ausbau von Öko-Strom – Aiwangers Wasserstoffheizung „unattraktiv“
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müsste Bayern seine Ökostromproduktion massiv ausbauen. Doch davon ist wenig zu sehen. Aiwangers Allheilmittel Wasserstoff kann das nicht ändern. Im Gegenteil.
München – Die Energiewirtschaft prognostiziert, dass das von der bayerischen Staatsregierung gesetzte Ziel, Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen, schwer zu erreichen sein wird. Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), betont, dass die Ökostromproduktion in Bayern bis 2040 mindestens verdreifacht, wenn nicht verfünffacht werden muss. Es gibt auch erhebliche Zweifel in der Energiebranche und bei externen Beratern bezüglich der Wasserstoff-Vision des Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
Energie-Wende-Drama in Bayern – Experte: „Epochale“ Aufgaben nicht verharmlosen
Fischer beschreibt die bevorstehenden Aufgaben als „epochal“. Er warnt davor, die Herausforderungen zu verharmlosen, da dies nicht weiterhilft, wie er bereits in seinem Interview mit Merkur.de im Frühjahr unterstrich.
Für Energie-Wende-Ziel der Staatsregierung bräuchte es 50 Fußballfelder Solaranlagen – wöchentlich
Die Münchner Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) hat im Auftrag des VBEW den Ausbaubedarf geschätzt. Bis 2040 müssten wöchentlich in Bayern Freiflächen-Solaranlagen mit einer Gesamtfläche von mindestens 50 Fußballfeldern, 2.800 Dach-Solaranlagen mit einer Leistung von je 10 Kilowatt und zwei neue Windräder mit einer Leistung von jeweils 5,5 Megawatt in Betrieb genommen werden.
Stromproduktion in Bayern sinkt, nicht mal ein Windrad pro Monat geht ans Netz
Diese Informationen finden sich im im Frühjahr veröffentlichten „Bayernplan Energie 2040“. Tatsächlich wurden in Bayern von Januar bis Oktober nur sechs neue Windräder in Betrieb genommen, weniger als eines pro Monat. Die bayerische Stromproduktion ist aufgrund der Abschaltung der Atomkraftwerke gesunken. Fischer schätzt, dass bis 2024 etwa 65 Terawattstunden Strom erzeugt werden.
Strombedarf in Bayern wird rasant steigen
Der Bedarf könnte bis 2040 auf über 200 Terawattstunden pro Jahr steigen, wenn die Industrie auf Strom umstellt und wir mit Strom heizen und Auto fahren, so Fischer. Selbst bei einem starken Ausbau der Ökostromerzeugung müsste Bayern laut „Bayernplan“ bis zu einem Drittel des benötigten Stroms importieren.
Aiwanger hofft auf Wasserstoff als Lösung
Wirtschaftsminister Aiwanger betonte kürzlich, dass Wasserstoff die Lösung in der Energiewende sei. Allerdings wären für die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff auch entsprechende Ökostromkapazitäten erforderlich. Diese sind in Bayern im Vergleich zum Bedarf sehr knapp. Daher gehen fast alle Experten davon aus, dass Bayern in Zukunft stark auf Wasserstoffimporte angewiesen sein wird.
In Deutschland wird das Wasserstoff-„Kernnetz“ geplant, in Bayern eine erste Pipeline namens „Hypipe Bavaria“ von Ingolstadt ins oberbayerische Chemiedreieck, hauptsächlich zur Versorgung der Industrie. Ein Sprecher des Gas-Fernleitungsnetzbetreibers Bayernets sagt, dass die Realisierung eines bayerischen H2-Netzes mit Anbindung der Industrieregionen Ingolstadt und Burghausen zwischen 2027 und 2032 geplant ist.
Die Umrüstung des Erdgasnetzes auf Wasserstoff wäre technisch durchaus möglich. Fischer sagt, dass die in Deutschland verbauten Rohrleitungswerkstoffe für die Erdgasnetze grundsätzlich alle für den Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff geeignet sind. In Bayern sind laut VBEW etwa 50.000 Kilometer Erdgasleitungen verlegt.
Ein Sprecher des Bayernwerks sagt auch, dass die eingesetzte Technik sowohl bei den Gasanlagen als auch bei den Leitungen heute schon zu mehr als 90 Prozent wasserstofftauglich ist. Eine Beimischung von bis zu 20 Prozent Wasserstoff erfordert keine Anpassungen der bestehenden Gasinfrastruktur.
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Ist Wasserstoff also der neue Heizbrennstoff? Fischer sagt, dass dies derzeit nicht pauschal beantwortet werden kann. Aiwanger betont, dass die Gasleitungsinfrastruktur bereits vorhanden ist. Er glaubt, dass Wasserstoff in Zukunft als Erdgasersatz auch in Privathaushalte fließen sollte. Der Markt wird dann zeigen, was sich durchsetzt.
Wasserstoff als alternativer Energieträger? Wirtschaft sehr skeptisch
Allerdings deutet derzeit nichts darauf hin, dass sich der Markt in diese Richtung entwickelt. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) schätzt, dass die Produktionskosten von heimischem Wasserstoff fast doppelt so hoch sein könnten wie bisher angenommen: zwischen fünf und acht Euro pro Kilogramm Wasserstoff statt der bisher angenommenen drei Euro. Ein Grund dafür ist der Kostenanstieg beim Bau und der Finanzierung neuer Windräder. Stefan Schönberger, Berater bei BCG, sagt, dass Wasserstoff in Gebäuden viel teurer sein wird als andere Optionen wie Wärmepumpen und Fernwärme.
Die Stadtwerke München (SWM) schätzen, dass grüner Wasserstoff für die Privatheizung „eher unattraktiv“ bleiben wird. Ein Sprecher des Unternehmens erklärt, dass ein Fernwärmeanschluss oder eine Wärmepumpe fast immer deutlich günstiger sein werden.
Die Stadtwerke in der Landeshauptstadt glauben daher, dass sich nur wenige Hauseigentümer für eine Wasserstoffheizung entscheiden würden. Sie halten den Umbau des Gasversorgungsnetzes in München zu einem Wasserstoffnetz für Privatkunden derzeit für nicht sinnvoll.
Dieser Artikel wurde mithilfe maschineller Unterstützung bearbeitet und vor der Veröffentlichung von Redakteur Klaus-Maria Mehr sorgfältig geprüft.
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