Pokerspiel um die Höhe der Strafe?
Warum spricht Hannas mutmaßlicher Mörder nicht? Rosenheimer Anwalt zu möglichen Gründen
Der Prozess zum „Eiskeller-Mord“ hält viele Überraschungen bereit, doch nach wie vor schweigt Hannas mutmaßlicher Mörder. Nicht nur die Familie des Opfers sehnt sich nach einer Aufklärung, auch das Gericht möchte die Wahrheit über Hannas Todesnacht hören. Warum schweigt also der Angeklagte? Und was würde ein Geständnis für den Prozess bedeuten? Rechtsanwalt Peter Dürr zu den rechtlichen Hintergründen.
Traunstein; Rosenheim – Nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass der mutmaßliche Mörder von Hanna W. (23†) einem Mitgefangenen seine Tat geschildert haben soll, steigt die Spannung: Nicht nur die Familie und Freunde des Opfers sehnen sich nach Aufklärung – auch das Gericht möchte die Wahrheit herausfinden. Doch seit Beginn des Prozesses schweigt der angeklagte Sebastian T. (21) und auch sein Verteidiger, Harald Baumgärtl, ließ bisher nicht durchblicken, ob sein Mandant sich zur Sache einlassen, oder gar ein Geständnis ablegen wird. Aber was bedeutet das eigentlich?
Rechtsanwalt Peter Dürr aus Rosenheim liefert Antworten auf diese Frage. Für ihn ist klar, Gerichtsprozesse haben eine gewisse Dynamik – und was derzeit am Landgericht Traunstein geschieht, belegt dies. Wo zunächst nur von Indizien die Rede war, wurden überraschend neue Zeugen eingeführt, welche wiederum als „Beweismittel“ gelten. Fest steht derzeit nur, dass Sebastian T. wegen Mordes angeklagt wurde: Als „Heranwachsender“ soll er Hanna heimtückisch von hinten angegriffen haben. Welche Strafe könnte ihn also erwarten?
Maximalstrafe zehn Jahre?
„Mord ist im Erwachsenenstrafrecht mit absoluter Strafandrohung, nämlich einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt“, so Dürr. „Im Jugendstrafrecht jedoch sind selbst bei Mord maximal zehn, in Ausnahmefällen maximal 15 Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen.“ Das Strafmaß hängt aber auch von weiteren Faktoren ab, beispielsweise von einem Geständnis, welches immer strafmildernd berücksichtigt wird. Da in diesem Zusammenhang auch häufig von einer „Einlassung“ die Rede ist, gilt zu beachten, dass es einen Unterschied zum „Geständnis“ gibt.
Geständnis strafmildernd, wenn...
„Unter einem Geständnis versteht man zunächst ein vollumfängliches Gestehen der Tat im Sinne der Anklage“, so Dürr. Aber nicht jedes Geständnis hat den gleichen Wert: „Es kommt darauf an, wann es gebracht wird. Wenn der Angeklagte nur noch bestätigt, was bereits feststeht, dann bringt es wenig“, sagt der Rosenheimer Rechtsanwalt. Weil aktuell noch 23 Verhandlungstage anstehen, würde ein Geständnis den Prozess wohl verkürzen, dem Gericht viel Arbeit und der Familie sowie den Freunden des Opfers viele Nerven ersparen.
... es nicht nach hinten losgeht
„Ein umfassendes Geständnis darf dem Anklagten vom Gericht nicht negativ ausgelegt werden“, so Peter Dürr weiter. Nicht immer muss ein Geständnis aber positive Folgen für den Beschuldigten haben: „Ein sogenanntes Teilgeständnis kann auch nach hinten losgehen und strafverschärfend wirken. Ein Geständnis wird vom Gericht immer abgeklopft.“ Nur weil sich der Angeklagte also äußert, heißt das nicht, dass das Gericht seiner Aussage Glauben schenken muss. „Am besten ist in diesem Fall, wenn eine Verständigung eingeleitet wird. Dabei können die Parteien vorab die Vorgehensweise und das maximale Strafmaß vereinbaren“, so Dürr.
Einlassung: Nicht im Sinne der Anklage
„Mit einer Einlassung wiederum gibt der Beschuldigte zwar eine Tatversion oder Teile davon zu – aber nicht im Sinne der Anklage“, erklärt der Rosenheimer Rechtsanwalt. Oftmals werde die Einlassung nicht vom Angeklagten, sondern von dessen Verteidiger abgegeben. Im „Eiskeller-Mordprozess“ könnte Sebastian T. demnach eine Einlassung auf Basis eines Totschlags oder einer Körperverletzung mit Todesfolge machen. In Bezug auf Hannas Tod seien mehrere Varianten denkbar: immerhin gibt es – nach aktuellem Wissensstand – keine unmittelbaren Tatzeugen. Ob und wie der Angeklagte bezüglich seiner Einlassung Fragen beantwortet, spielt laut Dürr auch eine Rolle.
Sind Mordmerkmale nachweisbar?
„Der Staatsanwalt hat mit seiner Version der Hergänge eine Arbeitsgrundlage geschaffen. Die muss er allerdings nachweisen können“, sagt Dürr. Nur welche Handlungen können Sebastian T. nachgewiesen werden? Kann bewiesen werden, dass er der Täter war? Oder sogar das Mordmerkmal Heimtücke belegt werden? Möglicherweise reichen die Beweise „nur“ für einen Totschlag? Vielleicht hat der Beschuldigte auch „nur“ billigend in Kauf genommen, dass Hanna starb? Fragen über Fragen – die Antworten bleiben bislang aus.
Wird dem neuen Zeugen Glauben geschenkt?
„Die Staatsanwaltschaft startet jedenfalls mit einem möglichst hohen Ansatz in den Prozess“, so Peter Dürr. Wie die Strategie seines Kollegen Harald Baumgärtl, für die Verteidigung von Sebastian T. aussieht, kann Dürr aber nicht sagen. Es sei aber nachvollziehbar, dass die Zeugenaussage des Mitgefangenen abgewartet wird. „Immerhin stellt sich die Frage: Warum kommt der Zeuge just in diesem Moment? Und was genau hat Sebastian T. ihm eigentlich berichtet?“ Es sei immer noch möglich, dass das Gericht dem neuen Zeugen keinen Glauben schenkt – immerhin sitzt der Mann hinter Gittern und könnte sich Vorteile für seinen eigenen Prozess erhoffen. Laut Dürr sei trotz gewisser Verdachtsmomente sogar ein Freispruch von Sebastian T. nicht ausgeschlossen.