Traunsteiner Schüler lassen sich die Haare abrasieren
Elf Kahlköpfe für ihren krebskranken Kumpel: „Ich hab meine Haare echt geliebt“
Sich in die Haare kriegen: Das passiert schon mal unter Freunden. Bei elf Schülern des Chiemgaugymnasiums und der Reiffenstuel-Realschule Traunstein ist eher das Gegenteil der Fall: Nachdem sie erfahren haben, dass ihr Freund und Mitschüler aufgrund seiner Krebserkrankung eine Chemotherapie vor sich hat, war klar: Haare ab, nicht ohne uns. Wir haben zehn der elf Schüler getroffen:
Traunstein – Sie sind nicht kollektives Opfer eines überambitionierten Friseurs geworden. Diese zehn Schüler aus Traunstein sind einfach unglaublich gute Kumpels. Und so haben sie sich alle aus Solidarität die Haare abrasieren lassen.
Nachricht über Krebserkrankung schockt Freunde
„Wir waren auf einer Party und da hat er das verkündet und dann waren einige sehr geschockt“, erzählt uns Michael Frei, einer der Schüler. Was er damit meint: Die Info, dass ihr Mitschüler an Krebs erkrankt ist und sich einer Chemotherapie unterziehen muss. Bei dem Verfahren verlieren die Patienten oft im Lauf der Zeit ihre Haare und so beschießen viele Betroffene, sich schon im Vorfeld ihrer Haarpracht zu entledigen. Nach der schockierenden Nachricht ist schnell klar - Haare ab, aber nur mit uns: „Sobald das rauskam, haben wir das beschlossen, uns war allen gleich klar, das machen wir“ berichtet auch Kilian Obersteiner von der Aktion, die bei unserem Treffen (13. Februar) schon einige Tage zurückliegt.
„Ich habe meine Haare auch echt geliebt“
Und gerade Kilian hat sich schon überwinden müssen. Auf die Frage, wer die längsten Haare in der Gruppe hatte antwortet er: „Absolut ich und Ich muss sagen, ich habe meine Haare auch echt geliebt.“ Michael Frei muss das ein bisschen korrigieren: „Die waren aber so kaputt, weil er immer Gel reingemacht hat.“ Wir sitzen beim Gespräch in der Aula des Chiemgau-Gymnasiums und unsere Runde füllt den Raum mit Lachen. Es ist den Jungs offensichtlich nicht leicht gefallen, ihre Mähne abzuscheiden, aber sie nehmen es alle mit Humor: Seine Locken seien ja, so Michael, wenn man sie gerade gezogen hat, genauso lang gewesen wie Kilians. Wieder müssen alle loslachen.
„Im Moment als die Schere kam...“
In der Theorie war die Entscheidung, die Haare für ihren Freund abrasieren zu lassen, noch einfach: „Wir haben dann eine Chat-Gruppe erstellt und geplant wie wir das machen wollen.“ Acht der zehn Schüler sind gemeinsam zum Friseur. Kilian berichtet von seiner Haarschneideaktion: „Das war erst so surreal und dann hat man sich halt einfach hingesetzt. Aber der Moment als dann die Schere kam, da hat man sich schon fast eine Träne verdrücken müssen.“ Und auch Michael hatte Bedenken ob seiner Haarpracht: „Ich hab Löckchen gehabt und ich hatte Angst, dass die nicht mehr nachwachsen aber dann hat die Friseurin gesagt, dass dadurch die Haarstruktur nur besser hervorkommt und dann hab ich direkt gedacht, ok, ich machs.“
Elf Freunde müsst ihr sein: Überraschung gelungen
Beim nächsten Satz von Michael haben wir dann keine Trauer- sondern Lachtränen in den Augen: „Ich muss sagen, es ist das erste mal in meinem Leben, dass, wenn meine Mutter sagt, ich soll eine Mütze tragen, dann zieh ich die auch wirklich auf.“ Aber hinter der Aktion steht ja eine traurige Geschichte. Hat sich denn ihr kranker Kumpel, will ich von den Schülern wissen, letztlich über die Aktion gefreut?: „Er war auf jeden Fall überrascht und er fand das auch wirklich eine tolle Aktion. Er ist an dem Abend auch drei mal zu mir und hat sich bedankt“ antwortet Kilian. Das wäre ein toller Moment gewesen. Die Schüler berichten auch, dass ihr Freund Ihnen noch geschrieben hätte, er hätte sie alle lieb.
Haare sollen wieder länger werden
Wie geht es weiter mit den Kahlköpfen? Fast alle wollen sich die Haare wieder wachsen lassen und bei unserem Besuch sehen die Köpfe auch schon nicht mehr ganz so kahl aus wie kurz nach dem Friseurbesuch: „Ich lasse sie auch wieder nachwachsen, aber es war eine gute Erfahrung“, gibt Michael zum Besten. Nur Ede Kortlever, ein weiterer Schüler aus der Gruppe, kann sich perspektivisch mit der Frisur anfreunden: „Ich glaub, ich lass es so, ich finde es gar nicht schlecht.“ Hoffen wir, dass es dem Mitschüler der Jungs bald wieder besser geht – eines ist sicher: Er hat ziemlich gute Freunde.