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Immer mehr Fälle von Trickbetrug in Südostbayern

Kriminalhauptkommissar Busch über kriminelle „Grattler”, Millionenschäden und wachsamere Bürger

Kriminalhauptkommissar Karl-Heinz Busch ist Kriminalpolizeilicher Fachberater im Polizeipräsidium Oberbayern Süd.
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Kriminalhauptkommissar Karl-Heinz Busch ist Kriminalpolizeilicher Fachberater im Polizeipräsidium Oberbayern Süd.

Mit immer professionelleren Methoden versuchen Betrüger an das Geld ihrer Opfer zu kommen. Die Schäden gehen in die Millionen. Eine weiterhin steigende Täteraktivität bestätigt auch Karl-Heinz Busch, Kriminalpolizeilicher Fachberater im Polizeipräsidium Oberbayern Süd und für die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein zuständig.

Schockanrufe, WhatsApp, SMS oder Leute, die sich als falsche Polizisten ausgeben: So oft betrogen wie derzeit wurde selten.

Karl-Heinz Busch: Das ist richtig. Diese Phänomene haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Täter werden immer professioneller. Sie passen fortlaufend ihre Vorgehensweise der polizeilichen Präventionsarbeit an. Wir beobachten, dass die Betrüger versuchen, immer neue Varianten zu entwickeln. Bei vielen Betrugsversuchen geben sie sich dabei als Amtspersonen aus. Im Wissen, dass gerade die Generation 60plus ein hohes Respektsempfinden gegenüber diesen Personen an den Tag legt. Auch die Einschüchterung wird oft angewandt: Indem beispielsweise mit Gefängnis gedroht wird, falls die betroffenen Personen nicht zur Zusammenarbeit mit den angeblichen Amtspersonen bereit sind.

Künstliche Intelligenz wird künftig wohl auch bei Schockanrufen zum Einsatz kommen. Stimmen naher Verwandter könnten problemlos missbraucht werden. Wie könnte so ein Szenario aussehen?

Busch: Solche Fälle sind bislang nicht in unserem Zuständigkeitsbereich bekannt geworden. Deshalb wäre jegliche Einschätzung dazu rein spekulativ.

KI wird die Möglichkeiten von Betrügern aber deutlich erweitern. Womit rechnen Sie in Zukunft?

Busch: Wir bereiten uns ständig auf die neuesten Phänomene und Vorgehensweisen und stellen auch diverse Überlegungen für mögliche Szenarien an. Wir versuchen permanent, den Betrügern sprichwörtlich auf den Fersen zu bleiben.

Noch immer fallen vor allem ältere Mitbürger auf Schockanrufe rein. So wurden etwa Tausende Euro unter dem Bürofenster des Oberbürgermeisters von Reichenhall an Betrüger übergeben und in Berchtesgaden wäre es fast gelungen, dass eine ältere Person 25000 Euro für eine angebliche Kaution von ihrem Konto abhebt. Werden die Leute nicht schlauer oder ist die Aufklärungsarbeit der Polizei nicht ausreichend?

Busch: Hier kann ich klar sagen: Die Präventionsarbeit der Polizei fruchtet. Zudem beobachten wir, dass die Bürger wachsamer und misstrauischer werden. Dies zeigt sich etwa bei den Festnahmezahlen: Waren es 2021 lediglich zwei, so hat sich die Festnahmezahl dieses Jahr bereits verzehnfacht. Demgegenüber steht die Entwicklung bei den Versuchen, die sich seit 2021 mehr als verdoppelt haben. Die Täteraktivität steigt weiterhin an. Die Erfolge der Betrüger nehmen aber deutlich ab. Für das Jahr 2022 mussten 53 vollendete Taten verzeichnet werden. Dieses Jahr scheint sich bei der Zahl der vollendeten Taten eine deutlicher Rückgang abzuzeichnen.

Worauf ist das zurückzuführen?

Busch: Diese Entwicklung ist sicher auch der breit aufgestellten polizeilichen Präventionsarbeit geschuldet. Diese wurde in den vergangenen Jahren vielseitig forciert. Hier reicht die Arbeit der Kriminalpolizeilichen Fachberater von Infoständen bei Veranstaltungen über die Schulungstätigkeit bei Banken und Sparkassen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit über Medien und Vorträge. Alleine in meinem Zuständigkeitsbereich - das sind die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein - konnte ich in diesem Jahr über 80 Vorträge mit rund 3500 Besuchern zum Thema ‘Trick und Legendenbetrug’ halten. Bis zum Jahresende werden es gut 90 Vorträge gewesen sein.

Immer wieder stellen Bürger derzeit farbliche Markierungen auf der Straße vor dem eigenen Grundstück fest. Ältere Bürger zeigen sich besorgt. Was hat es damit auf sich?

Busch: Viele Bürger vermuten hinter den farblichen Markierungen die altbekannten ‘Gaunerzeichen’. Oft stellen sich diese farblichen Markierungen aber als berechtigt heraus. Bei Kanal-, Kabel- und Straßenarbeiten sind die Markierungen vermehrt zu sehen. Einbrüche, bei denen das Objekt zuerst ausspioniert wurde und dann von einer Vorhut Gaunerzinken angebracht wurden, sind von den Ermittlern in unserem Bereich nicht entdeckt worden.

