Stimmkreis Traunstein
Landtagswahl 2023: Dr. Martin Brunnhuber (Freie Wähler) im Steckbrief und zu den wichtigsten Fragen
Bei der Landtagswahl 2023 in Bayern stehen im Stimmkreis Traunstein 13 Kandidaten zur Wahl. Wir stellen alle Kandidaten einzeln vor. Dieses Mal: Dr. Martin Brunnhuber (Freie Wähler).
Traunstein - Am 8. Oktober 2023 findet in Bayern die Landtagswahl 2023 statt. Im Stimmkreis Traunstein treten 13 Kandidaten an. Jeder Kandidat hat sich zu sechs Kernfragen geäußert. Hier sehen Sie die Antworten von Dr. Martin Brunnhuber (Freie Wähler).
Kandidaten-Steckbrief
Bitte stellen Sie sich kurz vor und formulieren Ihre Kernaussage, Ihre politischen Schwerpunkte und Ihre Motivation.
Dr. Martin Brunnhuber (47), Grabenstätt-Erlstätt, Schulleiter, verheiratet, zwei Töchter, Freie Wähler.
Werdegang: Hochschulreife auf dem 2. Bildungsweg, Bauingenieurstudium an der FH München, Lehramtstudium für berufliche Schulen an der TU München, Promotionsstudium an der LMU München, Schulleiter des Staatlichen Beruflichen Schulzentrums Berchtesgadener Land Freilassing, vorher stellvertretender Schulleiter am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum in Traunstein.
Politische Ämter: Gemeinderat in Grabenstätt, stellvertretender Vorsitzender der Kreisvereinigung der Freien Wähler Traunstein.
„Die Herausforderungen durch den demographischen Wandel müssen wir dadurch angehen, dass bezahlbarer Wohnraum mit neuen Wohnkonzepten geschaffen wird und die Grundversorgung im ländlichen Bereich gesichert ist. Die Grundversorgung fängt beim Einkaufen an und zieht sich bis in die Pflege von Menschen mit Einschränkungen hinein.
Im Bereich der Bildung gilt es, wieder den optimalen Bildungsweg für unsere Kinder zu finden. Dabei sollen möglichst alle Wege unseres fein gegliederten Schulsystems betrachtet werden, ohne von vorneherein einzuschränken. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen sowohl in der beruflichen Bildung als auch in der akademischen Bildung passende Angebote geschaffen werden, um die jungen Menschen für die verschiedenen Herausforderungen zu motivieren.
Dabei sollten die verschiedenen Bildungsangebote möglichst in der Region verankert sein, um nachhaltig die jungen Menschen auch dauerhaft in der Region zu halten. Digitalisierung soll so eingesetzt sein, wo sie vernünftig ist, ohne beispielsweise ältere Menschen dabei abzuhängen. Gerade durch Digitalisierung kann Teilhabe erhöht werden, wenn sie richtig eingesetzt ist. In der Energiepolitik muss es einen regionalen Energiemix geben, der fein auf die Möglichkeiten und die Bedürfnisse in der Region abgestimmt ist. Dabei sollte es kommunale Zusammenschlüsse geben, Planverfahren sollten vereinfacht werden.
Unsere Kulturlandschaft ist immer schon von einer starken Landwirtschaft geprägt gewesen. Die Landwirte müssen in Zukunft Planungssicherheit im Sinne von Preissicherheit und dem Schutz von ,Verordnungswut‘ haben. So können auch kleine Betriebe ein gesichertes Auskommen haben und dem Höfesterben wird entgegengetreten. Meine Motivation liegt darin begründet, dass mich die Dinge interessieren und ich gerne meine Erfahrung einbringen möchte, ohne meine Person in den Vordergrund zu stellen.“
Raubtier-Alarm in den Alpen
In den Bergen war zuletzt der Bär los. Auch der Wolf hält die Almbauern in Atem. Was ist zu tun?
Antwort: Aus Gesprächen mit der Vorstandschaft des Bauernverbandes Traunstein ist ganz klar rückgemeldet worden, dass dieses gesellschaftlich hoch brisante Thema zu großem Maße auf den Schultern der Bauernschaft ausgetragen wird. Grundsätzlich ist es so, dass vor allem die Bauern nichts gegen Diversität haben und sich dem Schutz der Kulturlandschaft verschrieben haben.
