Anwohner fürchten Hochwasser - Stadt Tittmoning um Lösung bemüht
Risiko Stillbach bei Regen: Verwandelt sich Kirchheim in ein zweites Simbach?
Beschaulich fließt der Stillbach durch Kirchheim. Doch der friedvolle Name des Gewässers trügt: Denn bei Regen verwandelt er sich innerhalb kürzester Zeit in einen reißenden Fluss. Was passiert, wenn das Wasser über die Ufer tritt, haben Anwohner schon oft erlebt - allen voran die Familie Huber, deren Grundstück sich wenige Meter neben dem Bach befindet. Die Anwohner appellieren an die Stadt, endlich präventiv zu handeln.
Tittmoning - „Nicht zum ersten Mal stand bei uns knöcheltief das Wasser in den Werkstatthallen“, beschreibt Georg Huber, dem der gleichnamige Landmaschinenhandel gehört, gegenüber chiemgau24.de und deutet auf jene Stellen, die sich der Stillbach in der Vergangenheit und auch zuletzt wieder eroberte hatte.
Mit zuletzt meint der Landmaschinenhändler den 30. August 2021 nach dem verregneten letzten August-Wochenende. Da habe sich die Situation einmal mehr als brenzlig dargestellt. Auch Ende Juli diesen Jahres sei Kirchheim nur „knapp einer Katastrophe“ entkommen. „Weil es hier aufgehört hat zu regnen, während das Berchtesgadener Land überflutet wurde“, schildert seine Frau Pia Huber, die zu dem Zeitpunkt bereits die Stadt alarmiert habe, dass Sandsäcke vonnöten seien.
Nach dem Regen hätten sie selbst umgestürzte und entwurzelte Bäume aus dem Stillbach entfernt, nachdem die Stadt nicht gehandelt habe. Der Bach brauche zudem Tage, um wieder auf normalem Niveau fließen zu können, im Flusslauf finden sich Sand und Schlamm, die ihm eine dreckige braune Farbe verleihen. Früher habe der Bach einen stabilen Fischbestand gehabt, seit der Versandung suche man selbst vergeblich nach Bachforellen. Koppen gebe es schon lange nicht mehr.
Einleitungen lassen Pegel des Stillbachs bei Regen radikal steigen
Die Gebäude der ehemaligen Schmiede der Familie Huber steht seit 1864 am selben Ort, der Stillbach fließt seit jeher beschaulich um das Grundstück. In den letzten Jahren habe die Gefahr, dass er über die Ufer tritt wenn es tagelang regnet immer mehr zugenommen. „Sobald es auch nur ein wenig regnet ist sofort enorm viel Wasser da. Pro Minute steigt der Stillbach um bis zu zwei Zentimeter an“, weiß Pia Huber.
Sie ist überzeugt, dass der Pegel mitunter wegen Einleitungen von Oberflächenwasser sanierter umliegenden Straßen wie der Staatstraße 2106 oder der TS 16 regelmäßig ansteigt. Die Folge: schwere Überschwemmungen, da entsprechende Auffangbecken fehlen.
Seit mehr als zehn Jahren versucht sie die Behörden, allen voran die Stadt Tittmoning, das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt Traunstein, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die vom Stillbach ausgehen. Seit dem Hochwasser 2013 wurde sie hartnäckiger. Passiert ist bis heute aber nichts.
Pia Huber kommt es so vor, als würde die Sache „abgewiegelt“, sie fühlt sich für nicht ernst genommen. Sogar einen Anwalt hat sie schon eingeschaltet, damit die Familie als direkter Anlieger zumindest Einblick ins Wasserbuch bekommt.
Dann fand sie plötzlich eines Tages einen Handzettel im Briefkasten - von der Stadt Tittmoning verteilt über die Feuerwehr an alle Haushalte im Ortsteil Kirchheim. Darin wird auf die Gefahren hingewiesen, die vom Stillbach ausgehen können und dass die Bewohner Ruhe bewahren sollen. Kurzerhand entschieden sich die Anwohner, ein Treffen einzuberufen. „Auf einmal haben alle Angst - weil es eben so schnell gehen kann“, schildert Pia Huber und zeigt uns Aufnahmen vom jüngsten Hochwasser.
„Ein Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts hat schon einmal den Satz ausgesprochen, dass Kirchheim prädestiniert sei für ein zweites Simbach“, unterstreicht Georg Huber den Ernst der Lage. Er würde das schließlich nicht ohne Grund sagen.
„Hier ist dringendes Handeln gefordert“, ergänzt seine Frau. „Der Fokus darf nicht nur auf der Salzach liegen - für uns stellt der Stillbach die weitaus größere Gefahr dar und es kommt der Tag, an dem der Fluss massiv über die Ufer tritt und sich seinen Weg in die Dorfmitte bahnt. Muss denn erst etwas passieren, dass gehandelt wird?“
Bürgermeister von Tittmoning positioniert sich
Diese Frage geben wir 1:1 an die Stadt Tittmoning weiter, die für den Stillbach als Gewässer dritter Ordnung zuständig ist. Bürgermeister Andreas Bratzdrum ist sich der Thematik nicht erst seit der durchaus kritischen Lage am 30. August bewusst - weswegen in Abstimmung mit Feuerwehr, Kreisbrandinspektion und Polizei, die Bevölkerung mittels Flugblättern frühzeitig gewarnt worden sei.
Langfristig aber sei man durchaus um eine Lösung bemüht, bekräftigt das Stadtoberhaupt. Man wolle das Problem in den Griff bekommen, da eine übermäßige Überflutung jederzeit wieder auftreten könne. Der Wille zum Handeln sei da, verspricht der Bürgermeister: „Das Thema ist ganz aktuell und steht prioritär im Raum.“
Kurzfristige bauliche Maßnahmen vor langfristigem Hochwasserschutz
So habe der Stadtrat bereits beschlossen, beim Freistaat ein sogenanntes „Integrales Hochwasserschutz- und Rückhaltekonzept“ zu beantragen. Darin sollen geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes am Stillbach aufgezeigt werden, erklärt Bratzdrum die langfristigen Pläne, die nach Ausarbeitung Zug um Zug umgesetzt werden sollen. Zudem wolle man am Stillbach Rückhalteräume für Wasser im Oberlauf schaffen, damit Kirchheim künftig nicht mehr übermäßig von übergetretenen Wassermengen belastet werde.
Kurzfristig werde man nun im Oktober in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts und dem Wasserwirtschaftsamt einen Begehungstermin wahrnehmen. Das Ausschneiden von Bewuchs, um den Durchfluss des Wassers zu verbessern, sei dabei eine der Möglichkeiten.
Darüber hinaus gebe es als nächsten Schritt einen Ortstermin mit der Abteilung Gewässerbau des Wasserwirtschaftsamts, bei dem sich die Stadt in punkto kurzfristigem Hochwasserschutz am Stillbach mittels baulicher Maßnahmen beraten lasse.
mb




