40 Jahre Kleinkunstbühne
Wirtsleute aus Obing: John und Rita Gonzalves starteten mit Vollkornpizza und „Hair“
Die Obinger Wirtsleute John und Rita Gonzalves halten Rückschau und erzählen, warum Woodstock-Sängerin Melanie dann doch nicht zum John auf die Kleinkunstbühne kam.
Von Herbert Zeilinger
Obing – 40 Jahre Kleinkunstbühne, 25 Jahre Gasthof zur Post in Obing – Das nehmen wir zum Anlass, um auf eine kleine Rückschau auf das Wirken von John und Rita Gonzalves im Chiemgau zu nehmen. Begonnen hat das „Wirteleben“ von John und Rita Gonzalves in der Roßschänke, einem ehemaligen Reiterstüberl, in der Hofmühle, Nähe Roitham/Seeon, im Jahre 1981.
Rinder, Schafe und eine offene Bühne
Zur Pacht gehörten eine Wohnung, Stallungen und Land, denn damals hatten sie noch Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine und allerlei Klein- und Federvieh. Schnell wurde aus dem Reiterstüberl „der“ Geheimtipp: nicht nur Bluegrass-Fans kamen auf ihre Kosten; auch durch die offene Bühne kamen Gäste in den Genuss von außergewöhnlichen Gruppen oder Aufführungen.
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Kulinarisch wurden Vollkorn-Pizza und selbstgemachter Gouda von Rita serviert. John war auch einer der ersten in der Gegend, der „Guinness“-Bier vom Fass anbieten konnte, darauf ist er noch heute stolz.
Neben dem Töpfermarkt an Pfingsten, den damals heimische Töpfer initiierten, und dem jährlichen Weinfest, machte man sich daran, das Musical „Hair“ in Bairisch mit dem Namen „Verdammt lang Hair“ umzusetzen. Bei der Premiere rechnete John mit 100 Besuchern, es kamen rund 500! Das Musical war so erfolgreich, dass es in Ampfing und München aufgeführt wurde, sogar über eine Tournee wurde nachgedacht, was aber an der notwendigen Zeit scheiterte.
Dann kam die Vertrags-Kündigung der Roßschänke – quasi aus heiterem Himmel – wegen „Eigenbedarfs“. Im Oktober 1987 war das Abschiedsfest.
Mit dem Wirtshaus in Emertsham, das danach zur Option stand, konnten sich die beiden lange nicht anfreunden. Doch war es realistisch betrachtet, eine gute Wahl. Es gab Stallungen und Grund für die Tiere, und es gab einen Saal für Konzerte. Im April 1988 wurde eröffnet, es wurden daraus acht Jahre. Schnell hatte es sich wieder herumgesprochen, dass da ein besonderer Treffpunkt entstanden ist.
Eines Tages rief Melanie (Woodstock-Teilnehmerin) aus den Staaten an, um einen Termin für einen Auftritt klarzumachen. Sie wollte ein Fax schicken, aber John hatte kein Fax-Gerät. Das war’s mit der Melanie – John besorgte sich schnellstens ein Fax-Gerät. Das war nur ein Beispiel dafür, dass der Name „John und Rita“ sogar in Amerika ein Begriff geworden ist.
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Im Jahre 1996 kam die Familie nach Obing um den „Gasthof zur Post“ für fünf Jahre zu pachten. Am 15. Mai spielten drei Bands aus der Region zur Eröffnung. „Erst eine Stunde vorher wurde die Theke fertig“, erinnert sich John an diesen besonderen Tag.
Zwei Brauereien glaubten an das Konzept von John und Rita
Das Wirtshaus lief wieder gut in Obing, da sie sich mittlerweile neben der Kleinkunst auch mit ihrer amerikanisch-bayerischen Küche einen Namen gemacht hatten. So fiel bald der Entschluss, den Gasthof kaufen zu wollen. Doch die beiden hatten kein Eigenkapital, deshalb rückten die heimischen Banken kein Geld heraus. „Das kam dafür von einer Bank in Hamburg, von der Schloßbrauerei Stein sowie der Brauerei Hopf, die an uns glaubten und uns großzügige Konditionen einräumten“, erinnern sich die beiden – immer noch dankbar für die damalige Hilfe.
Mittlerweile ist „der John“ in Obing fest etabliert. Nicht nur die Küche des Hauses hat ihre Fans, auch hochrangige Bands gaben und geben sich dort ein Stelldichein, und der Theaterverein probt dort im Saal und gibt Aufführungen. Darüber hinaus kann man dort auch in frisch renovierten Zimmern übernachten oder in einem der sechs Läden im Untergeschoß einkaufen oder sich beraten lassen.
Hört der John auf? „Mal schauen“
Man wird als Obinger oft gefragt: „Stimmt das, dass der John aufhört?“ Diese Frage gibt der Schreiber dieser Zeilen an John weiter. Der lenkt zuerst ab. Auf die nochmalige Frage zuckt er mit den Schultern und sagt: „Mal schauen“. Rita sagt gar nichts. Also: Mal schauen!
Am vergangenen Sonntag wurde jedenfalls ausgiebig gefeiert: Beim „Winterbiergartenfest“ gab es Würstel und Käse vom Grill zur Jubiläumsfeier. Ein Teil des Erlöses geht an den „Sozialfond Obing-Emertsham-Seeon“.