Unsere Landschaft, die Almen und auch die Kultur ist seit Jahrhunderten geprägt durch eine sinnvolle Bewirtschaftung durch kleine bis mittelständische Betriebe. Gerade im Bereich der Voralpen gibt es auf der anderen Seite wenige, große zusammenhängende Flächen, ähnlich den Karpaten oder der Julischen Alpen, in denen Rückzugsorte für die großen Beutegreifer wie Wolf und Bär vorgehalten werden können.
Durch diese Tatsache wird es immer Konflikte hinsichtlich der Nutzung einerseits und der Schaffung von unberührtem Lebensraum für Wolf und Bär andererseits geben.
An meiner früheren Schule, am BSZ Traunstein, ist der einzige Ausbildungsstandort in Bayern für Revierjäger installiert. Hier haben auch erfahrene Revierjagdmeister rückgemeldet, dass eine unkontrolliert wachsende Population von Wolf und Bär dazu führt, dass eine Nutzung unserer Landschaft, sei es für die Landwirtschaft oder auch für Freizeitaktivitäten, so nicht mehr möglich ist.
Die Lösung dieses Konfliktes könnte in der Überarbeitung des Jagdrechtes bestehen, indem man Wolf und Bär für eine Bejagung mit Augenmaß freigibt. So hätte man zumindest die Möglichkeit, auf relativ unbürokratische Weise da zu regulieren, wo sich starke Probleme durch eine Überpopulation ergeben.
Wie die genaue Ausgestaltung solcher Gesetze aussieht, kann nur in einem demokratischen Prozess geschehen, an dem die verschiedenen Meinungen gehört werden, ohne jeweils die andere Ansicht aus Prinzip abzulehnen.
Wenn das Wetter verrückt spielt
Dürre, Waldbrände, Starkregen, Tornados - muss sich auch die Region auf deutlich mehr Wetter-Extreme einstellen? Wie kann sich Bayern wappnen? Und was kann Bayern zum globalen Kampf gegen den Klimawandel beitragen?
Antwort: Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein weltweites Problem, wobei die Konsequenzen sehr lokal sein können. Dies bedeutet, dass alle Ebenen gegen den Klimawandel vorgehen müssen.
Wie bei vielen komplexen Zusammenhängen ist es so, dass es beim Kampf gegen den Klimawandel sehr viele Stellschrauben gibt, die zu einem positiven Ergebnis führen. Hier sollte man sich nicht verschließen, aus ideologischen Gründen manche Stellschrauben zu bevorzugen und andere zu vernachlässigen.
Die Frage ist: Was kann jeder Einzelne, jede Kommune und jedes Bundesland dafür tun, das Mikroklima zu verbessern? Als Beispiel kann der öffentliche Bau genannt werden. Derzeit steht an meiner eigenen Berufsschule eine große Investition durch einen Neubau an. Hier können schon bei der Planung viele klimabeeinflussende Faktoren berücksichtigt werden.
Themen sind die Verschattung, die Energieeffizienz im Betrieb des Gebäudes, die Auswahl der Baustoffe oder die Gestaltung der Freiflächen für die Versickerung von Oberflächenwasser. All diese Dinge müssen vorsichtig gegenüber den Kosten, den Einschränkungen für die Nutzung oder der Verfügbarkeit von beispielsweise regionalen Baustoffen abgewogen werden.
Was konkret jetzt schon festgestellt werden kann, ist die Tatsache, dass auch im öffentlichen Bau in die Zukunft gedacht wird, da man sich das „weiter so“ mit konventioneller, nicht effizienter Bauweise nicht länger leisten kann. Wir befinden uns in einem Prozess, der erkennen lässt, dass die Gefahren durch den Klimawandel und die Bestrebungen, diesen anzugehen, jetzt in der breiten Bevölkerung angekommen ist.
Flüchtlinge und kein Ende
Was muss der Freistaat beim Thema Flüchtlingsunterbringung aus Ihrer Sicht tun, damit die Kommunen die Aufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen bewältigen können?
Antwort: Grundsätzlich kann dem nicht widersprochen werden, dass man eine Verpflichtung hat, Hilfesuchende aufzunehmen. Gerade jetzt muss jedoch unterschieden werden, ob es sich um Flüchtlinge handelt, die – sobald die Krisen im eigenen Land es zulassen – wieder nach Hause wollen, oder ob es Menschen sind, die wir und sie sich selbst in unser Land integrieren wollen.
