Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Urteil heuer nicht mehr zu erwarten

Sexueller Missbrauch durch Priester: „Bitter, dass der Täter am Ende mit null rausgeht“

Prozess_in_Traunstei_78430585.jpg
+
Der Kläger Andreas Perr (M) und seine Anwälte Andreas Schulz (l) und Markus Goldbach (r) sitzen vor Prozessbeginn an ihrem Platz im Gerichtssaal des Landgericht Traunstein. Verhandelt wird in dem Prozess gegen Verantwortliche des Erzbistums München wegen angeblicher Mitschuld am Missbrauchsskandal. Perr gibt an, von einem Priester in Garching an der Alz missbraucht worden zu sein, hat diesen Priester sowie Verantwortungsträger des Erzbistums München und Freising verklagt.

Traunstein, Garching a. d. Alz – Bei dem anstehenden Zivilverfahren gegen das Erzbistum München-Freising geht es um mehr als nur um Geld, denn es könnte Rechtsgeschichte geschrieben werden. Anwalt Andreas Schulz fordert dennoch 350.000 Euro Schmerzensgeld für seinen Mandanten, der in Garching an der Alz von Priester H. sexuell missbraucht worden sein soll.

Update, 14.46 Uhr – Urteil heuer nicht zu erwarten

Dr. Lehner der Rechtsanwalt der Erzdiözese sagt im weiteren Verlauf der Verhandlung, dass diese zutiefst bedauere, welches Leid dem Kläger widerfahren sei, dennoch lehnt der Anwalt die Zahlung von mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld ab und bittet das Gericht um eine Einschätzung. Laut der Vorsitzenden Richterin vertritt die Kammer die Ansicht, dass ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegenüber dem Erzbistum als Arbeitgeber des Priesters besteht, vor allem auch deswegen, weil sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts erhöhter Sorgfaltspflicht unterliegt. 

Priester beging Missbrauch im Rahmen seiner Tätigkeit

Es sei unstrittig, dass der Priester sich zunutze machte, und während der Ausübung seiner Tätigkeit den Kläger missbrauchte. er seine Tätigkeit ausübte. Auch bezüglich des Handelns des Amtsträgers Joseph Ratzinger bestehen hier Haftungsansprüche. Dieser habe trotz der einschlägigen Verurteilung des Priesters keine weiteren Maßnahmen bezüglich dessen Einsatzes im seelsorgerischen Bereichs ergriffen. Das Gleiche gelte auch in Bezug auf Kardinal Wetter, der für die wesentliche Zeit der Anstellung des Priesters in Garching verantwortlich war.

Richterin: Anspruch auf Schadensersatz besteht

Es bestehe seitens des Gerichtes also ein Anspruch auf die Zahlung eines Schadensersatzes gegenüber dem Bistum – aber nicht gegen den Priester selbst, weil die Haftung für seine Tat auf die Kirche übergegangen sei. Die Feststellungsklage und die Klage wegen Schadensersatzes sei dem Täter gegenüber demnach unzulässig. Auf diese Mitteilung der Richterin sagt der Vertreter des Klägers, Andreas Schulz: „Es ist bitter, dass der Täter am Ende des Tages mit Null rausgeht.“ Die Vorsitzende Richterin erklärt anschließend, dass das Bistum nun bestreiten könne, dass die Missbrauchshandlung eine schädigende Auswirkung auf den Lebenslauf des Klägers hatte und bei ihm zu Alkohol- und Drogenmissbrauch geführt habe. Hierfür müsse dann durch einen Tatsachennachweis anhand von Zeugenaussagen oder Urkunden Beweise erbracht werden.

Pressesprecherin: Urteil heuer nicht zu erwarten

Laut der Richterin ist also der Anspruch auf Schmerzensgeld grundlegend gegeben, aber hinsichtlich der Höhe müsse noch eine Beweisaufnahme erfolgen, welche sich auf den Lebenslauf und die Folgen der Missbrauchstat für den Kläger beziehe. Von der Kammer wurde daraufhin ein Beweisbeschluss erlassen, die Verkündung der Entscheidung hierzu werde am 14. Juli um 9 Uhr erfolgen. Laut einem Statement der Pressesprecherin des Landgerichts, Andrea Titz, könne das Gericht ohne Beweise nicht entscheiden, wie stark die Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs auf den Kläger waren und in Zukunft sein werden. Diesbezüglich werden eventuell auch mehrere Termine für die Beweisaufnahme angesetzt müssen. Auch das Gutachten eines Sachverständigen müsse hierzu erstellt werden. Die Pressesprecherin sagt, dass es recht unwahrscheinlich sei, dass noch in diesem Jahr ein Urteil in dem Zivilprozess falle.

