Bedrohung, Erpressung und Drogendelikte
Mutmaßliches Entführungsopfer aus Burgkirchen postete wohl Bilder seiner Waffe auf Instagram
Traunstein; Landkreis Altötting – In Traunstein stehen drei Angeklagte aus Burgkirchen vor Gericht: Sie sollen unter anderem einen Mann entführt und erpresst haben. Auch eine Diebstahlserie wird den Beschuldigten angelastet.
Das Wichtigste in Kürze
Update, 15.08 Uhr - Mutmaßliches Entführungsopfer postete wohl Bilder seiner Waffe auf Instagram
Als die Schwester der Freundin des mutmaßlichen Entführungsopfers in den Zeugenstand gerufen wird, ändert sich die Geschichte schlagartig. Das Mädchen gibt an, dass das vermeintliche Opfer immer eine Schreckschusswaffe bei sich getragen habe. Sie sagt aus, sie sei sogar einmal in das Zimmer ihrer Schwester gegangen, als der Geschädigte die Waffe gerade mit Patronen lud.
Als nächste Zeugin sagt die Freundin des Geschädigten aus: Die 19-Jährige erzählt von dem mutmaßlichen Entführungsabend. Ihr Freund habe sich vor einem Spaziergang mit einem Nachbarn treffen wollen, doch als sie Geräusche einer Art Schlägerei hörte, sei die junge Frau aus Angst zu sich nach Hause. Ihr Freund und zwei Männer sollen dann in ihrer Wohnung aufgetaucht sein und hätten von „Zeug“ geredet.
Waffe wohl nicht als Drohung vorgezeigt
Die Freundin des mutmaßlichen Entführungsopfers sagt aus, dass einer der Männer ihr eine Waffe gezeigt habe und sie fragte, ob sie wisse, dass ihr Freund so einen Revolver besitze. Sie sagt, sie habe auch nicht gewusst, ob und wie viele Drogen er nahm. Ebenso wenig, dass er den Männern Geld schuldete. „Davon hab ich da zum ersten Mal gehört“, sagt sie. Die Männer durchsuchten dann wohl ihr Zimmer und verschwanden anschließend mit ihrem Freund.
Später habe sie einen Anruf bekommen. „Einer der Männer war dran und sagte, ich sollte mich um das Zeug kümmern, wenn ich meinen Freund wiedersehen will“, so die Zeugin. Sie habe dann für 1.000 Euro Kokain gekauft – und dafür auf die Kontakte in den Social Media Profilen ihres Freundes zugegriffen. Nach der Drogenbeschaffung übergab sie den Entführern die Drogen. Ihr Freund sei später in der Nacht nach Hause gekommen und habe sie um Geld für das Taxi gebeten. Reden habe ihr Freund nicht wollen. Auch ihr Geld habe sie nicht wiedergesehen.
„Sie haben mich halt kurz gefesselt“
Als letzter Zeuge sagt ein 34-jähriger Mann aus Altötting aus. Es geht hier um den zweiten Teil der Anklage, in dem L. und Z. vorgeworfen wird, dass sie einen Mann gefesselt und erpresst hätten. Der Zeuge sagt aus, L. und Z. hätten ein Klebeband „kurz“ – etwa eine Minute „oder so“ um sein Handgelenk geklebt. Die Angaben vor Gericht widersprechen offensichtlich den Aussagen des Zeugen bei der polizeilichen Vernehmung. Es ging wohl um 50 Euro und ihm „ist nicht wirklich Gewalt angetan worden.“ Es sei alles so schnell gegangen und „ich habe es auch nicht ganz ernst genommen.“
Sowohl der Vorsitzenden als auch der Beisitzerin ist ein wenig Zweifel anzumerken. Die Beisitzerin fragt direkt: „Hat Ihnen irgendwer gesagt, was Sie heute sagen sollen?“, doch der Zeuge bleibt bei seiner Aussage. Auch Staatsanwalt Nils Wewer ist unzufrieden, doch es bleibt dabei: Auf dieser Zeugenaussage sind wohl keine haltbaren Vorwürfe zu stützen. Nach der Anhörung des Mannes wird die Verhandlung unterbrochen.
