153 Vergewaltigungen, 488 sexuelle Übergriffe
„Opfer gezüchtet, um sie zu missbrauchen“: Münchner Fußballtrainer zu Haftstrafe verurteilt
Ein ehemaliger Fußballtrainer wurde für 153 Vergewaltigungen verurteilt. Er hatte über Jahre Jugendliche missbraucht. Nun hat das Münchner Landgericht ihn zu einer Haftstrafe verurteilt.
München – „Ein Wahnsinn, wenn man sich das vorstellt“, sagt der Vorsitzende Richter Stephan Kirchinger. Das Ausmaß schockiert selbst hartgesottene Ermittler: Wegen hunderter sexueller Übergriffe und 153 Vergewaltigungen verurteilt das Landgericht München I einen ehemaligen Fußballtrainer zu siebeneinhalb Jahren Haft. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft verhängte das Gericht keine anschließende Sicherungsverwahrung gegen den 47-Jährigen. Er hatte gestanden, über Jahre hinweg junge Fußballer seines Vereins missbraucht zu haben.
Mehr als 800 Missbrauchsfälle
Einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen sah das Gericht - ebenfalls anders als die Staatsanwaltschaft - nicht. Die Opfer seien dem Angeklagten nicht „zur Beaufsichtigung in der Lebensführung“ anvertraut gewesen, so Richter Kirchinger. Die Staatsanwaltschaft, die acht Jahre Haft gefordert hatte, hatte mehr als 800 Fälle von Missbrauch und sexuellen Übergriffen angeklagt. Das Gericht wertete die Taten in 488 Fällen als sexuellen Missbrauch und nicht als Missbrauch von Schutzbefohlenen. Kirchinger spricht aber von „absoluten Grenzfällen“ bei den Taten, die sich etwa in Trainingslagern weit weg von den Eltern der Jugendlichen abgespielt hätten.
Der ehemalige Trainer und Sportdirektor eines Vereins aus dem Landkreis München hatte vor Gericht gestanden, sich während vermeintlicher Krankengymnastikbehandlungen an Jugendlichen vergangen zu haben, wobei es in zahlreichen Fällen zu Vergewaltigungen gekommen sei. Dabei nahm er laut Staatsanwaltschaft nach einem immer gleichen Muster auf einer Massageliege in der Kabine des Fußballvereins, im Trainingslager oder auch in seiner Wohnung sexuelle Handlungen an den jugendlichen Fußballspielern vor und gab an, dies diene angeblich der Durchblutung der Muskulatur. Das Geständnis war Teil eines sogenannten Deals zwischen allen Verfahrensbeteiligten, die sich darin auf einen Strafrahmen von höchstens acht Jahren geeinigt hatten, wenn der Angeklagte die Taten einräumt.
„Opfer gezüchtet, um sie zu missbrauchen“
Der Angeklagte habe „methodisch, planvoll und perfide“ das Vertrauen der jungen Fußballer und seine Stellung im Verein missbraucht, ein „perfides System“ geschaffen. „Er hat Opfer gezüchtet, um sie zu missbrauchen“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
Er sei „ein gefährlicher Serientäter“, begründete sie ihren Antrag auf nachträgliche Sicherungsverwahrung. Er erinnere sie an einen Sektenführer“. Er sei ein „klassischer, begabter und machthungriger Menschenfänger. Es bestehe die Gefahr - und hier stützte sie sich auf die Einschätzung einer Gutachterin -, dass eines Tages auch die eigenen Söhne zu seinen Opfern werden könnten.
„Ich möchte eine Zukunft haben und eine Perspektive“
Diese Annahme wurde von der Verteidigung entschieden zurückgewiesen. Richter Kirchinger sagte zwar: „Wir halten die Gefährlichkeit des Angeklagten nach wie vor für gegeben“. Er betonte aber: „Wir sehen die Hürde noch nicht erreicht.“ Das Gericht glaube, dass die Haftstrafe dafür sorgen könne, dass der Mann danach nicht mehr gefährlich sei.
Der ehemalige Trainer selbst entschuldigte sich in seinem letzten Wort bei seinen ehemaligen Spielern. «Es tut mir sehr leid», sagte er. „Ich will die ganze Geschichte auf jeden Fall in einer Therapie aufarbeiten.“ Seine Verteidiger hatten sich für eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und gegen eine Sicherungsverwahrung ausgesprochen. „Ich möchte eine Zukunft haben und eine Perspektive, dass ich mit meiner Familie zusammenleben kann“, sagte der Angeklagte. „Ich möchte einfach für sie da sein.“
mh/dpa