Update, 13.30 Uhr - Folgen des Missbrauchs für das Leben des Klägers strittig

Der Prozess gegen den ehemaligen Pfarrer von Garching an der Alz und das Erzbistum München-Freising beginnt mit leichter Verspätung. Etliche Fotografen und Presseteams tummeln sich im Gerichtssaal, aber auch der Betroffenenvertreter des Erzbistums und mehrere Mitglieder von Betroffeneninitiativen befinden sich im Publikum. Der Kläger Andreas Perr und sein Berliner Anwalt haben sich bereits auf ihren Plätzen eingefunden. Es dürfte sich um einen einen Wendepunkt im Leben des 39-Jährigen handeln, der angab, mit einem Alter von 12 Jahren von dem Priester sexuell missbraucht worden zu sein. 

Kläger war einer der Ministranten des Priesters

Von dem beklagten Peter H. ist bisher nichts zu sehen. Rosi Mittermeier, Sprecherin der Betroffeneninitiative Sauerteig aus Garching an der Alz, hatte bereits im Vorfeld vermutet, dass der ehemalige Pfarrer sich wohl entschuldigen werde. Er wird von der Anwaltskanzlei Westermeyr & Lerg vertreten. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Mann wegen der Missbrauchsvorwürfe aus dem Priesterstand enthoben. Mittermeier und ihr Mann kennen den ehemaligen Pfarrer seit Jahren. In Garching soll der Mann an die 300 Ministranten angeführt haben, einer von ihnen war der Kläger Andreas Perr.

Der Kläger Andreas Perr (M) und seine Anwälte Andreas Schulz (r) und Markus Goldbach (l) stehen zu Prozessbeginn an ihren Plätzen im Gerichtssaal des Landgericht Traunstein.

Rechtsnachfolge Ratzingers nicht in der Hand deutscher Gerichte

Jetzt betritt die Vorsitzende Richterin Dr. Nitzinger-Spann den Gerichtssaal. 5. Zivilkammer des Landgerichts Traunsteins. Ganz zu Beginn unterrichtet sie, dass es sich in diesem Verfahren um einen Zivilprozess handelt und es am Ende nicht zu einem Strafurteil kommt, sondern nur zu einer Feststellung, ob ein schuldrechtlicher Anspruch an die Beklagten bestehe. Aus diesem Grund werde nur in Bezug auf die vorgetragenen Tatsachen entschieden und ermittele nicht von Amts wegen. Auf die Rechtsnachfolge-Klärung bezüglich des Beklagten Joseph Ratzinger habe man als deutsches Gericht keinen Einfluss, so sei nicht absehbar, wann hier die Erbschaft geklärt werde.

Unstrittig: Verantwortung über Einsatz des Priesters

Es sei unstrittig zwischen Beklagten und Kläger, dass es im Sommer 1995 oder 1996 im Wohnzimmer des Pfarrhauses von Garching zu einer Missbrauchshandlung des Peter H. gegenüber dem Kläger Perr gekommen sei. Außerdem sei unstrittig, dass im November 1980 bei einer Ordinariatssitzung die Übernahme des Priesters Peter H. in das Bistum München-Freising besprochen wurde, und Ratzinger hiervon Bescheid wusste. Außerdem sei unstrittig, dass Kardinal Wetter als Erzbischof des Bistums die Entscheidung für den Einsatz des Priesters in der Gemeinde Garching mitgetragen hat. Dennoch war Klage gegen Kardinal Friedrich Wetter zurückgezogen worden.

Strittig: Folgen und Kausalität der Folgen

Strittig sei nur die Frage nach den Folgen der Missbrauchshandlungen für den Kläger und die Kausalität. Laut der Vorsitzenden Richterin habe der Kläger angegeben, dass er durch die Missbrauchshandlung eine seelische Störung erlitt, die dann wiederum zu Alkohol- und Drogenabhängigkeit geführt habe, die dann auch im weiteren Leben zu Schwierigkeiten geführt habe. Diese Tatsache werde seitens der Beklagten bestritten.

Update, 12.09 Uhr - Missbrauchs-Prozess in Traunstein: Klage gegen Wetter fallengelassen

Am Landgericht Traunstein ist der Medienrummel groß. Mehr als eine Stunde vor Beginn der Verhandlung drängen sich Kameras um den Kläger Andreas Perr und seinen Berliner Anwalt Andreas Schulz. Auch der Betroffenenvertreter des Erzbistums München-Freisings, Richard Kick, hat sich vor dem Gericht eingefunden. Auf der Straße zum Gericht finden sich einige Demonstranten, die im Stadtpark an einer Kundgebung der kirchlichen Fraueninitiative Maria 2.0 und der Betroffeneninitiative Sauerteig aus Garching an der Alz teilnehmen werden. 