Der Prozess gegen die drei Männer aus Burgkirchen wird am Montag, dem 16. Oktober um 9 Uhr fortgesetzt.
+++ innsalzach24.de berichtet auch dann wieder live aus dem Gerichtssaal+++
Update, 14.10 Uhr - Mutmaßliches Entführungsopfer wollte aus Drogendealerei aussteigen
Nach einer kurzen Pause wird der Geschädigte weiter befragt. Der Zeuge ist sicherlich einen Kopf kleiner als die Beschuldigten L. und Z. Von den drei Verteidigern wird er ziemlich in die Mangel genommen, hält sich aber wacker. Aktuell befindet der Geschädigte sich im Zeugenschutzprogramm. Er gibt an, dass er im Herbst 2022 aus der Kokain-Dealerei aussteigen wollte. Grund dafür sei gewesen, dass er mit L. und Z. 35 Gramm gekauft und davon ein Großteil von den Männern und ihm selbst konsumiert worden sei. Dies habe zu Problemen geführt.
Seine Freundin, vor deren Wohnhaus in Emmerting sich seine Entführung abgespielt haben soll, habe er aus den Geschäften heraushalten wollen. Dennoch soll sie Zugang zu all seinen Profilen auf Sozialen Medien gehabt haben. Dadurch soll sie in der Nacht, in welcher sich der Menschenraub ereignet haben soll, Zugang zu dem Kontakt seines Dealers bekommen und das Kokain überhaupt erst besorgen habe können.
Baseballschläger auf dem Beifahrersitz
Weil die Aussagen des Zeugen bezüglich Körperverletzung, Bedrohung und der Waffe den Aussagen der drei Angeklagten widersprechen, weist ihn die beisitzende Richterin eindringlich darauf hin, dass er die Wahrheit sagen muss. Er sagt, der Baseballschläger habe sich im Auto auf dem Beifahrersitz befunden. Z. sei gefahren und L. neben ihm auf der Rücksitzbank gesessen. Die Schreckschusswaffe habe er in der Burgkirchner Wohnung erst deutlich wahrgenommen. Mehrmals sollen die Männer gesagt haben: „Wir haben einen kalten Platz (Anm. der Red.‚ein Grab’) für Dich.“
„Wenn du ihn wiedersehen willst, besorg’ uns Kokain“
Von der Wohnung aus habe der Zeuge dann seine Freundin angerufen und L. soll ihm dabei das Telefon aus der Hand genommen und zu ihr gesagt haben: „Wenn du ihn wiedersehen willst, besorg’ uns Kokain.“ Was die Freundin des Geschädigten aussagen wird, wird sich in wenigen Minuten herausstellen.
Update, 12.07 Uhr - Mutmaßliches Entführungsopfer äußert sich
Die Angeklagten hatten ausgesagt, zusammen mit dem mutmaßlichen Entführungsopfer nach Burgkirchen gefahren zu sein. Dort habe man in der Wohnung eines weiteren Mannes mit dem Mann diskutiert und ausgemacht, dass dessen Freundin Kokain bringen solle, was dann auch geschehen sei. Der beschuldigte L. sagte aus, die Sache wäre damit für ihn vom Tisch gewesen:
„Soll ich ihn totschlagen für diese 3000 Euro?“
„Soll ich ihn totschlagen für diese 3000 Euro? Der Junge ist arbeitslos und besitzt nichts. Für mich war die Sache erledigt“, antwortete er auf die ungläubige Nachfrage von Richterin Miller. Auch das vermeintliche Entführungsopfer sagt: „Als das Koks da war, waren die wieder normal. Und dann durfte ich wieder gehen – nach einer Stunde oder so.“ Im Gegensatz zu den Angeklagten sagt der Geschädigte aber, dass die Männer ihn auf dem Parkplatz der Keltenhalle in Burgkirchen mit einem Baseballschläger bedroht hätten.
