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41 von 50 Bewohnern mit Coronavirus infiziert

Allein sterben: Wie das Siegsdorfer Heim St. Hildegard mit dem Tod von neun Bewohnern umgeht

Mit Blick auf das Kloster Maria Eck: Schwester M. Aloisiana und Schwester M. Felana leben in der Gemeinschaft von St. Hildegard.
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Mit Blick auf das Kloster Maria Eck: Schwester M. Aloisiana und Schwester M. Felana leben in der Gemeinschaft von St. Hildegard.

41 Bewohner haben sich infiziert, neun von ihnen sind gestorben. Die Schwestern und Brüder im Siegsdorfer Heim St. Hildegard haben viel mitgemacht in der Corona-Pandemie. Wie geht es Menschen, die ihr Leben Gott gewidmet haben, mit diesem Verlust?

Siegsdorf – „Ich war erst mal belämmert. Dann hab ich gemerkt, wie müde und kaputt ich bin.“ Der 11. November 2020 hat sich in Schwester M. Aloisianas (84) Gedächtnis eingebrannt. Denn an diesem Tag wurde die erste Corona-Infektion in der Senioren- und Pflegeeinrichtung St. Hildegard im Siegsdorfer Ortsteil Alzing bekannt. 41 der 50 Bewohner infizierten sich binnen kürzester Zeit, neun starben.

Das Siegsdorfer Heim ist ein besonderes. Denn ausschließlich Angehörige aus Ordensgemeinschaften verbringen hier ihren Lebensabend. „Wir sind kein reines Pflegeheim, sondern ein Konvent“, erklärt Betriebsleiterin Elfriede Dienhart. Das Leben ist durch Gemeinschaft bestimmt. „Wir orientieren uns organisatorisch und in der Pflege am Tagesablauf der Bewohner und nicht andersherum“, so die Leiterin.

Gebete prägen den Tag

Schon um 6.45 Uhr treffen sich die Bewohner jeden Tag zum Lobpreis Gottes. Anschließend gehen sie gemeinsam zum Frühstück. Um halb 12 wird gemeinsam gebetet, danach essen sie zu Mittag. Am Nachmittag wird Kaffee getrunken, bis man sich um Viertel vor fünf zum Rosenkranz versammelt. Anschließend wird die Vesper gebetet, dann gibt es Abendessen. Der Tag schließt ab mit dem Beten der Komplet.

„Auch die mit dem Gehwagerl, alle kommen in die Kapelle“, erklärt Schwester Aloisiana. Sollte jemand die Kommunion dort nicht empfangen können, so wird diese auf das Zimmer gebracht.

Bis von einem Tag auf den anderen alle Rituale ausfallen. Die Bewohner müssen sich wegen der Infektion in eine strenge Einzelquarantäne auf ihren Zimmern begeben.

„Noch nicht einmal Gebetsbücher hatten wir dort“, sagt Schwester Aloisiana. Immerhin: Über den Lautsprecher bekommen die Schwestern die Laudes von Haus- und Konventoberin Schwester Raphaela vorgebetet und auf ihre Zimmer übertragen.

Isolation statt Gemeinschaft

Über zwei Wochen warten die Schwestern in ihren Zimmern. „Ein Schock, dass wir plötzlich nicht mehr raus durften“, sagt Schwester Felana (81). Eine schlimme Erfahrung, findet auch Schwester Aloisiana. Beide erkranken im November 2020 an Corona. Sie sprechen im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen aber nicht von ihren eigenen Symptomen und der Angst. Die schwerste Erfahrung war eine andere: der Verlust der Gemeinschaft. „Besonders schlimm war, dass man sich nicht verabschieden konnte“, sagt Schwester Aloisiana und Schwester Felana nickt zustimmend. Der November 2020 bewegt sie. Über Lautsprecher wurde mitgeteilt, wenn jemand gestorben war. Und dies war besonders schmerzlich: „Wir haben ja eigentlich eine so gute Kultur und Rituale zum Abschied nehmen. Und so waren sie einfach fort.“ Schwester Aloisiana kommen die Tränen, wenn sie an den Moment denkt, als eine Mitschwester starb: „Die geht heim und niemand ist dabei.“

Als ehemalige Krankenschwester sei sie oft mit dem Sterben konfrontiert gewesen, habe Menschen begleitet. „Aber es ist ganz anders, wenn man die Erlösung und den Tod gönnt und jemandem durch das Gebet und die Anwesenheit hilft“, sagt sie. Zwar habe man auch damals mal geweint, aber hinterher sei es dann tröstlich und gut gewesen.

„Ohnmacht schlimmer als Corona“

Auch für das Personal sei die Situation wegen der Hilflosigkeit extrem schwer auszuhalten gewesen. Pflegedienstleiterin Sandra Koppers war selbst erkrankt: „Das Gefühl der Ohnmacht, dass ich nichts tun kann, das war eigentlich schlimmer als die Krankheit selbst.“ Von den 14 Mitarbeitern in der Pflege fiel ein Großteil aus. Die organisatorische Frage sei aber nur ein Aspekt gewesen, weit aus belastender die Todesfälle. „Es war unfassbar, als ein Bruder und eine Schwester nach der anderen heimgegangen sind“, sagt Koppers. Ohne sich verabschieden zu können – das bedauert und erschüttert sie noch heute.

Als Koppers genesen war und wieder in die Arbeit kommen durfte, sei das ein ganz eigenartiges Gefühl gewesen. „Diese leeren Zimmer zu sehen.“ Koppers Stimme stockt. St. Hildegard ist nämlich auch in der Hinsicht ein besonderes Heim. Wo es eben nicht nur um eine Dienstleistung geht. „Wir sind ein sehr familiäres Haus“, sagt Koppers.

Verankert in der Gemeinschaft

„Wir gehen halt nicht nur in die Arbeit, sondern wir kommen zu unseren Schwestern und Brüdern. Und wir wissen, was wir an ihnen haben“, sagt Koppers. „Und wir wissen, was wir an Ihnen haben“, erwidert Schwester Felana und nickt ihr gemeinsam mit Schwester Aloisiana zu.

Für alle sei der Moment befreiend gewesen, als die Infektionen überstanden waren und sie sich wiedersehen konnten. „Das war wunderbar“, erinnert sich Schwester Alosiana und lächelt still.

Mitarbeiter, Schwestern und Angehörige konnten in einem Gottesdienst nach dem Ausbruch auch Abschied von den Verstorbenen nehmen. Eine Erleichterung, aber den vier Damen ist anzumerken, wie schwer der Verlust und das Erlebte noch an ihnen nagt.

Ob die schrecklichen Erlebnisse die beiden Schwestern in ihrem Glauben erschüttert haben? Die beiden halten kurz inne und denken nach. „Erschüttert nicht. Man muss es akzeptieren“, sagt Schwester Aloisiana und Schwester Felana stimmt ihr zu. Das sei eben der Wille Gottes, auch wenn die Situation sie mitgenommen habe. Trost gibt den beiden, für die neun Verstorbenen beten zu können.

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