Blick ins OVB-Zeitungsarchiv
Gewehrkugel mit Gebiss gefangen: 1975 starb der Traunsteiner Zauberkünstler Bialla an der Kampenwand
Vor 50 Jahren musste das Oberbayerische Volksblatt (OVB) seinen Lesern die traurige Nachricht mitteilen: Der Traunsteiner Zauberkünstler Ralf Bialla war bei einem Sturz von seinem „Hausberg“, der Kampenwand, gestorben. Wir zeichnen sein Leben an Hand von Berichten aus dem OVB-Zeitungsarchiv nach.
Aschau im Chiemgau/Rosenheim/Traunstein - „Bei einem Sturz vom Hauptgipfel der Kampenwand kam der 54-jährige Zauberkünstler Ralph Bialla, bekannt als ‚der Mann, der eine abgefeuerte Gewehrkugel mit dem Gebiss abfängt‘, ums Leben. Angehörige der Wasserburger Bergwacht fanden den Toten gestern früh am Fuß der Hauptgipfel-Südwand“, musste das Oberbayerische Volksblatt (OVB) am 31. Juli 1975 seinen Lesern mitteilen. Er habe bei der Kasse der Kabinenbahn in Aschau einen Zettel mit der Nachricht hinterlassen, man solle eine bestimmte Telefonnummer anrufen, wenn er nicht bis 18.30 zurückgekehrt sei. „Es meldete sich die Luftrettung Stuttgart. Sofort starteten zwei Helikopter und flogen das Gebiet um die Kampenwand ab.“
„Wie die Frau des Verunglückten der Polizei mitteilte, litt Bialla schon seit längerer Zeit an Kreislaufschwäche. Es sei nicht das erste Mal, dass Ralph Bialla vor Bergtouren solche Nachrichten hinterlassen habe, meinte seine Frau, die erst am gestrigen Mittwoch gegen 15 Uhr von dem Unglück erfuhr“, so der Bericht weiter, „Der Bereitschaftsleiter der Schlechinger Bergwacht versichert, Bialla habe am Dienstag nicht vorgehabt, zum Klettern zu gehen. Er wollte lediglich an die frische Luft, weil ihm dies der Arzt nach einem Herzkollaps, den Bialla vor einigen Tagen erlitten hatte, verordnete. Deshalb habe der versierte Kletterer bei der Tour auf seinen Hausberg auch kein Seil mitgenommen.“ Die Polizei ging in der Folge ebenfalls davon aus, dass es sich um einen Unfalltod in Folge eines Schwindelanfalls handelte.
Sturz von seinem „Hausberg“: 1975 starb der Traunsteiner Zauberkünstler Bialla
„Geboren wurde der Künstler als Sohn eines wohlhabenden Dresdner Fabrikbesitzers und Kleiderfabrikanten. Mit 14 Jahren entdeckte er seine Leidenschaft für Zauberei und beschloss nach kurzer Kriegsgefangenschaft 1945 – die Bombardierungen und die Enteignungen durch die Sowjets hatten das Familienunternehmen zunichte gemacht –, die Zauberei zum Beruf zu machen“, fasste Klaus Oberkandler 2021 seinen frühen Lebensweg für die OVB-Heimatzeitungen zusammen, „Nach der Hochzeit 1946 zogen er und seine Frau wegen ihrer Liebe zu den Bergen nach Grassau. Bialla begann als Hilfsarbeiter und zeigte seine Kunststücke abends vor amerikanischen Soldaten. Die Karriere nahm Fahrt auf. Es folgten gefeierte Auftritte in England, Frankreich und Südamerika. 1955 zogen die Biallas mit ihrer Tochter nach Traunstein.“
Über einen seiner frühen Auftritte in Rosenheim erfahren wir aus einem Bericht im OVB vom 10. Oktober 1953: „Vor Antritt seines Frankfurter Gastspiels zeigte gestern Abend der mehrfach international ausgezeichnete Magier Ralf Bialla im Roxy-Filmtheater vor Beginn des Hauptfilms 20 Minuten lang seine Zauberkünste. Wer ihn anschließend in der Garderobe sprechen konnte, sah einen Mann, dem die Schweißperlen auf der Stirne standen“, heißt es darin, „Bialla begann spielerisch, wie es schien, mit Billardkugel-Manipulationen, ließ anschließend seinen Papagei Laura verschwinden, zog sich dann sechs brennende Glühlampen aus dem Mund und warf schließlich, als optischen Clou seines Programms, einen Radioapparat in die Luft, aus der er nicht wiederkehrte. [...] Biallas Abgang von der Bühne war von geräuschvollem Beifallklatschen begleitet, das Publikum hatte echte Leistungen honoriert.“
Verletzungen durch Kugelfang-Zaubertrick führten zum verheerenden Schwindelanfall
„Seine Schußnummer war der Höhepunkt seines artistischen Wirkens: Aus einer Schachtel Kleinkaliber-Scheibenmunition wählte er ein Geschoss aus, eine beliebige Person aus dem Publikum kennzeichnete es, die Scheibenpistole des Künstlers wurde geladen“, erfahren wir aus einem am 2. August 1975 in der Zeitung erschienenen Nachruf, „Dann stellte sich Bialla hinter eine Glasscheibe, auf sein Kommando schoss ein Gast. Ein Knall, die Scheibe splitterte — Bialla hatte das Projektil zwischen den Zähnen.“ Der Trick dabei: Das Geschoss stellte er selbst her, durch richtige Dosierung der Schießpulvermenge wurde dessen Wucht ebenso wie durch die Scheibe reduziert. Die Kugel fing er mit einem Spezial-Gebiß auf.
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Doch obwohl er außerdem noch eine Panzerglas-Brille und schwere Handschuhe trug, blieben Unfälle nicht aus, wie der Nachruf ergänzt: „1966 wurde er im Gesicht verletzt. Im gleichen Jahr traf ihn in Köln ein Geschoss in die Augenhöhle. Wenige Monate später schoss man ihm in Amsterdam die Nasenspitze weg, und ein Jahr später traf ihn ein Geschoss in die Zunge. Im Juli 1968 traf eine Journalistin in Berlin erneut Biallas Nase, im Oktober des gleichen Jahres berichteten die Ärzte: glatter Durchschuss des Unterkiefers in Athen. Im August 1969 war es zur Abwechslung wieder einmal die Unterlippe, die ein ungeübter Schütze in Berlin aufs Korn nahm.“
Es wird vermutet, dass dem sein Unglück verursachende Schwindelanfall seine Ursache in diesen ständigen Verletzungen hatte. Ihren Höhepunkt hatte seine Karriere in den 1970ern, am 8. Juni 1975 noch war er vor 35.000 Zuschauern in New York im Madison Square Garden aufgetreten. „Bialla errang nicht nur einen Oscar für die beste artistische Leistung italienischen Fernsehen, er wurde auch vom damaligen Präsidenten Charles de Gaulle als einziger Nichtfranzose mit der Auszeichnung ‚Grd. Officier de l‘Ordre Merite‘ geehrt. Tourneen führten ihn um die ganze Welt. Der Schah, Farah Diba, Hussein von Jordanien, die Queen und Prinz Philip und andere gekrönte Häupter zählten zu seinen Bewunderern.“ Der Artikel resümiert: „Bei manchem Krankenhausaufenthalt dachte Bialla ans Aufhören, war er aber wieder ‚auf freiem Fuß‘, dann konnte er dem Abenteuer nicht widerstehen.“