Im ersten Fall geht es meiner Ansicht nach um eine Übergangslösung, die schnelle und unkomplizierte Hilfe zur Verfügung stellt. Hier müssen die Kommunen unterstützt werden, um temporäre Unterkünfte zu erstellen und eine Koordinierungsstelle zu schaffen, um den doch relativ bürokratische Alltag in Deutschland zu meistern.
Wichtiger erscheint mir jedoch die Frage, wie die Geflüchteten in unsere Gesellschaft integriert werden können. Im Detail kommt man hier sehr schnell an die Grenzen dessen, was die Kommunen aus eigener Kraft stemmen können. Wir sprechen hier von Integrationskursen, Schulangeboten, Kinderbetreuungsplätzen und Wohnraum, der nicht zu einer Ghettoisierung und gesellschaftlichem Zündstoff führt.
Beispielsweise wird die angrenzende Turnhalle an der Schule, in der ich tätig bin, für den Schul- und Vereinssport gesperrt, um Flüchtlinge in der Turnhalle unterzubringen. An diesem sehr realistischen Beispiel will ich verdeutlichen, dass die Nächstenliebe bei manchen sehr schnell aufhört, sobald sich etwas in ihrem direkten Umfeld ändert.
Begründet ist dies sehr oft durch die Angst, da man nicht weiß, wie sich die Zukunft entwickeln wird und welche Einschränkungen auf jeden individuell zukommen. Diese Ängste muss man unbedingt ernst nehmen und durch eine transparente Kommunikation und einen Plan für eine dezentrale Verteilung der Geflüchteten die Basis schaffen, damit Integration überhaupt erst möglich ist.
Interessant ist die Aussage meiner Mutter, die in den 60er-Jahren als Gastarbeiterin aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen ist. Die Frage, wie bei meiner Mutter Integration funktioniert hat, wurde mit „Schnell die Sprache lernen und viel arbeiten!“ beantwortet.
Denn eines weiß man aus den demographischen Daten mit ziemlicher Sicherheit: Ohne kontrollierte Zuwanderung wird unsere Gesellschaft in dieser Form nicht mehr konkurrenzfähig sein.
Medizin hängt am Tropf
Die heimischen Krankenhäuser machen gewaltige Defizite. Welche Möglichkeiten muss der Freistaat nutzen, um die medizinische Versorgung in Kliniken in der Region sicherzustellen und dabei auch das Personal vernünftig bezahlen zu können? Wie kann man generell die medizinische Versorgung verbessern und Medikamenten-Engpässe vermeiden, zumal in Tittmoning (Aenova) und Saaldorf-Surheim (Eurim-Pharm) gleich zwei Pharma-Riesen in der Region sitzen?
Antwort: Viele Krankenhäuser und auch das Krankenhauspersonal haben in den letzten Jahren massive Einschränkungen wegen der Abrechnung über Fallkostenpauschalen gehabt. Diese ermöglicht eine Abrechnung nur dann, nachdem die Leistung erbracht wurde.
Durch diese Abrechnungspraxis kommen Krankenhäuser und das zugehörige Personal dadurch unter Druck, da man einen hohen Anteil an wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen muss und die medizinische Versorgung teilweise nicht adäquat berücksichtigt werden kann. So kann es sein, dass es Abteilungen gibt, die sehr hohe Kosten abrechnen können und andererseits Abteilungen, in denen nicht so viel erwirtschaftet werden kann.
Mit dem neuen Gesetzesvorschlag, weg von Fallpauschalen hin zu Bereitstellungen von Leistungen zu gehen, wird ein Schritt unternommen, der wieder die Medizin in den Vordergrund rückt. Nachteil an der geplanten Reform ist bestimmt der, dass nicht jedes Krankenhaus alle Leistungen vorhalten kann.
Dies führt dazu, dass es Regionen, gerade im ländlichen Raum, geben wird, in denen Kliniken geschlossen werden müssen. Im Landkreis Traunstein und im Verbund mit dem Landkreis Berchtesgadener Land sind wir mit der Kliniken Südostbayern AG gut aufgestellt. Hier haben sich die Investitionen der vergangenen Jahre beziehungsweise Jahrzehnte ausgezahlt.
Bis der Übergang mit der geplanten Krankenhausreform vollzogen ist, bedarf es auf jeden Fall für die Kliniken Unterstützung, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Landkreise als Träger die Mehrkosten des Umbaus aus eigener Tasche finanzieren können.
Diese Hilfe muss vom Bund kommen und möglichst schnell bei den Kliniken ankommen, wenn man nicht will, dass die Krankenhäuser durch die hohen laufenden Kosten nicht zahlungsunfähig werden sollen.