Während das mutmaßliche Entführungsopfer aussagt, mehrmals geschlagen worden zu sein, und dass die Schreckschusswaffe nicht ihm gehöre, lauschen die drei Angeklagten aufmerksam seinen Aussagen. „Sie haben mich geschlagen und getreten. Die haben mich kontrolliert, die haben in die Wohnung geschaut,“ sagt der Geschädigt. Laut dem Zeugen habe L. mit einem Bunsenbrennerfeuerzeug die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand angesengt.
Elf statt drei Gramm Kokain
Der Geschädigte gibt an, L. und Z. in der Burgkirchener Wohnung elf Gramm Kokain für einen ungefähren Wert von 1.000 Euro übergeben zu haben, während die beiden Beschuldigten von drei bis fünf Gramm sprachen. Die Angeklagten hatten ausgesagt, dass der Geschädigte mit ihnen noch Drogen konsumiert habe. Während die Beschuldigten angaben, dass die Sache für sie damit erledigt gewesen sei, sagt der Zeuge, man habe eine Rückzahlungssumme vereinbart. Viele der Aussagen widersprechen sich also.
Update, 11.27 Uhr - Angeklagte gestehen
Nach den Gesprächen gibt Richterin Miller zu Protokoll, dass die Rechtsgespräche zu keiner Einigung führten. Die Kammer habe für die Beschuldigten L. und Z. eine Strafe von jeweils achteinhalb Jahren Haft vorgeschlagen, in den Augen der Verteidiger sei diese aber zu hoch. Für den Angeklagten F. schlug seine Anwältin eine andere rechtliche Würdigung vor, wozu das Geständnis von F. beitragen werde.
Entführungsopfer schuldete Angeklagten Geld
Dann fragt die Richterin den Angeklagte L.(37), ob er sich zur Sache äußern will – was dieser sogleich bejaht. Er sagt, er kenne das mutmaßliche Entführungsopfer aus der Nachbarschaft und man hätten L. und Z. ihm Haschisch im Wert von etwa 3.000 Euro auf Kommission übergegeben. Das sollte der Geschädigte für die beiden verkaufen, sei aber mit den Erlösen „abgetaucht“. Um das Geld wiederzubekommen, habe man ihn anhand eines Scheinkaufs in einen Hinterhalt gelockt.
Dazu habe man sich in den Emmertinger Hinterhof begeben, der Angeklagte F. soll mit einem anderen Auto zu diesem Ort gefahren, sagt aber „Ich habe gewusst, dass der ihnen Geld schuldet, aber ich wollte mit der Sache nichts zu tun haben.“ Als das spätere Entführungsopfer L. erkannte, habe er gleich seine Waffe gezogen – die er laut den Angeklagten L. und Z. immer bei sich trug.
Freundin nicht mit Waffe bedroht – „Bloß Waffe gezeigt“
L. soll dem Mann dann die Waffe aus der Hand geschlagen und den Geschädigten zu Boden gebracht haben. F. gibt an, die ganze Zeit de-eskaliert zu haben. Nachdem L. den Geschädigten vor die Wohnung von dessen Freundin geführt hatte, habe F. dieser Freundin die Waffe gezeigt, um ihr zu verdeutlichen, mit wem sie sich herumtreibe. Dann verschaffte L. den Geschädigten in sein Auto, das Z. geholt hatte und F. stieg mit ein. Die Angeklagten geben an, den Mann weder geschlagen noch einen Baseballschläger gezeigt zu haben.
„Wir haben ihn nicht geschlagen, wir haben ihm nicht gedroht. Der Junge wiegt 30 Kilo und hat eine Platte im Rücken. Damit geht er immer hausieren und wollte schon Behindertenrente beantragen“, sagt L. Auch von der Verwendung eines Bunsenbrennerfeuerzeuges wollen die Angeklagten nichts wissen. Dann wird das vermeintliche Enführungsopfer in den Zeugenstand gerufen.
