Eine Überseer Legende - kommt es zum Revival?
Noch heute schwärmen viele von den Partys: Wie der Roots Club zum Mythos wurde
Im Achental war mal mächtig was los: Zwischen München und Salzburg war der Roots Club eine echte Größe im Nachtleben. Noch heute schwärmen viele Chiemgauer von den Partys. Dürfen Sie sich auf ein Revival freuen?
Übersee – Im Überseer Roots Club zu feiern hat sich in das kollektive Gedächtnis vieler Chiemgauer gebrannt. Obwohl der Club schon lange geschlossen ist, erinnern sich heute noch viele Menschen aus dem Achental an die legendären Parties im Saal des Gasthofes d‘Feldwies.
Roots-Club-Betreiber Andreas König (49), besser bekannt als „Kono“, ergriff damals eine Chance, erzählt er im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. „Im Chiemgau gab es Anfang der 90er Jahre so gut wie keine Nachtgastronomie und Veranstaltungen für junge Leute.“ Dass es auch anders gehen kann, wusste Kono von einem Freund in Aschaffenburg. Der organisierte dort Partys und so kam auch Kono, eigentlich gelernter Elektroniker, auf den Geschmack. Er war noch keine 20 Jahre alt und stieg selbst in die Nachtastronomie ein.
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Gleich sein erster Event, ein Open Air am Chiemsee, war ein finanzielles Desaster, weil es wie aus Eimer goss. Kein gutes Omen, aber König ließ nicht locker und kam auf den Saal des Gasthauses d‘Feldwies in Übersee, den er über den Winter 1994/95 mit zwei Spezln pachtete. Los ging es dort mit Konzerten. Die Band „Blackeyed Blonde“ trat am ersten Abend auf. „Wir wussten ja nicht, was auf uns zukommt. Prompt standen um sieben Uhr schon 500 Leute vor der Tür“, erinnert sich Kono im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Zu Klängen von Quentin Tarantino
Zwischendrin gab es schon damals die Partys, irgendwann stiegen Kono und seine Mitstreiter komplett auf sie um. Keine dumpfe Dorfdisco mit Après-Ski-Musik, sondern ausgefallene Mottoparties: Von „Irgendwie und Sowieso“-Abenden mit Songs aus den 1960er und 70er Jahren bis zu den legendären „Tarantino Nights“ in denen das Achental auf den Spuren von Uma Thurman und John Travolta zu Klängen aus Pulp Fiction feierte.
Wobei die Rahmenbedingungen schon etwas speziell waren. „Wir haben um sieben Uhr aufgemacht und um neun war der Roots Club schon so voll, dass wir keinen mehr reinlassen konnten“, erzählt Kono. Ein Vorteil, grade auch im Hinblick auf die Sperrzeit um 2 Uhr. OVB-Redakteurin Silvia Mischi, damals wie so viele eine begeisterte Besucherin, nahm’s gelassen: „Da hat man wenigstens noch was von seinem Sonntag gehabt.“ Zumal schon das Anstehen durchaus unterhaltsam gewesen sei.
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Hatte man sich draußen die Füße in der Schlange abgefroren, warteten drinnen erst einmal kalter Rauch und eisige Luft im etwas in die Jahre gekommenen Saal. Bibbern musste man nicht lange: Binnen kürzester Zeit füllte sich die Tanzfläche und schnell entwickelten sich saunaartige Temperaturen, speziell auf der Galerie.
Was für Kinder aus den 80ern Samstagabend mit Vollbad und „Wetten Dass“ prägende Erinnerungen waren, setzte sich für viele junge Leute auf den Partys im Roots Club fort. „Denn hingegangen ist damals einfach jeder, den man kannte“, sagt Herbert Strauch, Bürgermeister von Übersee. Besonders die Faschingspartys seien ihm in Erinnerung geblieben. Nur als was er verkleidet war, das will Strauch im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen entweder nicht verraten, oder es ist ihm tatsächlich entfallen.
Auch für Kono waren es die Gäste, die den Club ausmachten. Das Publikum habe etwas verbunden, das sei spürbar gewesen. „Ich kann mich an keine einzige Schlägerei erinnern. Das war einfach ein Ort, an dem man friedlich feiern konnte“, findet er. Dankbar ist er auch vielen Anwohnern, die „cool“ gewesen seien. Man habe auf beiden Seiten immer versucht, eine Lösung zu finden.
Unfreiwilliges Aus des Clubs
Freiwillig haben Kono und seine Spezln nicht aufgehört mit dem Roots Club. Irgendwann wurde der Gasthof verkauft, es gründete sich eine Wirtschafts AG. „Weder die Gemeinde noch die AG wollte an uns verpachten. Leider!“, sagt Kono. Er wandte sich dann anderen Projekten in der Gastro zu, von der Panzerhalle über das Gecko’s bis schließlich zur Beach Bear.
Trotzdem ist der Mythos ungebrochen: Wenn keine Corona-Zeiten sind, lebt der Roots Club einmal im Jahr zwischen Weihnachten und Silvester wieder zur Revival-Party auf. „Und man trifft die gleichen Leute wie früher. Nur dass sie halt jetzt Kinder haben und schon Wochen im Voraus einen Babysitter extra organisieren“, sagt Kono.
Ob es mit den Parties weitergeht, weiß er noch nicht. „Das hängt vom neuen Pächter vom Gasthof d’Feldwies ab“, sagt Kono (wir berichteten). Vielen Achentalern würde sich damit ein sehnsüchtiger Wunsch erfüllen.
DJ Meikl erinnert sich
Im Januar 1997 hat Michael Krammer aus Bergen (51) alias DJ Meikl das erste Mal im Roots Club aufgelegt. Vorher war er schon als Gast dort, oft haben er und seine Kumpel danach noch gefeiert. „Und einmal war der Kono dabei und hat gesagt: Dich brauch ich für den Roots Club!“, erzählt Meikl. Tatsächlich blieb er dem Roots Club als DJ bis zu dessen Ende treu.
Für ihn sei das Besondere gewesen, dass eben nicht nur zeitgenössische oder alte Kracher gespielt wurden, sondern beides: „Das gabs damals noch nicht.“ Roots-Club-Klassiker waren eben sowohl die McCoys mit „Hang on Sloopy“ als auch die White Stripes mit „Hotel Yorba“, Blurs „Song 2“ und die Monkees mit „I‘m a believer“.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm „Fire Water Burn“ von der Bloodhond Gang. „Darin gab es die Zeile: ‚The roof is on fire‘, woraus im Roots Club immer ein lautes ‚The Roots is on fire‘ wurde“, erzählt Meikl. Und klar, der typische Tarantino-Sound mit Soul-Klassikern wie „Son of a Preacherman“ gehörten dazu. Eine Gage habe er damals nicht bekommen, für ihn war das Auflegen seine Art von weggehen: „Wir haben auf der Bühne viel Spaß gehabt, das war wie so ein Stammtisch.“
Der Rausschmeißer zum Ende des Clubbetriebs war an jedem Abend ein echter Klassiker: „New York, New York“ von Frank Sinatra.