Wichtigstes Ziel muss sein, dass man den Bürgerinnen und Bürgern eine sehr gute medizinische Versorgung in der Region anbieten kann und diese auch dauerhaft gesichert ist.
Bahnausbau in der Warteschleife
Der Ausbau der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing verzögert sich massiv bis Mitte 2035. Was kann der Freistaat tun, um das Genehmigungsverfahren und den Bau zu beschleunigen?
Antwort: Grundsätzlich treffen bei vielen verkehrspolitischen Großprojekten immer mehrere Akteure aufeinander. Auf der einen Seite die Vertreter des massiven Ausbaus des Schienen- und Wegenetzes, um die Verfügbarkeit des ÖPNV zu erhöhen, auf der anderen Seite finden sich die Vertreter, die strikt gegen eine Versiegelung der Freiflächen sind und den Umweltschutzgedanken stark vertreten.
In diesem Spannungsfeld hat die Politik die Aufgabe, möglichst alle Meinungen anzuhören und sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen abzuwägen. Sicher ist nur, dass der Ausbau des von der Mehrheit gewünschten ÖPNV nicht ohne Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen vonstatten gehen wird.
Dieser Prozess sollte meiner Meinung nach hoch transparent geschehen, um den Bürgerinnen und Bürgern genügend Zeit zu geben, ihre Ängste und Anregungen zu formulieren.
Ihr Lieblingsthema
Ein Thema, das Sie für sehr wichtig halten, fehlt in der Liste? Etwa Wohnraum, Energiekosten, Bildung, Mittelstand oder Landwirtschaft? Dann nur zu! Nehmen Sie Stellung zu einem Thema Ihrer Wahl.
Antwort: Bildung heißt für mich, gemeinsam den richtigen Weg für unsere Kinder zu finden!
Das Thema Bildung ist für mich das Schlüsselthema, das in Zukunft gleich mehrere Anknüpfungspunkte zu den großen Herausforderungen der Zukunft hat. Wie werden wir in Zukunft unsere Fachkräfte gewinnen können? Diese Frage stellt sich heute schon, da beispielsweise im Handwerk und unserer Region nicht alle Lehrstellen besetzt werden können.
Hier entsteht ein regelrechter Konkurrenzkampf, in dem sich die Ausbildungsbetriebe mit Geschenken und Erleichterungen für die Auszubildenden überbieten. Trotz dieser für die Ausbildungswilligen hervorragenden Situation steigen die Übertrittszahlen an die Gymnasien.
Es erscheint mir so, dass es für viele Familien nicht mehr wichtig ist, dass die Kinder möglichst zu ihren Eignungen und Fähigkeiten den Schulweg wählen, sondern der Weg über die Gymnasien als „Königsweg“ glorifiziert wird. Aus vielen Beobachtungen im eigenen Umfeld wird man auf schockierende Weise immer wieder belehrt, welche weitreichende Konsequenzen es haben kann, wenn die Kinder beziehungsweise die Eltern für die Kinder den falschen Bildungsweg gewählt haben.
Da müssen beispielsweise verträumte Jungen, wie ich selbst einer war, mit der Mama gemeinsam Nachmittage zu Hause Hausaufgaben machen, obwohl das Herz für den Fußball am Bolzplatz schlägt.
Mein Ziel ist es, die Kinder wieder mehr Kind sein zu lassen, denn unser mehrgliedriges Schulsystem lässt zu jeder Zeit einen Wechsel in eine weiterführende Schule zu. Ich selbst bin meinen Weg nicht über das Gymnasium gegangen, da ich zu jung eingeschult wurde und auch nicht hundertprozentig für die Schule motiviert war. Rückblickend bin ich jedoch sehr froh darüber, auch mal „Zick-Zack-Kurse“ eingeschlagen zu haben.
Die Aufgabe der Politik ist es, wieder alle Schularten gleichberechtigt zu betrachten, ohne gleich schon nach der vierten Klasse in den „Kampf der Schularten“ einsteigen zu müssen. Die Kinder sollen dabei von den Eltern, den Lehrkräften und der Gesellschaft begleitet und unterstützt werden, den richtigen Weg für sich selbst zu finden.
Anmerkung der Redaktion: Die Antworten des Kandidaten/der Kandidatin wurden 1:1 von der Redaktion übernommen, inhaltlich nicht überarbeitet und müssen deswegen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.