Update, 10.04 Uhr - Prozess wird fortgesetzt
Kurz vor der Fortsetzung des Prozesses gegen die drei Männer aus Burgkirchen herrscht angespannte Stimmung. Aufgrund einer Anordnung der Vorsitzenden Richterin Barbara Miller sind weder Taschen und Getränke noch eingeschaltete Smartphones im Gerichtssaal erlaubt. Zuschauer dürfen nur mit einem gültigen Ausweis den Raum betreten. Im Publikumsbereich haben sich dennoch einige Bekannte und Familienmitglieder der Beschuldigten eingefunden.
Gespräche auf Russisch werden unterbunden
Die Angeklagten Kasachen, L. (37) und F. (40), tragen Fußfesseln und Bauchgurt. Sie sprechen ungezwungen mit Anwesenden - teilweise in Russisch, was Staatsanwalt Nils Wewer unterbinden muss. Auch die Beamten, welche die Untersuchungshäftlinge vorführten, beobachten die Beschuldigten genau. Nachdem die Vorsitzende Richterin die Verhandlung fortgesetzt hat, wird gleich für ein Rechtsgespräch mit den Verteidigern unterbrochen.
Alle Anwesenden inklusive der Beschuldigten mit den vorführenden Polizeibeamten müssen den Gerichtssaal wieder verlassen. Nach dem Rechtsgespräch führen die Verteidiger Gespräche mit ihren Mandanten. Der erste Stock des Gerichtsgebäudes ist gut gefüllt mit Wachtmeistern, Polizeibeamten, Anwälten und Zuschauern, während im Erdgeschoss die Zeugen im Fall Hanna auf ihre Ausrufung warten. Mehrmals müssen die Angeklagten darauf hingewiesen werden, sich nicht mit den Mitbeschuldigten über den Fall oder auf Russisch zu unterhalten.
Vorbericht:
Die Anklageschrift gegen drei Männer aus Burgkirchen umfasst ganze sieben Seiten: Seit dem 10. Oktober wird am Landgericht Traunstein gegen zwei gebürtige Kasachen und einen Russen verhandelt, denen mehrere Delikte im Zeitraum zwischen Oktober 2022 und März 2023 angelastet werden. Darunter gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung und erpresserischer Menschenraub.
Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeschuldigte L. (37) zusammen mit Z. (36) und F. (40) im November 2022 einen Mann aus Emmerting gewaltsam entführt und Geld von ihm erpresst haben. Durch einen Trick hätten die drei das Entführungsopfer in einen Hinterhalt gelockt und dann zusammengeschlagen. Die Anklage wirft ihnen vor, den Mann mit einer Schreckschusswaffe und einem Baseballschläger bedroht zu haben. Frei gekommen sei der Mann nur, weil er seinen Entführern Kokain im Wert von etwa 1.000 Euro besorgen habe können.
An Stuhl gefesselt und geschlagen
Bloß wenige Wochen später – im Dezember 2022 – sollen L. und Z. einen weiteren Mann aus Burgkirchen in einen Container am Burgkirchner Bahnhof geschleppt und ihn dort an einen Stuhl gefesselt haben. Mit Schlägen und Drohungen sollen sie Schutzgeld von ihm erpresst haben. Auch dieses Opfer kam am Ende mit einem blauen Auge davon, da es in eine andere Stadt umzog. Den Angeklagten werden aber noch weitere fünf Taten vorgeworfen:
In einem Diebeszug kurz vor Weihnachten 2022 sollen sie demnach mehrere Drogeriemärkte, eine Trafik und ein Juweliergeschäft in Mattighofen bestohlen haben. Auch eine Juwelierin mit Geschäftsräumen am Burghauser Stadtplatz wurde wohl Opfer der beiden Diebe. Geschickt sollen sie die Inhaberin abgelenkt haben, um sich währenddessen an ihrem Goldschmuck zu bedienen. Insgesamt sollen die Männer Gegenstände im Wert eines fünstelligen Eurobetrages erbeutet ,und sie anschließend zur Hälfte des Wertes verkauft haben.
Am zweiten Prozesstag werden mehrere Zeugen erwartet. Der Verhandlungsbeginn ist um 9 Uhr angesetzt.