Sie bezeichnen die Betrüger, die häufig im Ausland sitzen, als „Grattler”. Wie groß sind die Ermittlungserfolge bei den ganzen Betrügereien?

Busch: Oft arbeiten die Betrüger als Trio. Wobei den Kopf der „Keiler“ bildet. Er beherrscht die deutsche Sprache. Er agiert jedoch aus einem Callcenter in der Türkei oder in Polen. Er tritt meist hochprofessionell und überzeugend in der Gesprächsführung auf. Er versucht, die Opfer am Telefon verbal unter Druck zu setzen. Er isoliert dieses durch die Gesprächsführung quasi von der Außenwelt. Zudem wird das Opfer, bevor es den Weg zur Bank antritt, gebrieft. Das heißt, der Betroffene erhält genaue Anweisung, was auf die Fragen der Bankmitarbeiter zur Abhebung der hohen Geldsumme zu sagen ist. Als zweiter im Bund fungiert der Logistiker. Dieser organisiert, sobald der Keiler sein Opfer weichgekocht hat, den Abholer. Der oder die geben sich dann vor Ort oft als Polizeibeamter oder Staatsanwalt aus. Wenn Festnahmen gelingen, dann sind es meist nur die Abholer, also die Spitze des Eisberges. Die eigentlichen Köpfe sitzen im Ausland. Dadurch gestaltet sich die Ermittlungsarbeit oft nicht ganz so einfach.

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd ist die Schadenssumme bei Telefonbetrug massiv gewachsen. Sind der Polizei dort die Hände gebunden?

Busch: 2021 belief sich der Gesamtschaden aller angezeigten Taten im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd auf rund 607 000 Euro. Im Jahr 2022 stieg die Schadensumme auf 2,28 Millionen Euro. Tendenziell steigt die Aktivität der Täter in diesem Bereich weiterhin an. Die Erfolge haben aber deutlich abgenommen. Unsere Präventionsarbeit trägt Früchte.

Sie sagen, dass Einträge im Telefonbuch ein großes Problem seien. Vor allem die Nummern älterer Bürger stehen darin. Welchen Ratschlag haben Sie?

Busch: Das örtliche Telefonbuch gehört tatsächlich nach wie vor zum Handwerkszeug der Betrüger. Darin wird nach alten Vornamen oder kurzen Telefonnummern gesucht. Und meist stehen ältere Menschen auch noch mit der kompletten Adresse im Telefonbuch. Unsere ganz klare Empfehlung: Straße und Hausnummer herausnehmen lassen sowie die Vornamen abkürzen. Wir verteilen in unseren Vorträgen dazu ein einfaches Formblatt, mit dem diese Änderungen mit wenigen Zeilen beantragt werden können.

Mehrere Bürger aus dem Berchtesgadener Land berichten von nächtlichen Anrufen mit scheinbar bekannter Vorwahl. Was ist da dran?

Busch: Dabei kann es sich um sogenannte Ping-Anrufe handeln: Anrufe von Telefoncomputern, die meist schon nach dem ersten Anläuten wieder abgebrochen werden. Dahinter stecken kostenpflichtige Telefonnummern. Die Angerufenen sollen zu einem Rückruf animiert werden. Diese Anrufe führen immer über das Ausland und man bedient sich hier vor allem des sogenannten ‘Call ID Spoofing’. Telefoncomputer im Ausland können so eingestellt werden, dass bei den Angerufenen als Anrufernummer die heimische Vorwahl oder die 110 erscheint. Betrüger verwenden gerne Telefonnummern, die sich augenscheinlich sehr gleichen. Dies gilt beispielsweise für die Vorwahlen von Dortmund, 0231, und der Landesvorwahl von Liberia, 00231. Wer hier einen Anruf aus Dortmund erwartet, übersieht die zweite ‘0’ und fällt vielleicht auf einen Ping-Anruf aus Liberia herein. Gleiches gilt für die Stadtvorwahl 0234 für Bochum und die Landesvorwahl von Nigeria, mit der 00234.

Welche allgemeinen Tipps haben Sie, die man beachten sollte?

Busch: Polizei und andere Behörden holen nie Geld, Gold oder Schmuck als sogenannte Kaution ab. Diese Vorgehensweise gibt es bei uns nicht – das tun ausschließlich Betrüger. Die Menschen müssen ein gesundes Misstrauen entwickeln. Man kann sich auch den Dienstausweis zeigen lassen. Und wenn man unsicher ist, dann ruft man einfach die ‘110’ an. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig, denn jeder Hinweis kann wichtig sein. Am Telefon sollte man sich weder beleidigen noch in die Enge treiben lassen. Einfach auflegen. Den Kontakt zur Nachbarschaft pflegen, kann wichtig sein. Denn wer sich kennt, achtet mehr aufeinander.

kp

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