Neues Missbrauchsurteil vom Landgericht Köln

Andreas Schulz kündigt an, dass die Entscheidung des Landgerichtes sehr interessant für weitere Verfahren werden dürfte. Erst kürzlich wurde vom Landgericht Köln ein bedeutendes Urteil in einem Missbrauchsprozess gefällt: Ein früherer Messdiener soll für den jahrelangen sexuellen Missbrauch durch einen Priester 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum Köln erhalten. Diese Entscheidung löst auf kirchlicher Seite die Befürchtung einer Klagewelle aus. Laut Schulz werde nun interessant, wie das Landgericht Traunstein in diesem Fall urteile, weil es im Gegensatz zum Kölner Fall nur um eine Missbrauchstat gehe. 

Rechtsanwalt Andreas Schulz und Kläger Andreas Perr

300.000 Euro Schmerzensgeld gefordert

Im Vorfeld des Prozesses habe der Anwalt wie üblich mit der Gegenseite – dem Erzbistum München-Freising – Kontakt wegen der Schmerzensgeld-Forderung aufgenommen. Von kirchlicher Seite hatte man sich an einer außergerichtlichen Einigung interessiert gezeigt. Doch hier spiele natürlich eine entscheidende Rolle, wie hoch die Schmerzensgeld-Forderung sei, so Schulz. Gegenüber dem Erzbistum hatte der Anwalt für seinen Kläger 300.000 Euro gefordert, von den Erben des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. 50.000 Euro. Diese schmerzlich hohe Forderung dürfte das Bistum wohl eher dazu bewegen, auf die gerichtliche Entscheidung zu warten.

Klage gegen Wetter fallengelassen

Das Urteil im Kölner Prozess wird ebenso wie das aus dem Traunsteiner Prozess die Geschichte von Missbrauchsurteilen in Deutschland neu schreiben, da es auf einer Seite ein Urteil im Fall mehrfachen und jahrelangen Missbrauchs und im anderen Fall eine Einzeltat betrifft. Schulz betonte vor Beginn der Verhandlung, dass die Klage gegen Kardinal Friedrich Wetter fallengelassen wurde.

Das Erzbistum München-Fresing soll die Haftung für diesen Fall übernommen haben. Das Verfahren gegen den ehemaligen Papst Benedikt XVI., bzw. seine Erben, wurde – wie gestern vom Landgericht Traunstein mitgeteilt – abgespalten. Ratzinger wird durch Bekanntwerdens eines Briefwechsels schwer belastet, der als Beweis dafür eingesetzt werden dürfte, dass er über die Missbrauchstaten des Priesters Bescheid gewusst hatte, und ihn dennoch weiterhin in der Gemeindearbeit einsetzte. 

Vorbericht:

Der Prozessbeginn am Landgericht Traunstein am 20. Juni dürfte von vielen Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch Kirchenmänner mit Spannung erwartet werden. Um 12 Uhr startet die Hauptverhandlung im Zivilverfahrens gegen den Ex-Priester Peter H. und seinen „Arbeitgeber“, das Erzbistum München-Freising sowie den verantwortlichen Kirchenmann Friedrich Wetter. Der Prozess gegen den ehemaligen Papst Benedikt XVI. wurde nun von dem Verfahren abgetrennt, da die Rechtsnachfolge noch nicht geklärt ist, und noch nicht absehbar ist, wann dies der Fall sein könnte.

Einsatz trotz Vorverurteilung

In dem anstehenden Verfahren soll nun grundlegend festgestellt werden, ob sexueller Missbrauch vorlag. Peter H. war trotz einschlägiger Vorverurteilung im Jahr 1986 noch über 20 Jahre als Priester in der Jugendarbeit eingesetzt worden. Im Münchner Missbrauchsgutachten, das im Januar 2022 veröffentlicht wurde, war dem ehemaligen Garchinger Gemeindepfarrer und seinem „Walten“ ein ganzer Sonderband gewidmet worden.

Richard Kick vom Betroffenenrat Erzbistum München-Freising

Es sollen inzwischen 29 seiner Opfer bekannt sein. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. , der nichts von der einschlägigen Verurteilung des Peter H. gewusst haben wollte, wurde von den Gutachtern angezweifelt und Verdeckung vermutet. Umfangreiche Recherchen von Correctiv weisen auf sein Mitwissen hin.

Initiative hofft auf Urteil

Demonstration vor Landgericht Traunstein

„Wir erhoffen uns von dem Prozess eine klare Analyse und Feststellung der drei Verantwortungsdimensionen: dem Täter, seinen Vorgesetzten und den obersten Leitungsgremien im Vatikan in Person von Joseph Ratzinger“, so die Betroffenen-Initiative Sauerteig aus Garching in einem Pressestatement. Letztere habe in mehreren Dekreten die Anordnung zur Vertuschung gegeben. Nach Ansicht der Initiative ist der Prozess für die katholische Kirche von größter Bedeutung, da er eine Chance bietet, Anordnungen und Vorgehensweisen innerhalb der Kirche zu identifizieren, die pädokriminellen Tätern Vorschub und Deckung leisteten. Parallel zum Prozess findet eine Mahnwache der kirchlichen Fraueninitiative Maria 2.0 im Stadtpark Traunstein statt.

Kommentare