Einst der größte Messweinlieferant in Südostbayern
Wie die Traunsteiner Weinhandlung Schnitzer bis zu 100 Pfarreien belieferte
Die Traunsteiner Weinhandlung Schnitzer belieferte früher bis zu 100 Pfarreien mit Messwein. Hans Schnitzer musste hierfür vor 50 Jahren noch einen Eid schwören und wurde im Ordinariat München als Lieferant vereidigt.
Traunstein - Größter Lieferant für Messwein in Südostbayern war die Weinhandlung Schnitzer in Traunstein. „Mein Vater hat 50 bis 100 Pfarreien beliefert“, berichtete Hans Schnitzer vor kurzem im Gespräch mit Chiemgau24. Das sei ein richtig gutes Geschäft gewesen, denn viele Geistliche tranken den Wein nicht nur symbolisch während der Heiligen Messe, sondern verschenkten ihn auch an verdiente Pfarrangehörige zu Geburtstagen und zu anderen Anlässen. Und nicht wenige dürften auch nach Feierabend die edlen Tropfen genossen haben. Die Bestellmenge habe in der Regel zwischen 20 und 50 Liter betragen. Manche Pfarrherren hätten aber auch regelmäßig 100 Liter bezogen. Von Berchtesgaden bis Erding, von Burghausen bis Wasserburg fuhr der alte Schnitzer nach dem Krieg mit seinem Ford-Eintonner, den Messwein aus. Später diente ein Zweieinhalb-Tonner für den Transport.
Die Familie hatte 1924 in Traunstein eine Schäfflerei eröffnet, in der man Holzfässer für die damals noch zahlreichen heimischen Brauereien fertigte. In den 1930er Jahren begann Alois Schnitzer neben der Küfnerei einen Weinhandel, der bald einen großen Kundenkreis gewonnen hatte. Ein besonderes Produkt, das man vertrieb, war Messwein. Den durfte nur verkaufen, wer einen Eid geschworen hatte, die kirchlichen Vorgaben zu beachten. Die Kirche schrieb vor: „Der Wein, der für die Feier des Abendmahls verwendet wird, muss naturrein, aus Weintrauben gewonnen und echt sein, er darf nicht verdorben und nicht mit anderen Substanzen vermischt sein. Bei der Messfeier muss ihm ein wenig Wasser beigemischt werden.“
Hans Schnitzer musste kirchliche Vorschriften einhalten
Er wuchs nach und nach ins Geschäft hinein, half mit, und übernahm 1973 den Weinhandel des Vaters. Deshalb musste auch er im Ordinariat in München antreten und schwören. Die Erklärung, die Hans Schnitzer unterschrieb, hat folgenden Wortlaut: „Ich verpflichte mich unter Eid, als Meßwein nur solchen Wein zu liefern, der nach den geltenden kirchlichen Vorschriften über die Meßweineigenschaft hergestellt wird. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium. Ich nehme zur Kenntnis, daß die Lieferung eines Meßweinzertifikats zur Erfüllung dieser Pflicht genügt.“
Die Erklärung wurde entgegengenommen vom damaligen Domdekan und Offizial Dr. Heinrich Eisenhofer. 1976 wurde die Messweinverordnung aufgehoben. Eine Vereidigung von Messweinlieferanten kann Guido Treffler vom Erzbischöflichen Ordinarit aufgrund der im Archiv überlieferten Unterlagen bis in die 1990er Jahre nachweisen. Die Praxis der Vereidigung dürfte erst mit der vom Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz am 23. Juni 2014 erlassenen neuen Messweinverordnung beendet worden sein, berichtete er auf Anfrage von chiemgau24.
Für das Erzbistum München und Freising hat diese Verordnung Erzbischof Reinhard Kardinal Marx unter dem Datum des 5. September 2014 in Kraft gesetzt. Die deutschen Bischöfe hatten 1976 vor dem Hintergrund des damaligen Lebensmittelrechts die „Verordnung über den Gebrauch von Wein bei der Eucharistiefeier“ verabschiedet. Da inzwischen das weltliche Recht die Reinheit des Weines strikt normiert und die Beimischung von Fremdstoffen weitestgehend verbietet, wurde die besagte kirchliche Verordnung aufgehoben. Die Priester sollten aber weiterhin gewissenhaft dafür Sorge tragen, dass bei der Feier der Eucharistie ein Wein verwendet wird, der mindestens den Anforderungen eines Qualitätsweines (nach deutschem Weinrecht) genügt und so der Würde des Sakramentes entspricht.
Aus praktischen Gründen kein Rotwein mehr
In früheren Jahren wurde bei der Eucharistiefeier bevorzugt Rotwein verwendet, doch kam man davon aus praktischen Gründen ab. Ein Rotweinfleck auf einem prächtigen Messgewand wirft schließlich kein gutes Licht auf den Pfarrer. Hans Schnitzer betont, nie Rotwein an die Pfarreien verkauft zu haben. Und er verrät: Im Winter haben die Geistlichen bevorzugt Süßwein von der Insel Samos für das Messopfer verwendet. Der war süß, weil der Traubenmost nicht vollständig vergoren war. Zuckern war ja verboten. Im Sommer bevorzugte man herbere Tropfen. Die bezog die Familie Schnitzer vom Niederkirchener Winzerverein bei Deidesheim in der Pfalz.
Hans Schnitzer glaubt, er sei der letzte Messweinlieferant, der in Oberbayern vereidigt wurde. Heute betreiben seine Enkel Stefan und Kajetan neben einer Edelbrandbrennerei den von ihrem Urgroßvater gegründeten Weinhandel. Der Messwein spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle. Nicht einmal mehr ein Dutzend Pfarreien bestellen hier regelmäßig den Wein für die Eucharistiefeier.
Beliebtes Beutegut am Ende des Zweiten Weltkriegs
Als die Amerikaner im Mai 1945 im Chiemgau einmarschierten, versuchten viele von ihnen, Kriegsbeute zu machen. Bevorzugt hatten sie es auf Armbanduhren und Elektro-Kleingeräte abgesehen, von denen letztere in der ländlichen Gegend ausgesprochen rar waren. Besonders gefragt war auch der Messwein, den die Geistlichen in den Kellern ihrer Pfarrhöfe gelagert hatten. Als das Erzbischöfliche Ordinariat München-Freising kurz nach Kriegsende seine Seelsorger aufforderte, über das Ende des Zweiten Weltkriegs in ihrer Pfarrei zu berichten, da wurde auch ausdrücklich gefragt, ob die Besatzer Messwein gestohlen haben.
Etliche findige Pfarrer hatten in weiser Voraussicht ihre wertvollen flüssigen Vorräte versteckt oder gar vergraben, um sie vor diebischen Besatzungssoldaten zu schützen. Messwein galt für letztere vermutlich als unbedenklich. Die Gefahr, dass sie damit vergiftet werden könnten, schätzten sie gering ein.
Klaus Oberkandler
